Mein Deutschlehrer am Gymnasium besass damals über 20'000 CDs, ein eigenes Zimmer hat er mit seiner Sammlung gefüllt. Wie viele es heute sind, weiss ich nicht. Jedenfalls liebte er den Silberling wie kein Zweiter – und kennt die nachfolgenden Probleme wohl nur zu gut. Ob er das Ende der Ära «Compact Disc» auch schon sehen will, ist trotzdem zu bezweifeln.
Die zwei revolutionären Zahlen der CD lauten: Zwölf Zentimeter Durchmesser, 74 Minuten Spieldauer – der Legende zufolge ist daran die Ehefrau des damaligen Sony-Vizepräsidenten Norio Ohga Schuld, welche Beethovens 9. Symphonie ohne lästiges Platten wechseln hören wollte. Die Echtheit dieses Gerüchts darf bezweifelt werden, der Auftrag an die Ingenieure war dennoch klar.
Als dann im August 1982 die ersten serienmässigen CD-Pressungen begannen, ging es schnell, bis der Mainstream-User die sperrigen Platten in den Keller stellte und sich im Wohnzimmer hässliche CD-Türme baute. Und schon stand das erste Problem vor der Tür:
Auch in der Schweiz wurden bald über eine Million CDs pro Jahr verkauft. Genesis, die Stones oder Kliby und Caroline prägten die Schweizer Charts. Mehr CDs, mehr Probleme: Wie um Himmels Willen schafft man es, sie nicht zu verkratzen?
Von 1,3 auf 13 Millionen steigerten sich die CD-Verkäufe in der Schweiz zwischen 1985 und 1990. Mittlerweile konnte man sogar unterwegs Musik hören – mit klobigen Discmans, aber nur wer Glück (oder viel Geld) hatte, konnte sich einen mit Anti-Shock leisten.
Erschwerend kam noch die Tatsache dazu, und damit zu Problem 4, dass man immer ein mindestens fünf Kilo schweres CD-Etui mitschleppen musste, man wollte ja schliesslich flexibel bleiben in der Musikauswahl.
Als Sony anfangs der 90er die MiniDisc vorstellte, betrachteten viele die Probleme 3 und 4 als gelöst. Nur leider konnte sich die MiniDisc nie durchsetzen – kein Wunder: Eine CD in klein – wow, grossartige Idee, danke für gar nichts. Immerhin hätten diese Dinger einigermassen in die Hosentaschen gepasst.
«Chaschmer die brenne?» – Endlich konnte man seine Schätze mit allen Freunden teilen, der Geliebten eine persönliche Compilation widmen und für jede Reise die passende Musik zusammenstellen. Wie Weihnachten und Geburtstag zusammen – auf den ersten Blick. Aber ...
Vielleicht hast du Problem 6 noch einigermassen schadlos überstanden. Problem 7 aber kennt die gesamte CD-Generation.
Und als du dachtest, Britney Spears würde jetzt dann grad losträllern, bist du schon vor der nächsten Herausforderung gestanden.
Im Jahre 2000 erreichte die Schweizer Musikindustrie ihren Peak mit 19,6 Millionen verkauften CDs. Die ersten MP3-Player waren zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Markt, doch 2001 betrat der wirkliche Partykiller die Bühne: der iPod war geboren. Fortan brachen die CD-Verkäufe zusammen, 2014 gingen gerade noch 3,66 Millionen CDs über den Ladentisch. Downloads und Gratis-Streamingdienste dominieren das «Geschäft».
Während die CD-Verkäufe weiterhin dahinserbeln, verpassten es die Vinyl-Liebhaber 2014 nur knapp, den Jahresumsatz von einer Million zu knacken. 2015 sieht's besser aus – für die Schallplatte. Bereits bis zum Mai erstanden die Schweizerinnen und Schweizer schwarzes Gold im Wert von 777'200 Franken (+ 66 Prozent). Weiterhin auf dem Sterbebett liegt die CD – und niemand scheint sich um sie zu sorgen. Im Vergleich zum Vorjahr brachen die Verkäufe bis Mai nochmals um 18,5% ein.
Die CD-Probleme werden sich also schon bald von selbst lösen. Wirklich nachtrauern wird ihr niemand. Schliesslich gibt es Spotify, Apple Music und Co. – und wahre Liebhaber bedienen sich den wunderbaren Vinyl-LPs.