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Sonntagsnews: Die Lohnschere zwischen «Büezern» und Akademikern wächst

Die Lohnschere zwischen «Büezern» und Akademikern wächst – die Sonntagsnews

Das Erdbeben in der Türkei und Syrien beschäftigt auch die Schweiz, die Lohneschere zwischen
12.02.2023, 07:22
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Die Schweiz ist nur ungenügend auf ein grosses Erdbeben vorbereitet, der Umgang mit Ukraineflüchtlingen wird gelobt und die Bevölkerung will die Zauberformel umkrempeln: Das und mehr findet sich in den Sonntagszeitungen.

Schweiz vereinfacht Unterkunft für Erdbeben-Überlebende

Die Schweiz kommt den Überlebenden des Erdbebens in der Türkei und Syrien entgegen. Wer sein Haus oder seine Wohnung verloren hat und vorübergehend in der Schweiz bei Verwandten unterkommen will, wird prioritär behandelt. Um ein beschleunigtes Visum-Verfahren zu durchlaufen, müssen Betroffene ein Formular ausfüllen. Gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) haben das bisher 603 Personen gemacht, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Alle Anträge werden einzeln von den Schweizer Behörden geprüft. Seit Dienstag haben die 87 Fachkräfte der Schweizer Rettungskette und von Redog laut dem Aussendepartement 39 Personen geborgen – unter den Geretteten waren auch zwei Neugeborene.

Zwei Psychologen für Rettungskräfte in Türkei geflogen

Das Korps für humanitäre Hilfe hat am Freitag zwei Psychologen in die Türkei fliegen lassen. Sie sollen die Angehörigen der Schweizer Rettungskette im syrisch-türkischen Erdbebengebiet bei der psychischen Bewältigung ihres Einsatzes unterstützen, wie EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger gegenüber «SonntagsBlick» sagte. Die Massnahme wird nur bei schweren Einsätzen ergriffen. Die Schweizer Rettungskette, ein Team von mittlerweile knapp 100 Leuten, befindet sich im Stand-by-Modus. Wenn die Einsatzkoordinationsstelle in der Katastrophenregion sie aufbietet, rücken die Retterinnen und Retter mit ihren Hunden aus. Körperliche Müdigkeit macht sich breit. Dazu kommt die mentale Erschöpfung. Wenn ein Mensch während eines Bergungsversuchs stirbt, erschüttert das auch erfahrene Rettungsprofis.

Digitaler Notruf in der Schweiz kein Thema

In der Schweiz ist ein digitaler Notruf-Knopf auf dem Handy, wie er etwa in der Türkei existiert, kein Thema, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen, obwohl der Bund aktuell sein Erdbebenmanagement überarbeitet. Das erstaunt, da Experten davon ausgehen, dass bei einem schweren Beben die Notrufzentrale rasch überlastet wäre. Zwar sind Erschütterungen der Magnitude 7.8 wie in der Türkei bei uns kaum realistisch, wohl aber von Stärke 6.5. Allein in Zürich könnten bei einem Beben dieser Stärke 753 Menschen sterben und rund 76'500 Bewohner obdachlos werden, wie neue Szenarien der Stadt zeigen. Das Telefonsystem käme schnell an seine Grenzen. Markus Meile, Stabschef der städtischen Krisenorganisation, sagt dazu: «Auf die Bewältigung dieser schieren Menge gleichzeitiger Anrufe sind unsere Alarmsysteme weder personell noch technisch ausgerichtet.»

Ärzte schlagen Alarm: Schweiz wäre nicht für Erdbeben gerüstet

Nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien schlägt eine Gruppe von Ärzten in der Schweiz Alarm: «Bei Ereignissen mit mehr als 25 Schwerverletzten haben wir ein Problem», sagte Mathias Zürcher, leitender Arzt für Rettungs- und Katastrophenmedizin am Universitätsspital Basel, in der «SonntagsZeitung». Um die Verletzten zu behandeln, gebe es zwar Kapazitäten, aber nicht in allen Bereichen ausreichende. Zudem seien sie über das ganze Land verteilt. Und niemand habe eine Übersicht. Der Bund hat zwar einen Koordinierten Sanitätsdienst (KSD). Nach einem Entscheid des Bundesrats wurde dieser kürzlich jedoch umstrukturiert. Die Ärzte-Gruppe ist der Ansicht, dass der KSD schon seit einiger Zeit schlecht aufgestellt ist und zu wenig effektiv koordiniert. Der KSD sei derzeit «nicht mehr handlungsfähig», sagte Joseph Osterwalder, emeritierter Professor für Notfallmedizin, weil es unter anderem an Fachwissen, Konzepten und Personal mangle.

