Die EU-Unterhändler haben am Dienstag in Brüssel den Schweizer Vorschlag akzeptiert, die Personenfreizügigkeit auf Kroatien ohne Unterzeichnung des Zusatzprotokolls anzuwenden. Damit nimmt das EU-Mandat für ein Rahmenabkommen mit der Schweiz eine Hürde.
Bewegung dürfte auch in die Dossiers "Horizon 2020" und "Erasmus+" kommen. «Wir haben eine provisorische Vereinbarung», sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur sda in Brüssel. Noch vor zwei Wochen hatten mehrere Länder Bedenken geäussert.
Unter anderem fürchtete Frankreich um die Rechte seiner Grenzgänger und der bereits in der Schweiz lebenden Franzosen. Die Bedenken hätten nun ausgeräumt werden können, sagte der EU-Diplomat.
Grossbritannien hatte seinerseits darauf beharrt, das Dossier seinem zuständigen Minister zu unterbreiten, bevor es seine Zustimmung geben wird.
Bereits am (morgigen) Mittwoch steht das Schweizer-Dossier als so genannter A-Punkt auf der Agenda der nächst höheren Instanz, dem Botschafter-Ausschuss (Coreper). A-Punkte werden nicht mehr diskutiert, sondern nur noch durchgewinkt.
Das Schweizer Dossier besteht aus dem EU-Verhandlungsmandat für ein Rahmenabkommen zur Lösung der «institutionellen Frage» sowie einer äusserst vertraulich behandelten Erklärung.
Gemäss einem EU-Diplomaten geht es in dieser von der griechischen Präsidentschaft lancierten Erklärung darum, dem Versprechen der Schweiz an Kroatien Verbindlichkeit zu verleihen.
Ausserdem soll darin die Unantastbarkeit der Personenfreizügigkeit sowie das Prinzip der Gleichbehandlung aller EU-Mitgliedstaaten bekräftigt werden.
Winken am Mittwoch die Botschafter die ausgehandelte provisorische Vereinbarung durch, braucht es als letztes noch die Zustimmung der Minister der 28 EU-Staaten.
Damit werden mehrerer Dossiers wenigstens teilweise deblockiert. Denn an der Kroatien-Frage hängen das Forschungsabkommen «Horizon 2020» und das Studentenaustauschprogramm «Erasmus+».
Nach der Annahme der SVP-Zuwanderungs-Initiative hatte die EU-Kommission die Verhandlungen zu den beiden Abkommen auf Eis gelegt, weil für sie diese mit der Personenfreizügigkeit verknüpft sind. So hat die Schweiz bei «Horizon 2020» heute nur noch den Status eines Drittstaates. Forschende sind somit von den prestigeträchtigen Einzelprojekten ausgeschlossen.
Um diese Blockade zu entschärfen, verlangte die Schweiz als Gegenleistung für die Anwendung der Freizügigkeit auf Kroatien von der EU, dass diese ihre starre Haltung bei «Horizon 2020» und «Erasmus+» aufgibt.
In ihrer Erklärung zeigen sich nun die EU-Staaten bereit, der Schweiz eine Teilnahme an den beiden Programmen zu ermöglichen. Wie genau diese Teilnahme aussehen wird, ist jedoch zurzeit nicht klar.
Ist das EU-Mandat zum Rahmenabkommen erst einmal durch die Minister verabschiedet, können auch die auf Eis gelegten Verhandlungen zum Stromabkommen weiter geführt werden. Denn seit Verhandlungsbeginn hatte sich die EU auf den Standpunkt gestellt: ohne Rahmenabkommen kein Stromabkommen.
Mit dem Rahmenabkommen will die EU einen gemeinsamen Mechanismus zur Übernahme von EU-Recht und zur Streitbeilegung einführen. Ohne diesen Mechanismus will sie der Schweiz keinen weiteren Marktzugang gewähren. (sda)