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Die CD ist tot – und mit ihr all die Probleme, die wir schon längst vergessen haben

Die CD ist tot – und mit ihr all die Probleme, die wir schon längst vergessen haben

Der Sony CDP-101, erster kommerziell erhältlicher CD-Spieler (1982).Bild: wikipedia
Vor 34 Jahren hat die «Compact Disc» die Musikwelt ordentlich durchgeschüttelt. Endlich konnte Beethovens 9. Symphonie an einem Stück gehört werden. Was damals DIE Errungenschaft war, ist heute schon wieder veraltet. Eine letzte grosse Verabschiedung.
20.08.2015, 10:1521.08.2015, 07:13
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Mein Deutschlehrer am Gymnasium besass damals über 20'000 CDs, ein eigenes Zimmer hat er mit seiner Sammlung gefüllt. Wie viele es heute sind, weiss ich nicht. Jedenfalls liebte er den Silberling wie kein Zweiter – und kennt die nachfolgenden Probleme wohl nur zu gut. Ob er das Ende der Ära «Compact Disc» auch schon sehen will, ist trotzdem zu bezweifeln.

1979 – Der erste Philips Compact-Disc-Prototyp wird präsentiert

Die zwei revolutionären Zahlen der CD lauten: Zwölf Zentimeter Durchmesser, 74 Minuten Spieldauer – der Legende zufolge ist daran die Ehefrau des damaligen Sony-Vizepräsidenten Norio Ohga Schuld, welche Beethovens 9. Symphonie ohne lästiges Platten wechseln hören wollte. Die Echtheit dieses Gerüchts darf bezweifelt werden, der Auftrag an die Ingenieure war dennoch klar. 

Als dann im August 1982 die ersten serienmässigen CD-Pressungen begannen, ging es schnell, bis der Mainstream-User die sperrigen Platten in den Keller stellte und sich im Wohnzimmer hässliche CD-Türme baute. Und schon stand das erste Problem vor der Tür:

Problem 1: Wo ist die leere Hülle?

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Auch in der Schweiz wurden bald über eine Million CDs pro Jahr verkauft. Genesis, die Stones oder Kliby und Caroline prägten die Schweizer Charts. Mehr CDs, mehr Probleme: Wie um Himmels Willen schafft man es, sie nicht zu verkratzen?

Problem 2: Verkratzte CDs

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1984 – Discman: Musik für unterwegs

Von 1,3 auf 13 Millionen steigerten sich die CD-Verkäufe in der Schweiz zwischen 1985 und 1990. Mittlerweile konnte man sogar unterwegs Musik hören – mit klobigen Discmans, aber nur wer Glück (oder viel Geld) hatte, konnte sich einen mit Anti-Shock leisten.

Problem 3: A...a...anti-shock

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Erschwerend kam noch die Tatsache dazu, und damit zu Problem 4, dass man immer ein mindestens fünf Kilo schweres CD-Etui mitschleppen musste, man wollte ja schliesslich flexibel bleiben in der Musikauswahl.

1992 – MiniDisc

Als Sony anfangs der 90er die MiniDisc vorstellte, betrachteten viele die Probleme 3 und 4 als gelöst. Nur leider konnte sich die MiniDisc nie durchsetzen – kein Wunder: Eine CD in klein – wow, grossartige Idee, danke für gar nichts. Immerhin hätten diese Dinger einigermassen in die Hosentaschen gepasst.

Problem 5: Kein Platz in den Taschen

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1996 – Erste bezahlbare CD-Brenner

«Chaschmer die brenne?» – Endlich konnte man seine Schätze mit allen Freunden teilen, der Geliebten eine persönliche Compilation widmen und für jede Reise die passende Musik zusammenstellen. Wie Weihnachten und Geburtstag zusammen – auf den ersten Blick. Aber ...

Problem 6: Wenn du der einzige in der Klasse mit CD-Brenner warst: Freizeit ade! 
«Chaschmer die no brenne?»

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Vielleicht hast du Problem 6 noch einigermassen schadlos überstanden. Problem 7 aber kennt die gesamte CD-Generation.

Problem 7: Unbeschriftete CDs

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Und als du dachtest, Britney Spears würde jetzt dann grad losträllern, bist du schon vor der nächsten Herausforderung gestanden.

Problem 8: Wenn du die «richtige» CD gefunden hast und dann einlegst.

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2001 – iPod

Im Jahre 2000 erreichte die Schweizer Musikindustrie ihren Peak mit 19,6 Millionen verkauften CDs. Die ersten MP3-Player waren zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Markt, doch 2001 betrat der wirkliche Partykiller die Bühne: der iPod war geboren. Fortan brachen die CD-Verkäufe zusammen, 2014 gingen gerade noch 3,66 Millionen CDs über den Ladentisch. Downloads und Gratis-Streamingdienste dominieren das «Geschäft».

2015 – Vinyl feiert Comeback

Während die CD-Verkäufe weiterhin dahinserbeln, verpassten es die Vinyl-Liebhaber 2014 nur knapp, den Jahresumsatz von einer Million zu knacken. 2015 sieht's besser aus – für die Schallplatte. Bereits bis zum Mai erstanden die Schweizerinnen und Schweizer schwarzes Gold im Wert von 777'200 Franken (+ 66 Prozent). Weiterhin auf dem Sterbebett liegt die CD – und niemand scheint sich um sie zu sorgen. Im Vergleich zum Vorjahr brachen die Verkäufe bis Mai nochmals um 18,5% ein.

Die CD-Probleme werden sich also schon bald von selbst lösen. Wirklich nachtrauern wird ihr niemand. Schliesslich gibt es Spotify, Apple Music und Co. – und wahre Liebhaber bedienen sich den wunderbaren Vinyl-LPs. 

Tschüss CD, sogar die Diskette war cooler als du:

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Das spricht ebenfalls für die Schallplatte: Sexheftli, Mathe-Prüfungen und Liebesbriefe – was man alles so in alten Plattenhüllen findet

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Sexheftli, Mathe-Prüfungen und Liebesbriefe: Was man alles so in alten Plattenhüllen findet
Was die Leute früher alles in LP-Hüllen so versteckten ... und mit der Zeit vergassen! Alles einzusehen im grossartigen Instagram-Feed thingsifoundinrecords: Ein «interessantes» Blatt in dieser LP der Surfaris ...
quelle: instagram/thingsifoundinrecords / instagram/thingsifoundinrecords
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13 Kommentare
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div3r #19840
20.08.2015 11:05registriert Mai 2015
Also ich mag es nach wie vor, etwas in der Hand zu halten und mich daran zu ergötzen die frisch gekaufte platte auf die ich mich schon so gefreut habe langsam auszupacken und in den CD -Player meines Autos, gleich auf dem Parkplatz vor dem Elektronik-Geschäft, zu schieben um den ersten Klängen zu lauschen. Klar sind CD'S heutzutage insbesondere vom finanziellen Aspekt aus gesehen nicht mehr sehr attraktiv, ich für meinen Teil benutze durchaus hauptsächlich einen Streaming-Dienst (Name dem Autor bekannt :] ) um die Boxen knallen zu lassen. Eine handvoll Interpreten mag ich aber einfach zu sehr, um mir nicht das oben beschriebene Spektakel entgehen zu lassen. Denn: Wo liegt den noch der Reiz, wenn alles sofort und überall verfügbar ist? Was versteht man denn dann noch unter "Vorfreude"?!
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