Hier geht es zur ausführlichen Story:

Uni-Akademiker verdienen massiv mehr als der Rest

Die Berufslehre geniesst in der Schweiz einen guten Ruf. Doch bei den Löhnen stehen die Akademiker deutlich besser da. Im Schnitt verdienen Erwerbstätige mit Uni-Abschluss 70 Prozent mehr als solche mit einer beruflichen Ausbildung. Zur Fachhochschule beträgt der Lohnvorsprung knapp 20 Prozent. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) warnte in der «NZZ am Sonntag», diese Lohnschere sei in den letzten vier Jahren weiter aufgegangen. «Angesichts der hohen Krankenkassenprämien und der Mieten reicht der Lohn mit Lehre immer weniger zum Leben.» Lange sei es selbstverständlich gewesen, dass man mit einer Lehre eine Familie haben könne, sagte SGB-Chefökonom Daniel Lampart. «Mit 5000 Franken ist das kaum mehr möglich.»

Schweizer Umgang mit Ukraine-Geflüchteten positiv bewertet

Ein knappes Jahr nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine zieht die Direktorin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) eine positive Bilanz des Schweizer Umgangs mit Geflüchteten aus der Ukraine. Die vielerorts von der SFH organisierte Unterbringung bei privaten Gastgebern habe sich bewährt, sagte Miriam Behrens gegenüber der «NZZ am Sonntag»: «Indem die Geflüchteten bei Privaten unterkommen, leben sie in der Mitte der Gesellschaft. So entstehen weniger Abwehrreflexe, als wenn man sie immer nur in Kollektivunterkünften und hinter Zäunen sieht.» Heute leben laut der SFH immer noch rund 25’000 Ukrainerinnen und Ukrainer bei Gastfamilien. Das ist mehr als ein Drittel der Geflüchteten. Behrens fordert nun, das Gastfamilienmodell auf andere Flüchtlinge auszuweiten.

Mehrheit will eine Neuaufstellung des Bundesrats

Eine Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine andere Zusammensetzung des Bundesrates. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der «NZZ am Sonntag». Demnach sprechen sich 59 Prozent der Befragten eher oder klar für eine Veränderung der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung aus. Die Zauberformel, die den drei grössten Parteien, SVP, FDP und SP zwei Sitze und der viertgrössten Partei, der Mitte, einen Sitz zugesteht, scheint unpopulär. Wenig überraschend unterstützen die Wählerinnen und Wähler von Grünen und Grünliberalen, die nicht im Bundesrat vertreten sind, am stärksten eine Veränderung (mit 91 respektive 85 Prozent). Die Datenerhebung fand zwischen dem 24. und dem 26. Januar 2023 statt. 1558 stimmberechtigte Personen aus der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz nahmen daran teil.

Sozialhilfebezüger können 142 Franken mehr bekommen – wenn sie am richtigen Ort wohnen

Gibt es Sozialhilfe-Tourismus wirklich? Forscher haben dies untersucht. Ihr Fazit: Wie viel eine Gemeinde zahlt, spielt keine Rolle – entscheidend sind günstige Wohnungen. Das zeigt eine Studie der ETH Zürich, die «SonntagsBlick» vorliegt. Demnach könnten Sozialhilfebezüger mit einem optimierten Wohnortswechsel im Schnitt pro Monat 142 Franken zusätzlich erhalten. Doch dies ist offenbar nicht die Motivation hinter den Umzügen. Denn im Schnitt erhalten die Bezüger nach einem Wohnortswechsel gerade einmal 22 Franken (Ausländer) beziehungsweise 15 Franken (Schweizer) mehr. Ein Zusammenhang scheint hingegen zwischen Sozialhilfequote und Mietpreisen einer Gemeinde zu bestehen: Tiefere Mieten führen dazu, dass sich dort mehr Sozialhilfebezüger niederlassen.

Nach Tamedia-Skandal: Mehr Journalistinnen melden Sexismusfälle

Der Gang an die Öffentlichkeit der ehemaligen Tamedia-Journalistin Anuschka Roshani hat in der Branche einen Stein ins Rollen gebracht. So haben sich bei der Gewerkschaft für Medienschaffende Syndicom in den letzten Tagen vermehrt Journalistinnen gemeldet, die Ähnliches erlebt haben. Alleine in den letzten Wochen seien es gut ein Dutzend gewesen, sagte Sprecherin Romi Hofer zu «SonntagsBlick». «Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.» Für Syndicom ist klar: In vielen Medienkonzernen herrsche ein strukturelles Sexismus- und Mobbingproblem, Vorfälle blieben oft ohne richtige Konsequenzen. Es brauche nichts weniger als einen Kulturwandel auf den Redaktionen.

