Es ist ein Anlass der Superlative: die Ukraine-Friedenskonferenz, die am kommenden Wochenende auf dem Nidwaldner Bürgenstock stattfindet.
Gemäss Bundespräsidentin Viola Amherd haben bis am Montag 90 Staaten ihre Teilnahme bestätigt. Die Hälfte davon wird mit Staatspräsidentinnen und Premierministern vertreten sein. Die definitive Teilnehmerliste veröffentlicht der Bund am Freitag.
Russland wird der Friedenskonferenz fernbleiben. Bereits vor dem Versand der Einladungen habe Russland sein Desinteresse an der Veranstaltung kundgetan, so Aussenminister Ignazio Cassis. Zudem habe die Ukraine signalisiert, dass man «Russland zur Stunde Null nicht an Bord haben möchte».
Trotz der physischen Abwesenheit: Russland ist Teil der Konferenz. Bereits im Vorfeld des geopolitisch aufgeladenen Anlasses kam es zu Desinformationskampagnen. Von der russischen Regierung hiess es etwa, das Ergebnis der Konferenz liege bereits in schriftlicher Form vor.
Jürg Walpen ist Kommunikationschef bei der Firma Dreamlab Technologies, die seit über 25 Jahren Regierungsorganisationen in Sachen Cybersicherheit berät. Nebst Desinformation müsse sich die Schweiz vor allem auf eine grosse Zahl an Cyberangriffen einstellen.
Grossanlässe seien per se exponierter als andere Veranstaltungen. Zudem existierten zahlreiche Motive für Angriffe im digitalen Raum auf die Konferenz, so Walpen. Ein Ziel von Hackern: an Daten von teilnehmenden Personen oder Delegationen zu gelangen. «Eine Möglichkeit ist auch, dass Cyberkriminelle oder staatliche Akteure die offizielle Schweiz diskreditieren oder lächerlich machen möchten.»
Viel gefährlicher sei jedoch Sabotage, also Cyberangriffe auf Betriebe mit kritischer Infrastruktur, was auch die Bevölkerung zu spüren bekommen würde. Hacker könnten die Stromversorgung gefährden oder den Online-Zahlungsverkehr beeinträchtigen. «Dies ist jedoch eher unwahrscheinlich», so Walpen. «Ich denke, es geht primär darum, die Konferenz zu stören.»
Bundespräsidentin Viola Amherd hat diese Woche bestätigt, dass die Zahl der Cyberangriffe bereits deutlich zugenommen habe. Man sei aber in der Lage gewesen, diese abzuwehren.
Jürg Walpen geht mit der Einschätzung der Bundespräsidentin einig. Aber: Die Schweiz sei zwar die innovativste Volkswirtschaft der Welt, rangiere hinsichtlich Cyberabwehr aber im Mittelfeld. Er zitiert den Global Cyber Security Index, der die Resilienz einer Nation vor Cyberangriffen misst:
Walpen verortet das Problem unter anderem im Föderalismus. Jeder Kanton habe eigene Cyber-Regelungen. Oft gerieten auch kleine Gemeinden ins Visier von Cyberkriminellen.
Zwar seien die Zeichen der Zeit vom Bund erkannt worden, doch bereits im Verteidigungsdepartement von Viola Amherd werde es mit der Aufgabenteilung kompliziert. «In anderen Ländern ist dies klarer geregelt. Da wird von der höchsten bis zur tiefsten politischen Ebene eine übergeordnete Cyberagenda gefahren.» Walpen betont:
Angriffe auf digitale Infrastruktur sind ein Teil einer hybriden Strategie, die Länder gegen andere einsetzen. Hinzu kommen physische Angriffe.
Für SVP-Nationalrat und Oberleutnant Benjamin Fischer ist klar: Die Schweiz muss auf Attentate auf einzelne Teilnehmende der Konferenz vorbereitet sein – allen voran auf Ukraines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Auch mit Angriffen aus der Luft, etwa mit Drohnen oder Marschflugkörpern, müsse das Sicherheitsdispositiv rechnen.
Im Militär bewerte man, wie wahrscheinlich ein Szenario sei. Dazu gehörten Potenzial und Absicht. Ersteres schätze die Möglichkeiten des Gegners ein, «im Militärjargon spricht man von den ‹gefährlichsten gegnerischen Möglichkeiten›».
Deutlich schwieriger sei es bei der Absicht, so Fischer. Der Nachrichtendienst des Bundes liefere der Polizei und Armee zwar Hinweise, «man kann gegnerischen Parteien aber nicht in den Kopf schauen».
Das Einsatzkommando am Bürgenstock liegt bei der Kantonspolizei Nidwalden. Diese wird von Polizeikorps aus anderen Kantonen und der Armee unterstützt. Bis zu 4000 Armeeangehörige werden rund um die Konferenz im Einsatz stehen.
Auch die Frage nach der Schweizer Neutralität spielt gemäss Benjamin Fischer dieses Wochenende auf dem Bürgenstock eine Rolle. Er betont die Problematik, dass Russland die Schweiz nicht mehr als neutrales Land ansieht. «Leider hat sich der Bundesrat in der Neutralitätsfrage ungeschickt verhalten und damit unsere Position als neutraler Vermittler geschwächt.»
Wenn die Schweiz etwas zum Frieden beitragen könne, müsse sie dies jedoch tun.
Als Organisatorin der Friedenskonferenz ist die Schweiz für die Sicherheit der teilnehmenden Personen verantwortlich. Sie gehe damit ein Risiko ein, was ihre Reputation betreffe, so Fischer. Aber: