Wer fürs Klima etwas tun will, der kann auf Fleisch verzichten, nicht mehr fliegen, ein paar Bäume pflanzen – oder sich mit Wodka der Marke Air Co besaufen. Das Getränk des New Yorker Start-ups wird nämlich lediglich aus CO2 und Wasser hergestellt. Während die Produktion einer herkömmlichen Flasche Wodka rund 6 Kilogramm Kohlenstoffdioxid freisetzt, werden für 7.5 Deziliter Air-Co-Wodka 0.5 Kilogramm CO2 aus der Luft gefiltert.
Wodka aus Luft? Das geht so: Der Luft wird das Treibhausgas CO2 entzogen. Gleichzeitig wird durch das Verfahren per Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Das CO2 wird unter Zuhilfenahme eines Katalysators mit Wasserstoff zu Alkohol verbunden – die Essenz des Wodkas. Auf ähnliche Weise wird auch synthetischer Treibstoff hergestellt, der in Zukunft klimaneutrales Fliegen ermöglichen soll. Denn Ethanol, die gebräuchliche Form von Alkohol, kann nicht nur Menschen antreiben (oder einschläfern), sondern auch Maschinen.
Da Air Co für die oben erwähnten chemischen Prozesse ausschliesslich erneuerbare Energie verwendet, hat das Getränk auf das Klima eine ähnliche Wirkung wie Bäume. Allerdings eine bescheidene. Eine ausgewachsene Buche entzieht der Atmosphäre pro Jahr 12.5 Kilogramm CO2. Dafür müsste man 25 Flaschen Wodka trinken.
Was einen vernachlässigbaren Nutzen für das Klima, aber gravierende Folgen für die eigene Gesundheit hätte. Klammert man den ökologischen Fussabdruck gewisser tiefsibirischer Ethnien aus, so ist der Wodka für den Klimawandel ein bescheidenes Problem. Insofern wird die Welt mit dem Saufen von CO2-negativem Wodka nicht gerettet werden können.
Wobei das Attribut «CO2-negativ» irreführend ist. Wenn man den Wodka trinkt, stösst man das CO2 beim Atmen wieder aus. Im besten Fall ist der Wodka klimaneutral. Aber auch nur dann, wenn zu seiner Erzeugung ausschliesslich erneuerbare Energien eingesetzt werden. Wer den Wodka kosten will, muss nach New York. Da wird er in verschiedenen In-Lokalen ausgeschenkt.
Eine Flasche senden – über den Ozean an die Redaktion der «Schweiz am Wochenende» – wollte das Start-up nicht. Verständlich, schliesslich würde das die CO2-Bilanz ruinieren. Gemäss den Kollegen des US-Medienunternehmens CNBC soll das Getränk so wie ein «durchschnittlicher Wodka» schmecken.
Für den Zukunftsforscher Matthias Horx ist der Wodka nur der Anfang. «Von solchen Karbon-negativen Produkten werden noch viele auf den Markt kommen», ist er überzeugt. In der Schweiz unterstützt die Firma Climeworks den Getränkehersteller Coca-Cola darin, Valser-Wasser mit CO2 aus der Luft anzureichern, um den Sprudel ins Mineralwasser zu bringen.
Ausserdem verkauft das ETH-Spin-off CO2 an einen Gemüsebauern, der dieses in Gewächshäuser leitet, damit Gurken und Tomaten schneller wachsen.
In Finnland will das Start-up Solarfoods ein Protein aus CO2 herstellen, das ähnlich wie Weizenmehl als Grundbaustoff für verschiedene Nahrungsmittel dienen kann. Das aus der Luft abgeschnittene CO2 wird zusammen mit Wasserstoff – das wiederum mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird – und einigen Mineralien an Bakterien verfüttert. Sie produzieren in einem Fermentationsprozess Solein, das zu zwei Dritteln aus Protein besteht und zu einem Drittel aus Kohlenhydrat und Fett.
Damit eignet sich Solein bestens für eine Low-Carb-Diät. «Bisher haben wir erst Cookies und Pancakes damit hergestellt. Sie haben wunderbar geschmeckt», sagt Pasi Vainikka, der CEO von Solarfoods. In Zukunft sollen damit auch Pizza gebacken, Müsli gemischt und Proteinriegel geformt werden. Von Luft kann man also tatsächlich satt werden.
Die Idee für Solein stammt ursprünglich von der Nasa und wurde von finnischen Wissenschaftlern entwickelt. Schliesslich liesse sich das Nahrungsmittel auch auf dem Mars herstellen – einem Unort, wo keine Kuh überleben und keine Kartoffel gedeihen würde. Doch bevor Solein Astronauten auf unserem Nachbarplanet satt macht, könnte es helfen, die Erde zu einem klimafreundlicheren Ort zu machen.
Bereits in zwei Jahren wollen Vainikka und sein Team das Nahrungsmittel auf den Markt bringen. Und zwar zum Preis von 5.50 Franken pro Kilogramm reinem Protein. Das ist zwar teurer als Discount-Pasta, aber viel günstiger als die gleiche Menge Protein in Form von Eiern oder Hackfleisch – geschweige denn Rindssteak.
Apropos Fleisch: Während ein Kilogramm Rindfleisch die Umwelt mit 45 Kilogramm CO2 belastet, entzieht ein Kilogramm Solein laut Angaben des Unternehmens der Atmosphäre 3.4 Kilogramm CO2. Man stösst es allerdings nach den Verzehr wieder aus.
Die Organisation Myclimate findet solche klimaneutralen Lebensmittel «sehr interessant». Wie klimafreundlich sie wirklich seien, hänge aber davon ab, wie viel Energie bei der Produktion und beim Vertrieb aufgewendet werden muss.
«Es ist denkbar, dass die Klimabilanz weit besser ist als jene der traditionellen Landwirtschaft, die vor allem wegen Dünger, Landnutzung und Abholzung von Wäldern negativ ins Gewicht fällt», sagt Kai Landwehr von Myclimate. Einen enorm positiven Effekt hätte es, wenn man etwa Sojafelder durch synthetische Lebensmittelproduktion ersetzen würde und die damit frei werdende Fläche aufforsten würde.
Doch sind die Konsumenten wirklich bereit, ein Pulver zu essen, das ohne Zusatzstoffe geruchsneutral ist und in einer Fabrik produziert wurde? Und dies in einer Zeit, in der scheinbar nichts über Bio geht? Daran zweifelt der Chef von Solarfoods, Pasi Vainikka, nicht: «Egal, ob man einen Pancake aus Mehl oder Solein backt, der Konsument wird keinen Unterschied feststellen.» (aargauerzeitung.ch)
Umweltschutz kann so einfach sein! 😉