An meinen Gefühlen hat sich nicht geändert. Ich bin immer noch verliebt. Während ich normalerweise einfach ins Leben verschossen bin, bin ich jetzt into einen Mann. In Max, meinen Nachbarn.
Er will mich auch. Lange wollte er nicht. Also schon. Einfach ohne Label. Sollte eigentlich meinem Gusto entsprechen. Man sagt mir ja eine gewisse Fomo und Bindungsangst nach. Eventuell gar nicht so zu Unrecht.
Haha.
Bei Max wars anders. Hier wollte ich den Stempel. Und dann offenbarte er mir zuerst, dass er eine fünfjährige Tochter hat und kaum hatte ich den Schock überwunden, liess er mich wissen, dass er mit der Kinderplanung abgeschlossen hat.
Ich sags ja, alles grad sehr kompliziert und deswegen brauche ich jetzt eine Max-Pause. Was Max versteht und gut findet, sagt er, der sehr gute Max.
Meine Pause sieht so aus, dass ich mich ständig frage, was Max wohl gerade so macht. Uns trennen ja nur wenige Meter Luftlinie. Wir wohnen ja im gleichen Haus. Da fühlt sich selbst eine Pause wie kein Milimeter Distanz an.
Ich muss also raus.
Und ich habe das Bedürfnis, mit einem Mann über meine Situation zu reden. Und zwar mit Suff-SMS-Sandro. Ich weiss nicht, ob mich ein anderer Mensch so gut kennt wie Sandro. Ist er doch schon ewig da. Und kennt mich – Achtung, sehr schlechtes Wortspiel – in- und auswendig.
Schliesslich vögeln Sandro und ich schon ewig und länger. Und dann vögeln wir immer wieder mal nicht. So wie jetzt gerade. Wenn jemand verliebt und/oder in einer Beziehung ist, dann behalten wir die Kleider an. Nur den Kontakt, den brechen wir nie ab. Warum auch? Wir lieben uns heiss und innig, platonisch und körperlich. Einfach romantisch nicht.
Schnallt keiner. Ausser wir. Aber das reicht ja auch.
Vor ein paar Tagen lade ich mich zu Sandro in seine Singlebude ein. Das ist da, wo das Velo im Gang steht, die Bartstoppeln das Lavabo verstopfen und die Zahnpasta-Tube konsequent offen auf dem Brünneli liegt. Und da, wo leere Bier- und Cola-Dosen den Balkon zumüllen.
Ich fühle mich bei Sandro trotzdem oder vielleicht genau darum sehr wohl.
Er kauft Spaghetti und Wein. Ich bring die Zutaten für meine Bolo, die ich bei ihm koche. Während ich schnipple, sitzt er da und stellt Fragen. Wie es mir geht. Was Max’ Kind mit mir macht. Was Kinder allgemein mit mir machen. Warum Max. Warum Max nicht. Was passiert, wenn ich an Max’ Ex, die Mutter seiner Tochter, denke.
Sandro will wissen, was ich will. Ich sage, dass ich es nicht weiss. Also schon, ich will Max. Aber ich will mir die Option auf Kinder nicht nehmen lassen.
«Das verstehe ich gut, Emma», sagt Sandro. «Und ohne Scheiss, es wäre schon uhuren schade, würdest du dich nicht fortpflanzen.»
Ich lächle.
«Ich meins ernst. Schau dich an. Du bist Liebe. Du liebst jeden und jeder liebt dich. Ich hab dich auch schon mit Kindern erlebt. Deine Augen funkeln. Eventuell bist du zu cool, um es dir final einzugestehen. Aber ich sags dir jetzt, Emma. Ich glaube sehr, dass du ein Mami bist. Ein Mami, dessen Kind einfach noch nicht da ist.»
Muss es denn ein eigenes sein, frage ich Sandro. «Diese Frage kannst nur du beantworten. Von aussen kann ich dir sagen, dass ich dir von Herzen ein eigenes wünsche. Was aber einen Partner mit Kindern nicht ausschliesst. Du hast genug Liebe für alle. Sofern dieser dann halt offen ist für weitere Kids.»
Mein Herz tut etwas weh. Während ich das frische Basilikum schnipsle, kommen mir die Tränen.
Sandro hüpft auf, umarmt mich und streichelt über mein Haar. Die Strähne, die mir aus dem Bürzi gefallen ist, versorgt er hinter meinem Ohr.
«Irgendwie biz Kackalter, gell!?», sagt er.
«Ja», sage ich. Dann muss ich lachen. Er auch.
Nun muss die Bolo zwei Stunden köcheln. Wir legen uns auf sein Bett. Er ganz links, ich ganz recht. Dann lege ich meinen Kopf auf seine Brust, er seinen Arm um mich. Es ist sehr unsexuell. Noch viel mehr aber ist es schön.
Wir sagen nichts. Wir liegen einfach nur da und lauschen der Musik.
Das hier, das ist Seelenverwandtschaft. Das ist ein bester Freund. Eine Beziehung, bei der der Sex kommt und geht, wenn er keinen Platz hat. Das hier ist irgendwie so herrlich unperfekt perfekt.
Manchmal macht es mich etwas hässig, dass wir alles haben. Und von all dem verdammt viel. Und dass dennoch das Wichtigste fehlt, um jetzt gerade eine Kartoffel zu zeugen, ein Häuschen zu mieten und Tomaten zu ziehen: Du bist eine miese Verräterin, du romantische Liebe.
Max, Sandro, Max, Sandro, Max, Sandro.
Mein Herz schlägt für Max. Mein Kopf will Sandro.
Ich sags ja, alles hardcore kompliziert halt.
Ausser die Bolo. Die war perfekt. Ich wünschte, mein Liebesleben wäre eine Bolo.
En Guete,