In meiner Vorstellung sind sie so geile Alt-Hippies. Sie waren bei Woodstock dabei, haben enorm viel gekifft und noch mehr freie Liebe zelebriert. Sie sind ja schliesslich Suff-SMS-Sandros Eltern. Und der kann gar nicht aus anderen Menschen geschaffen worden sein als aus eben diesen Freie-Liebe-Fans Schrägstrich Alt-Hippies.
Obwohl Sandro und ich uns schon ewig kennen, waren seine Eltern nie ein grosses Thema. Mehr so husch nebenbei in einer Geschichte als Nebendarsteller. Seit wir aber so ganz offiziell liiert sind, wird die Familie zum Thema.
Sandro sagt über seine Eltern, dass sie nicht ganz dicht sind. Sagen ja die meisten über die eigenen Eltern. Nehme ich also nicht ernst. Obwohl Sandro stets sehr betonte, dass die beiden einen unmöglichen Umgang haben. Der Vater politisch viel zu rechts sei und die Mutter mehrheitlich unterdrücke. Sie derweil so sehr mit sich selber beschäftigt ist, dass sie es nicht mal merkt.
Easy, denke ich. Und freue mich auf den allerersten Besuch bei den beiden.
Wobei, nein, das war jetzt gnadenlos gelogen. Ich freue mich nicht. Mit potenziellen Schwiegereltern habe ich es wie mit Lehrern und Cheffen: Ich habe latent Schiss vor ihnen. Die Verunsicherung geht so weit, dass ich ganz schräg werde. Nichts sage. Nicht lache. Nicht atme.
Im März jedenfalls feierte Sandros Oma ihren 94. Geburtstag. Zu dem ich jetzt also auch eingeladen bin. Kaffee und Kuchen an Sonntagnachmittag im Altersheim. Ich scheitere schon an der Frage des Outfits. Und entscheide mich am Schluss für Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Klingt voll okay. Frage mich dennoch, ob schwarz zu düster für einen Ort ist, der quasi für die Endstation des Lebens steht. Ich sag's ja: Schwiegereltern-Besuche machen mich komisch.
Um 15 Uhr sollen wir da sein. Um kurz vor 16 Uhr fahren wir ein. Sandros Unpünktlichkeit wird eventuell mal ein Scheidungsgrund.
Es sitzen schon alle da. Papa SSMSS, Mama SSMSS, Schwestern SSMSS und die Grossmutter. Jetzt sind alle Augen auf mich gerichtet.
Hab wahrscheinlich Spinat zwischen den Zähnen. Das, ohne dass ich Spinat gegessen habe.
Oder eine Fliege sitzt grad auf meinem Augenlid.
Mein Lippenstift ist auf den Zähnen.
Mein Make-up verschmiert.
Eventuell hab ich sogar einen Böög in der Nase, der bei jedem ausatmen, fast rausfällt.
«Hallo zusammen, ich bin Emma», sage ich.
«Grüezi Emma, schön sind Sie da!», sagt Mama SSMSS.
Sie hat mich tatsächlich gesiezt.
Ich strecke ihr meine Hand entgegen. Sie stellt sich mit Nachnamen vor.
«Es ist mir eine Ehre, Frau Fischer», sage ich.
Sie sagt nichts. Lächelt leicht und wendet sich ab.
Herr Fischer derweil will wissen, was ich bei den letzten Abstimmungen gestimmt habe, in welcher Partei ich bin (!!!) und was ich bei den nächsten Abstimmungen stimmen werde.
Die Grossmutter, mein absoluter Liebling in dieser Runde, fragt mich derweil alle sechs Minuten, wie ich heisse.
Die Schwestern sind cool. Vor allem die Kleine. Ein Nachzüglerli. Liebt Partys, Zigaretten und Sex. Kommt ganz nach ihrem Bruder. Die andere Schwester hat schon zwei Kartoffeln. Die sind heute nicht da.
Frau Fischer will wissen, was ich beruflich mache. Und was meine nächsten beruflichen Ziele sind. Und ob ich Kinder haben will? Und ob ich dann vor allem auch weiterarbeite. «Ist ja nicht okay, wenn dann Sandro ganz alleine für das ganze Geld verantwortlich ist.»
Wir werden unterbrochen. Grosi Fischer muss wieder wissen, wie ich heisse.
Nach einer Stunde ist die triste Sause hier zu Ende. Herr und Frau Fischer wollen nichts mehr trinken gehen. Es sei schon spät. Es ist 17 Uhr.
Am nächsten Tag ruft Frau Fischer Sandro an. Wie sie mich findet, fragt er. Mama Fischer kann nicht viel dazu sagen. «Du, die hat ja kaum geredet. Aber ist sicher eine Sympathische!»
Ok, gut. Merci. Haha.
Zusammenfassend kann ich es in einem Satz sagen: Frau Fischer und ich, das ist keine Lovestory.
Er wird auch zu seiner Scheidung zu spät kommen 🤪
zum Glück ;)
Bettwaren, Emma!