Bundesanwalt Michael Lauber (53) sagte zwar immer, acht Jahre werde er maximal an der Spitze der höchsten Strafverfolgungsbehörde des Landes stehen. Aber nun will sich der als smart und manipulativ geltende Jurist für eine dritte Amtszeit wählen lassen. «Der Bundesanwalt und seine zwei Stellvertreter stellen sich der Wiederwahl», sagt auf Anfrage Nationalrat Jean-Paul Gschwind (CVP, Jura). Er ist Präsident der Gerichtskommission des Parlaments, die die Wiederwahl des Bundesanwalts vorbereitet. In der Sommer- oder der Herbstsession soll der Akt über die Bühne gehen.
So sah es jedenfalls bisher aus. Jetzt hat Lauber ein Problem, das Gianni Infantino heisst. Der Bundesanwalt traf sich wiederholt mit dem Fifa-Präsidenten. Nach derzeitigem Kenntnisstand waren es insgesamt drei Treffen in den Jahren 2016 bis 2017. Mindestens zwei der Treffen waren informeller Natur, sie wurden nicht protokolliert, sie fanden im Luxusrestaurant Schweizerhof beim Berner Bahnhof statt, einer Art Stamm-Bar des Bundesanwalts.
Die Treffen zwischen dem Bundesanwalt und dem Fifa-Boss sind brisant. Denn die Bundesanwaltschaft führte Strafverfahren im Zusammenhang mit dem europäischen Fussballverband Uefa und dem Weltfussball-Verband Fifa. Infantino war von 2009 bis 2016 Generalsekretär der Uefa. Am 26. Februar 2016 wurde er als Nachfolger von Sepp Blatter zum Präsidenten der Fifa gewählt.
Also war Infantino in beiden Fällen eine mögliche Zielperson von Untersuchungen der Bundesanwaltschaft. Einen TV-Rechte-Vertrag, den Laubers Truppe untersuchte, hatte Infantino als Uefa-General sogar selber unterzeichnet.
Um diese Treffen geht es konkret:
Diese Treffen wurden von Lauber als sogenannte «Koordinationstreffen» bezeichnet. Dass Leute wie der Walliser Staatsanwalt und Infantino-Schulfreund Arnold und BA-Infochef Marty dabei waren, schockiert erfahrene Strafverfolger. Ebenso wie die Tatsache, dass der Verfahrensleiter der Fifa-Untersuchung, Staatsanwalt Olivier Thormann, bei zwei der Treffen nicht dabei war.
Dass die Treffen überhaupt öffentlich bekannt wurde, ist den Enthüllungen von Football Leaks zu verdanken. Lauber gab an einer Pressekonferenz im letzten November zwei der Treffen zu.
Das dritte unterschlug er, auch gegenüber der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft, der AB-BA.
Und das könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden.
Die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft ist aktuell am Untersuchen, was es mit dem dritten Treffen auf sich hat. Gegenüber CH Media bestätigt deren Präsident Hanspeter Uster, was er auch der Süddeutschen Zeitung sagte: «Seit Mitte März 2019 führt die AB-BA im Zusammenhang mit einem allfälligen dritten Treffen des Bundesanwalts mit dem Präsidenten der Fifa im Juni 2017 Vorabklärungen durch, ob allfällige Gründe vorliegen, welche die Eröffnung einer Disziplinaruntersuchung gegen den Bundesanwalt rechtfertigen würden. Der Ausgang der Vorabklärungen ist offen.»
Das dritte Treffen zwischen Lauber und Infantino hatte der Sonderermittler Damian Graf ausgegraben, der im Auftrag der Walliser Staatsanwaltschaft gegen Arnold ermittelte. Das Treffen wurde nach einigen Hin und Her von der Bundesanwalt bestätigt. Graf fand beispielsweise heraus, dass Arnold von Infantino beziehungsweise der Fifa Gefälligkeiten im Gegenwert von etwa 20'000 Euro erhielt. Es ging unter anderem um Tickets zu hochklassigen Champions-League und WM-Spielen für ihn und Familie.
Die Bundesanwaltschaft sagt auf Anfrage zum ominösen dritten Treffen: «Auf Nachfrage des ausserordentlichen Staatsanwaltes des Kantons Wallis stiess die Bundesanwaltschaft auf Hinweise, welche auf ein weiteres Treffen zwischen Bundesanwalt Michael Lauber und dem FIFA-Präsidenten Gianni Infantino im Juni 2017 schliessen lassen.»
Diese Formulierung ist eigenartig und wirft weitere Fragen auf: Warum weiss die Bundesanwaltschaft nicht mit Sicherheit, welche Treffen ihr Chef absolviert und welche nicht?
Jetzt ist Lauber jedenfalls in der Bredouille. Die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft, die vom früheren Zuger Regierungsrat Uster (Grüne) präsidiert wird, hat gemäss Gesetz über die Organisation der Bundesanwaltschaft mehrere Sanktionsmöglichkeiten gegen den Lauber:
In allen Fällen muss zuvor eine Untersuchung durchgeführt werden, und damit ist die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft derzeit beschäftigt.
Die Wiederwahl von Lauber als Bundesanwalt schien bisher eine reine Formalität zu sein. Kritik an seiner Amtsführung prallte an ihm stets ab, die Politiker und die Aufsichtsbehörde nahmen ihn in Schutz. Das könnte jetzt ändern. In Deutschland etwa mokieren sich Medien zunehmend über die Bananenrepublik Schweiz, die derartige Kungeleien ihrer höchsten Strafverfolgers toleriere.
Bisher war nicht vorgesehen, die Stelle des Bundesanwalts auszuschreiben. Aber die Gerichtskommission unter dem Jurassier Gschwind wird aufmerksam verfolgen, zu welchen Schlüssen Laubers Aufsichtsbehörde kommt.