Leben
Blogs

Emma Amour: Ein Albtraum mit Tränen, Trinkspielen und Trost-Toast

Bild
Bild: Shutterstock
Emma Amour

Ein Albtraum mit Tränen, Trinkspielen und Trost-Toast

Nachdem mein Papa Bruno beim Arzt war, hat dieser was gesehen, das da nicht hingehört. Während wir auf das Resultat der Biopsie warten, schmore ich im Tal der Tränen. Und Bruno? Der feiert das Leben!
25.10.2024, 10:05
Mehr «Leben»

Als ich klein war, gab's ganz oft Trost-Toast bei uns daheim. Trost-Toast, das ist eine Erfindung von meinem Papa Bruno. Trost-Toast, das ist geröstetes Toast-Brot (logisch) mit einer Zimt-und-Zucker-Mischung drauf.

Hatten Bruno und ich früher sturmfrei, gab's auch dann Trost-Toast, wenn es nichts zu trösten gab. Im Gegenteil, das Leben feierten Bruno und ich stets mit Trost-Toast.

Bruno ist nicht nur drum der Beste, weil er mich nie zu Brokkoli-Verzehr gezwungen hat und es stets easy fand, wenn ich statt Öpfelschnitzli Schoggistängeli gegessen habe. Dass er deswegen immer mal wieder Stress mit meiner Mutter hatte, konnte ich nie verstehen.

Ich bin mir sicher, dass die Welt voller toller Väter ist. Ich kann mir dennoch nicht vorstellen, dass irgendein Dad cooler, lustiger, besser, gescheiter, smarter und grosszügiger ist als meiner.

Und dann schnalle ich, dass auch Bruno nicht unsterblich ist

Dieser Super-Dad jedenfalls ist heute 69 Jahre alt. Und fit wie ein junges Reh. Dachte er zumindest. Bis der Arzt bei der Jahreskontrolle was fand, das da nicht hingehört hat und das er genauer untersuchen wollte.

Bruno hat mir das so nebenbei erzählt. Also eigentlich ist es ihm rausgerutscht. Er hat es mir erzählt, wie wenn er mir erzählt, dass mein Lieblings-WC-Papier gerade reduziert ist.

Ich hingegen bin komplett ausgeflippt. Hatte tausend Fragen. Zeitgleich war da diese Leere in meinem Kopf. Und blanke Panik, die sich um mein Herz ausbreitete.

Stirbt er?

Er darf nicht sterben.

Er kann nicht sterben.

Bruno ist unsterblich.

Okay, Fuck. Bruno ist nicht unsterblich.

Ich brach sofort in Tränen aus. Mitten im Tram. Bruno versuchte, mich zu beruhigen. Ich stieg an der nächsten Haltestelle aus und machte mich sofort auf den Weg zu meinen Eltern.

Da angekommen, war die Stimmung komplett entspannt. Bruno die Coolness in persona. Und auch meine Mutter fand, dass es keinen Sinn macht, wenn wir Panik schieben, bevor wir nicht wissen, ob es überhaupt Grund dazu gibt.

Schön, wenn sie das kann. Schön, wenn er das kann. Wirklich. Cool. Für beide.

Ich kann's nicht. Ich sitze hier und es schüttelt mich einmal durch. In Gedanken bereite ich meine Rede für seine Beerdigung vor.

An seiner Beerdigung will er Senf und Herdöpfelsalat

Bruno kommt aus der Küche und stellt mir einen Teller hin. Da sind zwei Trost-Toast-Brote drauf.

Nächster Heulkrampf.

Dann schlägt Bruno ein Trinkspiel vor. Immer, wenn ich einen Heulkrampf habe, muss ich trinken. Typisch Bruno. Eins vor Tod. Aber Hauptsache saufen.

Ich lache. Er lacht. Mama lacht.

Wir trinken Wein, schauen alte Fotoalben an, reden und irgendwann schwatzen wir über den Tod. Ich frage nach ihren Beerdigungswünschen.

Der Gedanke ist ultra schlimm. Und dann auch wieder nicht. Bruno will, logisch, ein Fest. Und keine schwarzen Kleider. Stirbt er im Sommer, will er Festbänke, Herdöpfelsalat, Grill. Und Senf vom Sternen Grill am Bellevue.

Meine Mutter will möglichst kein Tam-Tam. Gerne kleine Runde. Gerne ein schönes Essen und ein Toast aufs Leben statt Trauer um den Tod.

Die haben gut reden.

Zwei Suiten aufs Leben

Es ist weit nach Mitternacht, als ich nach Hause komme. Ich bin ein Wirrwarr aus Emotionen. So schön, dass ich Bruno und Mama habe. Und so schlimm, dass ich sie irgendwann nicht mehr habe.

Was, wenn Bruno Krebs hat? Metastasen? Er Chemo machen muss und ein Schatten seiner selbst wird? Wie schaffen wir das gemeinsam? Schaffen wir es überhaupt?

Ich weine mich in den Schlaf.

