Schweiz
Die Mitte

Der Mitte-Partei droht Blamage mit ihren Volksinitiativen

Die Mitte hat ein Problem: Ihre Initiativen könnten scheitern – bevor sie eingereicht sind

Die Mitte-Partei ruft alle kantonalen Sektionen dazu auf, einen Effort zu leisten: Es fehlen Tausende Unterschriften für die Volksinitiativen. Schon im März läuft die Frist ab. Die Mitte kämpft gegen eine Hürde, mit der sie nicht gerechnet hat.
01.02.2024, 23:19
Francesco Benini / ch media
Mehr «Schweiz»

Die Delegierten der Zuger Mitte trafen sich diese Woche in Cham. Sie redeten über die AHV-Vorlagen, über die geplante Umfahrung Unterägeris ‒ da richtete der Parteipräsident plötzlich einen Appell an die 80 Personen im Saal: Jeder Einzelne solle bitte Unterschriften sammeln. Man liege hinter dem Plan.

Gerhard Pfister, Parteipraesident Die Mitte Schweiz und Nationalrat (ZG), reagiert anlaesslich dem Dreikoenigsgespraech, am Dienstag, 9. Januar 2024 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Plötzlich unter Druck: Gerhard Pfister, der Präsident der Mitte.Bild: keystone

Für die Mitte geht es um viel. Die zwei Volksinitiativen sind Prestigeprojekte: Die sogenannte Heiratsstrafe bei der Bundessteuer soll fallen. Und verheiratete Paare sollen bei der AHV nicht länger höchstens 150 Prozent einer Vollrente erhalten ‒ sondern 200 Prozent wie unverheiratete Liierte.

Die Frist für die Sammlung der Unterschriften endet am 27. März. Für Unruhe in der Mitte sorgt eine Erschwernis, mit der niemand gerechnet hat. «Wir sind überrascht, wie viele Unterschriften sich als ungültig herausgestellt haben», sagt Ständerätin Marianne Binder.

Manche Menschen sind von den Forderungen offenbar so überzeugt, dass sie ihre Unterschriften mehrfach auf die Bögen setzen. Was natürlich nicht zählt. Andere haben nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft und fallen darum raus.

Ständerätin Binder merkt an: «Der Fokus lag stark auf den nationalen Wahlen; darum haben einige unterschätzt, welcher Einsatz für die Unterschriftensammlung geleistet werden muss.» Es sei nun ein Effort von allen in der Partei nötig.

Wie sieht es konkret aus? Mitte-Sprecher Maxime Marteil erklärt, dass bisher rund 95'000 Unterschriften zusammengetragen worden seien. «Da wir aus Erfahrung davon ausgehen, dass die Ungültigkeitsquote zwischen fünf und zehn Prozent liegt, und auch noch die Beglaubigungsfristen abgezogen werden müssen, braucht es tatsächlich nochmals einen Effort in den kommenden sechs Wochen.»

Parteipräsident Gerhard Pfister betont: Alle Kantonalparteien unternähmen zusätzlich Anstrengungen, damit die nötigen Unterschriften zusammen kämen. «Insofern bin ich zuversichtlich.» Und Marianne Binder meint: «Wir werden nicht scheitern, denn das wäre natürlich schlimm für das Anliegen.»

Schlimm wäre es aber auch für die Partei. Die Mitte schnitt gut ab in den nationalen Wahlen. Bringt sie ihre Volksinitiativen nicht an die Urnen, wäre das eine Blamage.

2016 hatte die Mitte schon einmal eine Vorlage gegen die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren präsentiert. Das Resultat war ein knappes Nein. Das Bundesgericht erklärte die Volksabstimmung dann aber für ungültig. Der Bundesrat hatte nicht korrekt darüber informiert, wie viele Paare von der Heiratsstrafe betroffen sind.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
«Mob Wife Aesthetic»: Wieso wir uns jetzt wie Mafia-Frauen anziehen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
72 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Manawydan
02.02.2024 00:28registriert Oktober 2022
Die "Heiratsstrafe"-Initiative der CVP 2016 hätte weitaus bessere Chancen gehabt, hätten die Initiant*innen ihre Homophobie für einen Moment abgelegt und darauf verzichtet, zu versuchen, mithilfe ihres Initiativtextes eine Definition der Ehe als "Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau" in die Bundesverfassung zu schmuggeln.
11012
Melden
Zum Kommentar
avatar
CogitoErgoSum
02.02.2024 07:02registriert August 2018
Als das System eingeführt wurde, war es noch strafbar zusammen zu leben ohne verheiratet zu sein. So machte es aus sozialtechnischer Sicht auch Sinn, die AHV-Obergrenze für zwei Personen in derselben Wohnung zu reduzieren. Spätestens bei der Abschaffung des Konkubinatsverbots hätte aber auch das abgeschafft werden müssen.
So werden seit Jahrzehnten verheiratete Ehepaare (max. 150% AHV) gegenüber früher als wild zusammenlebenden Paaren (200% AHV) bezeichnete benachteiligt.
444
Melden
Zum Kommentar
avatar
SBRUN
02.02.2024 06:23registriert September 2019
Für was werden eigentlich die endlosen Gleischstellungsdiskussionen geführt, wenn es am Schluss Initiativen braucht, um wesentliche Punkte der Gleischstellung auch umzusetzen? Müsste nicht die Politik das von sich aus auf den Tisch bringen?
446
Melden
Zum Kommentar
72
Nationalrats-Kommission will UNRWA teilweise weiter unterstützen – stellt aber Bedingungen

Die zuständige Nationalratskommission will die Unterstützung für das Palästinenser-Hilfswerk UNRWA teilweise beibehalten, stellt aber Bedingungen. Über die Höhe des Betrags wurde in der Kommission nicht entschieden. Der Bundesrat wird das Dossier bald diskutieren.

Zur Story