SP-Politikerinnen wollen Sommarugas Prestigeprojekt vermasseln

Simonetta Sommaruga hat die Umweltverbände dazu gebracht, eine gemeinsame Erklärung zum Ausbau der Wasserkraft zu unterschreiben. Zusammen wählte man 15 Standorte für neue Stauseen aus. So wollte die Ende Jahr zurückgetretene Umweltministerin Beschwerden und Verzögerungen gegen den Ausbau der Wasserkraft verhindern. Für den Plan erntete sie viel Lob für das Prestigeprojekt. Doch jetzt wehren sich ausgerechnet Nationalrätinnen aus der SP dagegen, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Der Ausbau der Stauseen ist ein Grundpfeiler der Energiewende. Sommarugas Parteikollegin Martina Munz bekämpft die zwei wichtigsten Stauseeprojekte sowohl politisch wie gerichtlich: Sie gewichtet den Erhalt von Auenlandschaften höher als den Ausbau der Wasserkraft.

CS hortet 17.6 Milliarden russisches Geld

Offiziell sind wegen des Ukraine-Krieges in der Schweiz Vermögen in der Höhe von 7.5 Milliarden Franken gesperrt. Bei der Credit Suisse liegt aber viel mehr russisches Geld: 17.6 Milliarden. Das schreibt die «SonntagsZeitung». Davon sind offenbar nur rund vier Milliarden Franken von Personen, die auf der Sanktionsliste stehen. Bei den übrigen 13.6 Milliarden handelt es sich unter anderem um Personen, die anderswo sanktioniert sind – so etwa Viktor Vekselberg, von dem man weiss, dass er ein Konto bei der CS hat, sein Geld allerdings nicht beziehen kann. Ausserdem kann es sich um Geld der russischen Zentralbank oder des russischen Staats handeln, das zwar nicht sanktioniert, aber de facto eingefroren ist.

CO2-Kompensationen sind (teilweise) nutzlos fürs Klima

CO2-Kompensationen seien ineffizient, schreibt «Le Matin Dimanche». Die Zeitung zitiert eine Untersuchung, die vom «Guardian» und der «Zeit» sowie der gemeinnützigen Journalistenorganisation Source Material durchgeführt wurde. Letztere untersuchte die Emissionsgutschriften im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Entwaldung. Das Ergebnis: Neun von zehn Gutschriften, die von der weltweit grössten Zertifizierungsstelle Verra ausgestellt werden, haben keine positiven Auswirkungen auf das Klima. Verra zertifiziert drei Viertel der weltweiten Emissionsgutschriften. Viele Unternehmen wie Shell, Gucci oder Disney orientieren sich daran, um in ihrer Geschäftstätigkeit eine Netto-Null-Kohlenstoffbilanz zu erreichen. (sda)

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115 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sowhat
12.02.2023 09:20registriert Dezember 2014
Die Lohnschere wird uns sowas von auf die Füsse fallen. Wir lassen die Macher verhungern und bezahlen die Planer und Organisierer viel zu hoch.
Das kostet uns auf Dauer den sozialen Frieden. Es muss möglich sein von einem 100% Job zu leben.

Letztes Beispiel, was mir begegnet ist:
100% - 55 Wochenstunden - CH 3385.-
Voll legal.

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Bürgerliche wollen nur Steuergeschenke für Reich
12.02.2023 08:36registriert Mai 2015
Wenn „Büezer“ mehr und somit einen fairen Lohn wollen, müssen sie SP oder die Grünen wählen.
Aber leider glauben Arbeitnehmer, dass die SVP, FDP und GLP für Arbeitnehmer politisieren, obwohl man auf der Webseite von smartvote klar sieht, dass diese Parteien nur für Reiche politisieren.
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Rethinking
12.02.2023 08:20registriert Oktober 2018
„In vielen Medienkonzernen herrsche ein strukturelles Sexismus- und Mobbingproblem“

In vielen Unternehmen der Schweiz herrscht ein Unterdrückungs- und Mobbingproblem…

Dies geschieht aber natürlich sehr subtil…

Es gib keine Kleidervorschriften, doch wer sich „falsch“ kleidet, sollte er sich getrauen, spürt es schnell…

Es gibt Homeoffice, doch wer sich getraut es auch voll zu nutzen, spürt es…

Es gibt flexible Arbeitszeit, doch wer sich getraut es voll zu nutzen, spürt es…

Auf dem Papier sehen Firmen oft gut aus. Kulturell wird dann aber verhindert, dass dies gelebt wird…
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Prämienentlastung etc. – bei 3 Abstimmungsvorlagen zeichnet sich ein Ja ab
Drei der vier Vorlagen, über die wir im Juni abstimmen, werden nach aktuellem Stand angenommen.

Bei der Abstimmung über die Prämienentlastungsinitiative (60 Prozent) und der Kostenbremse-Initiative (54 Prozent) zeichnet sich gemäss einer Umfrage ein Ja ab. Der Energie-Mantelerlass stösst aktuell beim Souverän mit 65 Prozent auf die höchste Zustimmung.

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