Schütze aus Leidenschaft: CVP-Nationalrat Jakob Büchler.Bild: KEYSTONE
Serie - Lobbyisten im Bundeshaus
Die Waffenlobby ist nicht sonderlich beliebt – dank Jakob Büchler kriegt sie trotzdem, was sie will
Die Waffenlobby gehört zu den stärksten Lobbys der Schweiz. Mit engen Seilschaften in die Politik boxt sie höchst umstrittene Gesetze durch – etwa, dass Schweizer Rüstungskonzerne Schurkenstaaten wieder beliefern dürfen. Auf CVP-NR Jakob Büchler, ihren Mann in Bern, kann sich die Waffenindustrie verlassen.
«Das ist ein echter Gewinn für mehr Sicherheit in unserem Land» jubelte Simonetta Sommaruga im Schweizer Fernsehen – der Nationalrat hatte soeben mit einer hauchdünnen Mehrheit für eine Registrierungspflicht alter Schusswaffen gestimmt. Doch die Justizministerin hatte die Rechnung ohne den St.Galler CVP-Nationalrat Jakob Büchler gemacht.
Jakob Büchler gilt als gewiefter Politiker.Bild: KEYSTONE
Büchler (Profil auf Lobbywatch.ch) beantragte eine Wiederholung der Abstimmung – offiziell aus formellen Gründen. Dass etliche Bürgerliche an diesem Montag im September 2013 die Abstimmung verpasst hatten, dürfte seine wahre Motivation gewesen sein. Einen Tag später, in Anwesenheit der vollen Fraktion, wurde die Registrierungspflicht mit 99 zu 92 Stimmen abgelehnt.
«Ich kenne kaum eine Lobby, die mit härteren Bandagen und mehr Geld kämpft.»
Chantal Galladé (SP)
«Das Beispiel zeigt, wie stark die Waffenlobby hinter den Kulissen die Fäden zieht», sagte SP-Nationalrätin Chantal Galladé darauf in einem Interview mit «20 Minuten» frustriert. «Ich kenne kaum eine Lobby, die mit härteren Bandagen und mehr Geld kämpft.» Sie muss es wissen: Als Politikerin, die sich ihr ganzes Politikerleben für mehr Waffensicherheit einsetzt, gerät sie immer wieder an die mächtige Interessengruppe.
Ein Stichentscheid für die Rüstungsexporte
Die Rüstungs-Lobby hat in der Tat ein Händchen dafür, umstrittene Interessen durchzuboxen. Wenn es sein muss mit Foto-Finish: Im Frühjahr 2014 stimmte der Nationalrat dafür, Rüstungsexporte in heikle Länder wie Saudi-Arabien oder Pakistan zu erleichtern. Bei der Abstimmung gab es ein Patt von 93 gegen 93 – Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger (CVP) entschied schliesslich zugunsten der Rüstungsindustrie.
Biss sich an der Waffenlobby nicht nur einmal fast die Zähne aus: SP-Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé.Bild: KEYSTONE
Ein «Folterfreund», wie er auf Facebook bezeichnet wurde, ist Lustenberger deswegen nicht. Aber er hat sich, wie andere Parlamentarier, davon überzeugen lassen, die Interessen der Schweizer Rüstungsfirmen höher zu gewichten als die Wahrung der Menschenrechte – obwohl Kriegsmaterial deutlich weniger als ein Prozent der Schweizer Exporte ausmacht.
Die grössten Schweizer Rüstungskonzerne
Ruag: Die Ruag mit Sitz in Bern entstand 1998 aus den ehemaligen Produktionsbetrieben der Schweizer Armee. Da diese seit Ende des Kalten Kriegs immer weniger Aufträge vergibt, nimmt die Ruag weltweit neue Märkte in Angriff.
Rheinmetall Air Defence AG: Die Firma, früher als Oerlikon Contraves bekannt, liefert am meisten Rüstungsgüter ins Ausland. Mit ihren Flugabwehrsystemen ist sie auf dem Weltmarkt führend.
Pilatus: Die Pilatus-Werke in Stans stellen zivile Privatjets, aber auch militärische Leichtflugzeuge her. Diese werden zwar offiziell zu Trainingszwecken gekauft, werden jedoch immer wieder bei Kampfhandlungen eingesetzt – in den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa.
Mowag: Der Exportschlager der Kreuzlinger Mowag-Werke sind die Radschützenpanzer des Typs Piranha. Beliefert werden vor allem EU-Staaten, welche sie in NATO-Gefechten einsetzen. Kürzlich hat die Mowag einen Grossauftrag aus Dänemark an Land gezogen – und ist bis 2022 ausgelastet. (rey)
Die Befürworter der Lockerungen argumentierten mit einer Krise der Rüstungsindustrie, bei der auch Stellen gestrichen werden mussten. Dabei ging es der Industrie nicht wesentlich schlechter als in den Jahren zuvor. Zwischen der Jahrtausendwende und dem Jahr 2011 konnte die Industrie ihre Kriegsmaterial-Verkäufe ins Ausland vervierfachen. Im Jahr 2012 gingen die Exporte dann von einem Rekordhoch von 872 Millionen auf immer noch hohe 700 Millionen zurück.
