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Erstes Ja zu mehr Schutz für ausländische Opfer häuslicher Gewalt

Erstes Ja zu mehr Schutz für ausländische Opfer häuslicher Gewalt

19.12.2023, 10:13
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Ausländische Opfer von häuslicher Gewalt sollen in der Schweiz besser geschützt werden. Denn den Opfern mit Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung respektive vorläufig Aufgenommen droht heute bei einer Auflösung der Ehe der Verlust der Aufenthaltspapiere.

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Opfer von häuslicher Gewalt sollen besser geschützt werden.shutterstock

Mit 129 zu 65 Stimmen hat der Nationalrat am Dienstag Ja gesagt zu Änderungen im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG). Er will bei häuslicher Gewalt künftig die Härtefallpraxis garantieren und den Aufenthalt der Opfer in der Schweiz regeln. Als nächstes ist der Ständerat am Zug.

Die SVP wollte nicht auf die Vorlage eintreten, unterlag aber mit ihrem Antrag ebenso wie danach mit Minderheitsanträgen, mit denen sie die Voraussetzungen für die Härtefallpraxis enger fassen wollte. Denn alle anderen Fraktionen und ebenso der Bundesrat unterstützten die vorgeschlagenen Änderungen im AIG.

Verharren in Beziehung

Ausgearbeitet hatte die Vorlage die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N). Die Mehrheit stellte laut Sprecherin Samira Marti (SP/BL) fest, dass Gewaltopfer oft in ihrer Beziehung verharren, um die Aufenthaltsberechtigung nicht zu verlieren.

Es gehe um grundlegende Menschenrechte jener, die sich nicht selbst schützen könnten, sagte Andri Silberschmidt (FDP/ZH). Viele von Gewalt betroffene Frauen seien Migrantinnen, doppelte Irène Kälin (Grüne/AG) nach. Die aktuelle Rechtslage gäbe Tätern ein Machtmittel, das diese systematisch einsetzen könnten.

Gerichte schützten von Gewalt betroffene Ausländerinnen bereits heute vor Ausweisung, entgegnete Barbara Steinemann (SVP/ZH). Die Vorlage, die von Integration und Erwerbsarbeit unabhängige Aufenthaltsgenehmigungen für Gewaltopfer verlange, gehe viel zu weit und schaffe Anreiz für Missbrauch, kritisierte sie.

Der Nationalrat will mit der Vorlage auch den Begriff der häuslichen Gewalt konkretisieren und im Gesetz Hinweise und Merkmale häuslicher Gewalt beispielhaft auflisten. Umsetzen sollen die neuen Regeln die Kantone. Wie bei persönlichen Härtefällen sollen sie aber die Regel nur mit dem Einverständnis des Bundes anwenden dürfen.

Auch für Konkubinatspartner

Der Nationalrat will die neuen Regeln zudem nicht nur wie heute für Verheiratete anwenden, sondern auch für deren Kinder, für Menschen in eingetragener Partnerschaft und – unter gewissen Voraussetzungen – für Konkubinatspartner und -partnerinnen. Einen Antrag der SVP, diese aus der Vorlage zu streichen, lehnte der Rat ab.

Die SVP und der Bundesrat beantragten erfolglos die Streichung des Absatzes, der eine Ausnahme von den Integrationskriterien in Fällen vorsieht, in welchen das Aufenthaltsrecht eines Opfers häuslicher Gewalt verlängert wird.

Das verhindere Interpretationsschwierigkeiten, denn das geltende Recht enthalte bereits eine Ausnahmebestimmung in diesem Sinn, sagte Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider dazu. (saw/sda)

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