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Bund entdeckt neuen Subventionsskandal – SBB-Chef muss sich erklären

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SBB-Chef Vincent Ducrot bei der Besichtigung einer Baustelle, November 2021.Bild: keystone

Bund entdeckt neuen Subventionsskandal – SBB-Chef muss sich erklären

Als der heutige SBB-Chef bei den Freiburgischen Verkehrsbetrieben Direktor war, wurden Werbeeinnahmen falsch verbucht. Strafrechtlich am heikelsten sind jedoch Unregelmässigkeiten beim Unternehmen Bus Ostschweiz.
09.12.2021, 05:1409.12.2021, 05:16
Othmar von Matt / ch media
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Zunächst entdeckte das Bundesamt für Verkehr (BAV) einen Subventionsskandal bei der Postauto (siehe unten). Dann folgten Unregelmässigkeiten bei der BLS - und 2020 wurde klar, dass auch die Luzerner Verkehrsbetriebe zu viel ÖV-Subventionen bezogen hatten. Das BAV hat nun drei weitere Fälle von Unregelmässigkeiten im Subventionsbereich aufgedeckt: bei den Freiburgischen Verkehrsbetrieben (TPF), bei der Bus Ostschweiz und bei der Standseilbahn zwischen St. Imier und Mont-Soleil.

Politisch am brisantesten ist der Fall der Freiburgischen Verkehrsbetriebe, der mindestens die letzten zehn Jahre betrifft. Dies hat damit zu tun, dass der heutige SBB-Chef Vincent Ducrot zwischen 2011 und 2020 Generaldirektor dieser Verkehrsbetriebe war.

Es geht um fünf Millionen Subventionen in zehn Jahren

Ziemlich genau für diese Zeit weist das BAV den Freiburgischen Verkehrsbetrieben Unregelmässigkeiten bei den Subventionen nach - und zwar in der Höhe von fünf Millionen Franken. Konkret sollen die Verkehrsbetriebe Werbeeinnahmen aus dem Regionalverkehr nicht im subventionsberechtigen Regionalverkehr verbucht haben, sondern in der Holding-Rechnung und in anderen Sparten. Damit kamen die Verkehrsbetriebe an höhere Subventionen von Bund und Kanton, als sie ihnen eigentlich zugestanden hätten.

Diese (falsche) Verbuchungspraxis bestand über ein Jahrzehnt lang. Weder die internen Finanzverantwortlichen noch die externen Revisionsstellen entdeckten sie. Genauso wenig wie der Kanton Freiburg. Auch das BAV stiess erst im Rahmen einer ordentlichen Revision im Februar darauf.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die TPF aber selbst schon ein externes Audit in die Wege geleitet. Kritische Fragen des Freiburger Agglomerationsverbandes hatten dazu geführt.

Die Verbuchungspraxis der Freiburgischen Verkehrsbetriebe werden als strafrechtlich nicht relevant taxiert. Man geht von Unregelmässigkeiten oder von Fehlern aus. Dennoch stellt sich die Frage, ob der heutige SBB-Chef und damalige Generaldirektor der TPF die falschen Verbuchungen hätte entdecken können.

Der heutige SBB-Chef Vincent Ducrot präsentierte 2017 als Direktor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe einen selbstfahrenden Kleinbus.
Der heutige SBB-Chef Vincent Ducrot präsentierte 2017 als Direktor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe einen selbstfahrenden Kleinbus.bild: keystone

Da Ducrot persönlich nie befragt wurde und auch nicht Teil des Verfahrens des Bundesamts für Verkehr war, ist davon auszugehen, dass er keine direkte Verantwortung trägt. Er sagt zu CH Media:

«Ich habe zur Kenntnis genommen, dass trotz zahlreicher Kontrollen während Jahren - ausgeführt von unterschiedlichen externen Revisionsstellen - erst kürzlich fehlerhafte Verbuchungen bei der TPF entdeckt worden sind»

Und weiter:

«Ich bin überzeugt, dass die TPF diesen Fall so gut wie möglich zusammen mit den Bestellern lösen werden - wie ich es auch getan hätte, wenn ich als TPF-Chef damit konfrontiert gewesen wäre.»

Die Freiburgischen Verkehrsbetriebe selbst zeigen sich reumütig. «Die TPF hat in den letzten Jahren Werbeinnahmen und Erlöse aus Versicherungen von rund 5 Millionen irrtümlicherweise in nicht abgeltungsberechtigten Sparten verbucht», sagt Pierre Jenny, verantwortlich für Kommunikation. «Bereits vor dem Abschluss der Untersuchungen des Bundesamts für Verkehr hat TPF entschieden, die bislang nicht beanstandete Buchungspraxis umgehend zu ändern und die zu hohen Abgeltungen den Bestellern schnellstmöglich zurückzuerstatten.»

Strafrechtlich relevant ist wohl der Fall «Bus Ostschweiz»

Strafrechtliche Konsequenzen dürfte aber der Fall der Bus Ostschweiz haben. Das ist ein Verkehrsunternehmen im St.Galler Rheintal, das mit den Marken Bus Sarganserland Werdenberg, RTB Rheintal Bus und WilMobil auftritt. Es beschäftigt 210 Mitarbeitende und transportiert jährlich 8.4 Millionen Fahrgäste.

Das Unternehmen soll Busse, die bereits abgeschrieben waren, an ein Tochterunternehmen verkauft haben. Dieses soll die längst amortisierten Busse zu überhöhten Preisen wieder an die Muttergesellschaft zurückvermietet haben. So habe die Bus Ostschweiz AG unzulässige Subventionen ergattert, lautet der Vorwurf.

Es geht um über fünf Millionen Franken in den letzten sieben Jahren. Hans Koller, Leiter Markt der Bus Ostschweiz, bestätigt das Verfahren. «Wir sind am Aufarbeiten», sagt er. «Wir werden aber erst am Mittwoch orientieren.»

Im Vergleich dazu ist die Standseilbahn von St. Imier (828 Meter über Meer) auf den Mont Soleil (1179 Meter), die 1903 erbaut wurde, ein kleiner Fall. Die Unregelmässigkeiten belaufen sich auf unter eine Million Franken. Das Bundesamt für Verkehr selbst will nichts sagen zu den drei Fällen. Es habe für Mittwoch eine offizielle Kommunikation vorgesehen, betont es auf Anfrage. (bzbasel.ch)

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49 Kommentare
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Töfflifahrer
09.12.2021 06:41registriert August 2015
Na ja, Privatisierung eben, das fördert die Kreativität ungemein und kostet die Steuerzahler im Endeffekt wohl trotzdem mehr.
Meiner Ansicht nach gibt es einfach Grundaufgaben die den Public Service betreffen, für die der Staat verantwortlich sein sollte und nicht an Private ausgelagert. Ob es jedoch bei dem Geküngel in der Verwaltung letztendlich günstiger kommt? Man weiss es nicht so genau.
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nichtMc
09.12.2021 08:23registriert Juli 2019
Was ist mit den externen Revisionsstellen los?

Früher waren diese der Grund für schlaflose Nächte bei den Finänzlern und des Managements.
Heute scheinen sie zahnlos zu sein.

In fast jedem Finanzskandal der letzten Jahre hat die externe Revision versagt.
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Thomas_54
09.12.2021 09:53registriert November 2015
"Falsch verbucht" in Freiburg kann (!) vielleicht nur eine Verkettung von menschlichen Fehlern gewesen sein, aber abgeschriebene Busse an das eigene Tochterunternehmen zu verkaufen und dann wieder zurückzumieten, um so mehr Subvention zu erhalten, war bestimmt eine absichtliche Handlung bei den Ostschweizern... Das ist aus meiner Sicht der grössere Skandal, obwohl es erst am Ende des Artikels steht.
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