Todd Blanche kann zufrieden sein. Am Donnerstag ist es dem Anwalt von Donald Trump gelungen, die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen im Prozess gegen seinen Klienten weiter zu beschädigen.
Im Zeugenstand sass erneut Michael Cohen, der ehemalige Vertrauensanwalt Trumps und «Mann fürs Grobe». Im Wahlkampf 2016 zeichnete Cohen dafür verantwortlich, dass Frauen finanziell entschädigt wurden, die eine aussereheliche Beziehung mit Trump gehabt hatten – darunter auch die Porno-Darstellerin Stormy Daniels. Sie erhielt 130'000 Dollar, damit sie nicht über einen angeblichen One-Night-Stand mit Trump sprechen würde. (Dieses Geld erhielt Cohen später rückerstattet; verbucht wurden die Zahlungen als Anwaltskosten.)
Unter Eid hatte Cohen im Prozess ausgesagt, dass er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zwei Wochen vor dem Wahltag 2016 telefonisch über «die Lösung der Stormy Daniels-Angelegenheit» informiert habe. Den entsprechenden Anruf habe er bei Keith Schiller platziert, dem Bodyguard von Trump. Dieser habe sein Telefon dann an den gemeinsamen Chef weitergereicht. «Ich musste mit Herrn Trump sprechen.»
Blanche sagte nun aber am Donnerstag, dass sich dieser Anruf wohl nicht so abgespielt hatte. Denn in den SMS, die Cohen mit Personenschützer Schiller am 24. Oktober 2016 vor dem Anruf ausgetauscht hatte, war nie die Rede von Stormy Daniels. (Vielmehr soll sich die Konversation um einen Telefonstreich eines 14 Jahre alten Knaben gehandelt haben.) Auch dauerte das Gespräch mit dem Bodyguard Keith Schiller nur gerade 96 Sekunden. «Sie haben gelogen», donnerte Blanche im Saal 1530 eines Lokalgerichts im New Yorker Stadtteil Manhattan. «Sie haben an diesem Abend nicht mit Präsident Trump gesprochen!»
Cohen antwortete mit den Worten: «Ich bin mir nicht sicher, ob das zutreffend ist.» Er glaube, er habe die Wahrheit gesagt. Cohen wirkte im Zeugenstand zermürbt, nach den stundenlangen Attacken auf seine Integrität. Seine Fassung verlor er allerdings nie.
Die Geschworenen, so hiess es aus dem Gerichtssaal, hätten diesen Austausch höchst aufmerksam mitverfolgt. Sie wissen bereits, dass Cohen sich immer wieder schwer damit tut, die Wahrheit zu sagen. Und dass er dazu neigt, andere Menschen für seine eigenen Fehler und Versäumnisse verantwortlich zu machen. So wiederholte Cohen auch am Donnerstag, dass er das Strafverfahren gegen ihn, das ihm 2018 eine mehrjährige Gefängnisstrafe einbracht hatte, unfair findet. «Ich glaube, ich hätte nicht strafrechtlich verfolgt werden sollen», sagte er.
Reicht das bereits, um den Prozess zum Platzen bringen zu lassen? In New York müssen Urteile («guilty», schuldig, oder «not guilty», nicht schuldig) von den Geschworenen einstimmig gefällt werden - sonst droht ein «mistrial» ohne gültige Entscheidung und eine mögliche Wiederholung eines Prozesses.
Trump jedenfalls zeigte sich nach Abschluss der Verhandlungen am Donnerstag höchstzufrieden über die Arbeit seines Anwaltes. Er nannte das Kreuzverhör seines einstigen Vertrauten «einen faszinierenden Tag». Und der Präsidentschaftskandidat bekräftigte: «Ich habe kein Gesetz gebrochen.»
Blanche wiederum sagte dem Richter Juan Merchan, er werde seine Befragung von Michael Cohen wohl am Montag abschliessen. Ob Trump selbst im Zeugenstand Auskunft geben wird, ist angeblich immer noch offen.
Theoretisch könnten die Geschworenen mit ihren Beratungen bereits zu Wochenmitte beginnen. Sie müssen über 34 Anklagepunkte entscheiden. Die Staatsanwaltschaft von Manhattan wirft Trump vor, er habe im Zusammenhang mit der Schweigegeldzahlung an Stormy Daniels die Geschäftsbuchhaltung seines Familienunternehmens gefälscht. Trump ist der erste Ex-Präsident in der Geschichte der amerikanischen Republik, gegen den ein Strafprozess angestrengt wurde.
Weil auch in den USA ein langes Wochenende ansteht – in Amerika wird am 27. Mai an gefallene Soldatinnen und Soldaten gedacht – könnte ein Entscheid der Geschworenen schneller als erwartet vorliegen. Schwer vorstellbar, dass sie Lust haben, noch mehr Zeit in einem schäbigen Gerichtsgebäude zu verbringen.
Und so einer hat realistische Chancen der nächste Präsident der USA zu werden...
Für mich würde das Vorgehen von Trump und seinen Anwälten die gemeingefährliche, kriminelle Energie erst recht bestätigen.