Am nächsten Tag buche ich einen Trip für Bruno und mich. Ein Wochenende Hamburg. Nur wir zwei. Komme, was wolle. Sogar Krebs. Der kommt dann halt schnell mit, bevor wir den bekämpfen.

Die nächsten Tage fühlen sich wie ein Leben in einem Paralleluniversum an. Es ist, als wäre ich in Watte gepackt. Alles dumpf. Alles weit weg. Und alles unwichtig ausser Bruno.

Dann kommt endlich der Anruf. Das Resultat der Biopsie ist da.

Es ist alles gut.

Alles gut.

Zwei Worte.

Die besten zwei Worte des Jahres.

Wir fliegen also in zwei Wochen ohne Krebs nach Hamburg. Ein Fakt, der Bruno dazu veranlasst, meine Hotelbuchung etwas anzupassen. Aus zwei Einzelzimmern macht er zwei Suiten. Wir werden je 80 Quadratmeter, ein eigenes Spa im Zimmer und die geilste Aussicht Hamburgs haben.

So geht Leben, sagt Bruno. Sparen tun wir ein anderes Mal, findet er. Wir wissen beide, dass wir nie sparen werden. So wie wir nie Brokkoli oder Apfelschnitze gegessen haben.

So wie wir immer glücklich waren.

Ich wünschte, Bruno wär unsterblich. Eventuell ist er das. Für mich. Und Mama. Und ganz viele andere.

Bild
bild: watson
Emma Amour ist ...
... mittlerweile 40 Jahre alt, hat es nach tausend Jahren des Hin und Hers tatsächlich geschafft, eine Beziehung mit Suff-SMS-Sandro nicht nur einzugehen, sondern sie sogar mehr oder weniger stabil zu führen! Emma wohnt im Zürcher Kreis 5 (wahrscheinlich für immer) und Sandro im Kreis 3. Zusammenziehen wollen sie nicht, aber sag niemals nie – ausser zu seinem Bierdosenberg, dazu sagt Emma ganz klar «nie in meiner Hütte». In diesem Blog nimmt euch Emma mit in ihr Beziehungsleben und plaudert alles aus, selbst die schlechten Seiten – wohl wissend, dass Sandro mitliest. I love you, SSMSS! Also lehnt euch zurück und geniesst die etwas *erwachsenere Emma!

*Ein bisschen Spass, ihr wisst schon …!
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
164 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Statler
25.10.2024 11:25registriert März 2014
Wenn ich mal sterbe, will ich, dass man den Blumenstrauss vom Sarg in die Menge wirft, um zu sehen, wer als nächster dran ist.

Ich warte grad auf meine eigene Biopsie. Kein Grund, nicht zu feiern oder sich Sorgen zu machen.
Irgendwann hüpfen wir all in die Kiste und das Einzige, was ich dann bereuen würde wäre, wenn ich das Leben nicht gefeiert hätte.

Viel Spass in Hamburg, Emma!
1927
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lady Shorley
25.10.2024 10:33registriert November 2016
Das Leben feiern!! Das ist das einzig richtige!
Bei meinem Papa wurde vor mittlerweile über 10 Jahren ein schwarzes Melanom diagnostiziert, welches dann auch noch gestreut hat. 5-Jahre-Überlebenschancen: 62%. Aber mein Papa ist heute noch da. Und da man nicht weiss, wieviel Zeit noch bleibt, hat die ganze Familie eines gelernt: Das Leben passiert heute! Und es will gelebt werden, in all seiner Pracht, mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Freuden und Schmerzen.
Später bleibt noch genügend Zeit um zu trauern, das muss nicht vorgeholt werden.
967
Melden
Zum Kommentar
avatar
olmabrotwurschtmitbürli #wurstkäseszenario
25.10.2024 11:12registriert Juni 2017
Brokkoli wird übrigens unterschätzt. Brokkoli ist Abbild und Grundlage des Lebens.

Der Geschmack stellt die existenzielle Frage, ob es schmeckt. Nicht ob es gut schmeckt, sondern ob der Konsistenz überhaupt ein Geschmack innewohnt. Brokkoli ist für die frühkindliche Erziehung insofern relevant, als er auf einen Donnerstag im Büro vorbereitet.

Zugleich erdet Brokkoli uns. Mit seiner Baum- oder Pilzartigen Wucherung versinnbildlicht er, wie wir alle bloss Ausstülpungen irdischen Konglomerats sind.
9314
Melden
Zum Kommentar
164
Diese 9 Wellness-Angebote sind für (fast) alle erschwinglich – eines gar gratis
Wenn es draussen kalt ist und es schnell dunkel wird, steigt die Lust auf erholsame Wellness umso mehr. Aber leider ist das alles immer so unfassbar teuer. Stimmt nicht. Hier kommen neun Angebote, die erschwinglich sind.

Wellness und Spa sind nur für alle mit dem nötigen Kleingeld – nein, das muss nicht sein. Wir haben hier einige Entspannungsangebote, die man sich durchaus leisten kann. Ideal jetzt in der – für viele – stressigen Adventszeit.

Zur Story