Enge Seilschaften zwischen Industrie und Politik
Ins Spiel gebracht hatte die Erleichterung der Kriegsmaterial-Exporte die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SIK-S). Und zwar als Reaktion auf einen umstrittenen Entscheid vom Januar 2013: Der Bundesrat hatte damals der Berner Oberländer Firma Sphinx mit einem Veto verboten, Einzelteile für Pistolen nach Saudi-Arabien zu exportieren.
Wahnsinnig gut vernetzt: Corina Eichenberger-Walter.Bild: KEYSTONE
Wie die WOZ schreibt, brachte dieser Deal enge Seilschaften der Schweizer Sicherheitspolitik ans Licht. CVP-Ständerat Paul Niederberger (Profil auf Lobbywatch.ch) hatte dem Bundesrat zusammen mit der Aargauer FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger (Profil auf Lobbywatch.ch) einen vertraulichen Brief geschickt, der bei «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens landete: Die beiden baten den Bundesrat um eine Bewilligung des umstrittenen Saudi-Geschäfts. Wer auch noch unterzeichnete: Peter Dietrich, Direktor des Maschinenindustrieverbands Swissmem und Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands.
Nationalrätin Eichenberger und Ständerat Niederberger, der am Ende der Legislaturperiode zurücktritt, sitzen beide in den Sicherheitskommissionen ihrer Räte und teilen sich das Präsidium des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik (Asuw), wo auch Bigler und Dietrich einsitzen. In der Lobbygruppe, in der Vertreter der Rüstungsindustrie, bürgerliche Sicherheitspolitiker und Militärs zu finden sind, sitzen gemäss «SonntagsZeitung» auch rund 40 National- und Ständeräte.
Tritt dieses Jahr nicht mehr an: Paul Niederberger.Bild: KEYSTONE
Die Gruppe ist eng mit der PR-Agentur Farner Consulting verbunden, die sich seit Jahrzehnten für bürgerliche und militärische Interessen einsetzt. Wer die Telefonnummer der Asuw-Geschäftsstelle wählt, landet direkt bei der umsatzstärksten Agentur der Schweiz. Bis vor Kurzem hatte Daniel Heller von Farner Zutritt zur Wandelhalle des Bundeshauses. Den Badge hatte er von: Asuw-Co-Präsidentin Corina Eichenberger.
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Die PR-Agentur Farner Consulting ist indirekt auch im Beirat «Weiterentwicklung der Armee» vertreten, der das Verteidigungsdepartement (VBS) in wichtigen Fragen zur Zukunft der Armee berät. Wie der «Bund» 2011 berichtete, sitzen im Beirat je ein Vertreter von zwei Vereinen, die beide von Farner geführt werden. Diese Enthüllung sorgte für Aufsehen, weil Farner sich für die Beschaffung des Rafale-Kampfjets, eines Gripen-Konkurrenten, eingesetzt hat.
Im Früjahr zog Eichenberger ihre beiden Badges nach der sogenannten Kasachstan-Affäre zurück, um Reputationsschäden zu verhindern. Den anderen hatte Marie-Louise Baumann der Lobbyfirma Burson-Marsteller verliehen – sie hatte der Nationalrätin Christa Markwalder eine Interpellation untergejubelt, die vom kasachischen Regime redigiert worden war.
Wahlkampf heute: Hände schütteln war gestern, heute macht man ein Selfie
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Hände schütteln war gestern, heute macht man ein Selfie
Früher schüttelten Politikerinnen und Politiker so viele Hände wie möglich, wenn sie ein Bad in der Menge nahmen. Heute müssen sie für Selfies posieren, wie hier die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.
quelle: x90145 / fabrizio bensch
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Die beliebtesten Kommentare
Brettspiel
10.09.2015 12:42registriert Oktober 2014
"Wer Waffen säht wird Flüchtlinge ernten"
Es sind die gleichen Politiker/Parteien, welche Gesetze zum Export von Waffen lockern wollen, sich aber gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren.
Wenn ich gemein wäre, würde ich ja behaupten die CVP versteht unter heilige Dreifaltigkeit Waffen-, Bauern-, und Pharmalobby. Oh halt, ich BIN ja gemein... :)
Tja die Waffenlobby. Ich kann das mit meinem selbstverständnis als schweizer bürger einfach nicht in einklang bringen. sehr informativ zu diesem thema die seite der gsoa: kriegsmaterial.ch
«Kassensturz» hat die besten Velotracker getestet – das Fazit: Qualität kostet
Noch nie wurden in der Schweiz so viele Velodiebstähle gemeldet wie im letzten Jahr: Gemäss einer Studie der AXA Versicherung verschwanden 2023 exakt 10'262 Fahrräder, also fast 30 pro Tag. Die Schadenssumme beläuft sich dabei auf rund 21,7 Millionen Franken.
Es sind die gleichen Politiker/Parteien, welche Gesetze zum Export von Waffen lockern wollen, sich aber gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren.