Am Samstagabend waren in Aarau an der Bahnhofstrasse gespenstische Szenen zu beobachten. Fangruppen des FC St. Gallen und des FC Aarau suchten offensichtlich die Konfrontation.
Einem Grossaufgebot von Polizeikräften gelang es, sie auseinanderzuhalten und die St. Galler zum bereitstehenden Zug zu «geleiten». Dieser fuhr schliesslich um 21 Uhr ab. Das gelang, es gab keine Verletzten.
Auch wurden laut Kantonspolizei-Sprecher Roland Pfister bis gestern keine Sachbeschädigungen gemeldet. Derzeit werden die Videoaufnahmen der Polizei ausgewertet, um Personen zu identifizieren.
Die beiden 19- und 20-jährigen Schweizer, die am Samstag festgenommen worden waren, sind wieder auf freiem Fuss. Gegen sie wird wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Hinderung einer Amtshandlung und Landfriedensbruch ermittelt.
Wie soll die Polizei in einer solchen Situation agieren, wie kann man sie verhindern? Der St. Galler SVP-Nationalrat Lukas Reimann ist Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppe Fanpolitik. Er stellt fest, dass die Repressionsschraube Jahr für Jahr angezogen werde, jetzt auch wieder mit dem verschärften Hooligan-Konkordat.
Aber, so Reimann: «Die Politik der harten Hand war kontraproduktiv und brachte auf beiden Seiten mehr Aggressivität.» Sie stelle alle Fans unter Tatverdacht: «Das widerstrebt mir.»
Für Reimann ist klar: Wer Sachbeschädigungen begeht, Beamte bedroht etc. gehört mit aller Härte bestraft. Aber viele Fans täten nichts dergleichen.
Dafür, dass die Polizei am Samstag in Aarau nicht «dreingefahren» ist, um das Vermummungsverbot durchzusetzen, hat er volles Verständnis: «Bei einer grossen Gruppe Vermummter wäre das Risiko gross, dass die Situation dann erst recht eskaliert.» Man könne auch nicht Woche für Woche so viel Polizei einsetzen, um voll durchzugreifen.
Damit es gar nicht erst zu Krawallen kommt, müsse man noch mehr aufs Gespräch setzen, Fangruppen überzeugen, sie einzubinden versuchen. Reimann sass auch schon mit mulmigem Gefühl mit Ultras an einem Tisch.
Da sah er, dass man auch mit ihnen reden kann. Er setzt auf einen permanenten Gesprächsprozess, macht aber gleichzeitig klar: «Nulltoleranz bei Vergehen, die sind knallhart zu ahnden.»
Um Szenen wie am Samstag in Aarau zu verhindern, forderte Lukas Reimanns Onkel, der Aargauer SVP-Nationalrat Maximilian Reimann, gestern Abend im «Talk Täglich» auf Tele M1 ein nationales Vermummungsverbot und saftige Bussen. Reimann: «Die Chaoten können in Anonymität vorgehen, wenn sie vermummt sind. Sie tun das, solange man sie nicht erkennt.»
Deshalb brauche es endlich ein Verbot, das man natürlich auch durchsetzen müsse. Reimann schlug vor, zusätzlich private Sicherheitskräfte einzusetzen, Chaoten allenfalls gezielt herauspicken zu lassen und diese dann der Polizei zu übergeben.
Im von az-Inlandchef Stefan Schmid geleiteten Talk verteidigte der kantonale Polizeidirektor Urs Hofmann das Vorgehen der Polizeikräfte vehement und dankte ihnen für den Einsatz.
Man habe den Match als Hochrisikospiel eingestuft und mehr Polizei aufgeboten als je zuvor bei einem Spiel. Er ärgert sich enorm über randalierende «Fans», über eine Szene, die ganz bewusst die Auseinandersetzung sucht. Die Polizei wolle keine Verletzten und keine Sachbeschädigungen. Das habe sie erreicht.
Ein Vermummungsverbot kennt der Aargau bereits. In der Praxis sei es aber nicht so einfach durchzusetzen wie in der Theorie, so der Polizeidirektor. Man wisse jeweils nicht, ob eine Situation eskaliere. Um 300 Leute zu verhaften, brauche man 600 Polizisten. Man müsste also zusätzliche Polizeikräfte aus anderen Kantonen anfordern, was aber nicht leicht sei, fänden doch viele Spiele praktisch zeitgleich statt.
Von Maximilian Reimanns Ruf nach zusätzlichen privaten Sicherheitskräften an der Front hält er gar nichts. Diese seien nicht zu Verhaftungen befugt und sie seien für solche heikle Situationen im öffentlichen Raum auch nicht so gezielt ausgebildet wie Polizisten.
Hofmann fordert, Fans schon vor dem Besteigen des Fanzugs zu kontrollieren, damit Leute mit Stadion- oder Rayonverbot gar nicht mitkommen können. Generell seien die Klubs mehr in die Verantwortung zu ziehen, fordert Hofmann. Es sei eine Sauerei, wenn Leute mit Pyrofackeln im Stadion Menschenleben gefährden.
(az Aargauer Zeitung)