Insgesamt 459 Passagiere sollen an Bord der Unglücksfähre «Sewol» gewesen sein, darunter 325 Schüler und 14 Lehrer, die sich auf dem Weg zur Urlaubsinsel Cheju befanden. Gemäss Krisenstab des Ministeriums für Sicherheit und Öffentliche Verwaltung wurden am Mittwochabend noch 280 Passagiere vermisst. 10 weitere, insgesamt 174 Menschen seien gerettet worden. Die Rettungskräfte rechneten kaum damit, noch Überlebende zu finden. Wegen der Wassertemperatur von zwölf Grad und der Wassertiefe seien die Chancen sehr gering, zitierte die Zeitung «The Korea Herald» die Einsatzkräfte.
Nachdem die Besatzung am Mittwoch um etwa 9.00 Uhr einen Notruf abgesetzt hatte, lief eine grossangelegte Rettungsaktion an, an der sich mehr als 100 Schiffe und Flugzeuge der Marine und Küstenwache sowie Fischerboote beteiligten. Gemäss eines Reporters der Zeitung «Bild» waren 40 bis hundert Einsatzkräfte vor Ort, mehrere Hubschrauber umkreisten das Schiff. Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie Mitglieder einer Spezialeinheit der Marine nach dem gesunkenen Schiff tauchten. Die Starke Strömung und schlechte Sicht unter Wasser behinderten die Rettungsarbeiten.
Nach Angaben des koreanischen Ministerium für Sicherheit und öffentliche Verwaltung wurden bisher sechs Passagiere tot geborgen. Bei den Todesopfern soll es sich um ein Crew-Mitglied und zwei Schüler der Ausflugsgruppe handeln. Auf Twitter machen einige Koreaner ihrem Ärger Luft, dass die Rettungsaktion so schleppen vorangeht.
Vermutlich wird die Zahl der Todesopfer noch in die Höhe klettern. So sagt ein geretteter Passagier gegenüber dem Fernsehsender YTN: «Ich bin bis ganz am Schluss an Bord geblieben. Aber das Wasser ist so schnell hineingeströmt, dass nicht alle es hinaus geschafft haben.» Auch die Küstenwache geht davon aus, dass zahlreiche Passagiere und Besatzungsmitglieder im Innern der «Sewol» eingeschlossen sind.
Die Schüler, die an Bord waren, sind von einem Gymnasium in der bei Seoul gelegenen Stadt Ansan. Ihre Fähre hatte am Dienstagabend vom Hafen Incheon abgelegt, wie die staatliche Seefahrts- und Hafenbehörde Busan mitteilte. Sie war unterwegs zur südlichen Insel Cheju, die als Ferienparadies bekannt ist, und kenterte etwa 20 Kilometer vom Ufer der Insel Byungpoong entfernt.
Die Ursache für die Havarie lag zunächst im Dunkeln. Mehrere Passagiere sprachen im Fernsehen von einem schweren Schlag, bevor das Schiff gestoppt habe. Experten vermuteten, dass das Schiff auf einen Felsen gelaufen sein könnte. Über die Wetterlage herrschte Unklarheit: Einige Medien berichteten, es sei zur Unglückszeit nebelig gewesen.
Der Rundfunksender KBS berichtete unter Berufung auf einen Beamten der Küstenwache, dass das Schiff aus noch ungeklärten Gründen auf der vielbefahrenen Fährstrecke möglicherweise ausserhalb der normalen Route gefahren sei.
Die 6800-Tonnen-Fähre «Sewol» geriet am Mittwochmorgen in Seenot und setzte um 9 Uhr Ortszeit (2 Uhr MESZ) einen Notruf ab. Die Fähre sank sehr langsam. Die Küstenwache ging deshalb zunächst davon aus, dass die restlichen Passagiere rechtzeitig vom Schiff gebracht werden können.
Die Crew habe die in Panik geratenen Passagiere wiederholt angewiesen, auf ihren Plätzen zu bleiben und sich nicht zu bewegen. Ein geretteter Schüler berichtet seinerseits, Gepäck und Warenautomaten seien ins Rutschen gekommen. «Alle haben geschrien, und viele haben ganz schlimm geblutet.»
Das Fernsehen zeigte Fotos eines um 45 Grad geneigten Schiffes, über dem Helikopter kreisten und das dann vollständig kippte. Passagiere wurden laut dem US-Sender CNN von den Rettungskräften aufgefordert, ins rund 12 Grad kalte Wasser zu springen und auf Rettung zu warten.
Die bislang geretteten Passagiere wurden zur Nachbarinsel Jindo gebracht, wo sich stündlich immer mehr Angehörige einfinden. Staatspräsidentin Park Geun Hye drängte wegen der heranbrechenden Nacht zur Eile bei den Rettungsarbeiten. Sie sei «tief bestürzt», sagte Park.
Laut dem Eidg. Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks keine Schweizerinnen oder Schweizer an Bord des Schiffes. Dies hätten die südkoreanischen Behörden auf Nachfrage der Schweizer Botschaft in Seoul mitgeteilt. Bundespräsident Didier Burkhalter sandte laut dem EDA ein Beileidsschreiben an die südkoreanischen Behörden. (rar/oku/trs/sda/afp)