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Ukraine-Friedenskonferenz auf Bürgenstock: Gefahr durch Cyberangriffe

Ukraine-Friedenskonferenz – «Das Risiko, das die Schweiz eingeht, ist berechtigt»

Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur, Attacken auf Teilnehmende der Friedenskonferenz: Die Schweiz müsse für alles gewappnet sein, sagen ein Experte für Cybersicherheit und ein Nationalrat der SVP.
13.06.2024, 05:0013.06.2024, 09:34

Es ist ein Anlass der Superlative: die Ukraine-Friedenskonferenz, die am kommenden Wochenende auf dem Nidwaldner Bürgenstock stattfindet.

Gemäss Bundespräsidentin Viola Amherd haben bis am Montag 90 Staaten ihre Teilnahme bestätigt. Die Hälfte davon wird mit Staatspräsidentinnen und Premierministern vertreten sein. Die definitive Teilnehmerliste veröffentlicht der Bund am Freitag.

Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis, right, and Swiss Federal Councillor Viola Amherd take part in a media conference on the peace conference in Bern, Switzerland,Monday, June 10, 2024. Switzerlan ...
Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis.Bild: keystone

Russland wird der Friedenskonferenz fernbleiben. Bereits vor dem Versand der Einladungen habe Russland sein Desinteresse an der Veranstaltung kundgetan, so Aussenminister Ignazio Cassis. Zudem habe die Ukraine signalisiert, dass man «Russland zur Stunde Null nicht an Bord haben möchte».

Angriffe auf kritische Infrastruktur

Trotz der physischen Abwesenheit: Russland ist Teil der Konferenz. Bereits im Vorfeld des geopolitisch aufgeladenen Anlasses kam es zu Desinformationskampagnen. Von der russischen Regierung hiess es etwa, das Ergebnis der Konferenz liege bereits in schriftlicher Form vor.

epa11395720 Russian President Vladimir Putin delivers a speech at a plenary session of the St. Petersburg International Economic Forum (SPIEF) in St. Petersburg, Russia, 07 June 2024. The 27th St.Pete ...
Russland betreibt seit Wochen Propaganda gegen die Schweiz und die Friedenskonferenz.Bild: keystone

Jürg Walpen ist Kommunikationschef bei der Firma Dreamlab Technologies, die seit über 25 Jahren Regierungsorganisationen in Sachen Cybersicherheit berät. Nebst Desinformation müsse sich die Schweiz vor allem auf eine grosse Zahl an Cyberangriffen einstellen.

Grossanlässe seien per se exponierter als andere Veranstaltungen. Zudem existierten zahlreiche Motive für Angriffe im digitalen Raum auf die Konferenz, so Walpen. Ein Ziel von Hackern: an Daten von teilnehmenden Personen oder Delegationen zu gelangen. «Eine Möglichkeit ist auch, dass Cyberkriminelle oder staatliche Akteure die offizielle Schweiz diskreditieren oder lächerlich machen möchten.»

Viel gefährlicher sei jedoch Sabotage, also Cyberangriffe auf Betriebe mit kritischer Infrastruktur, was auch die Bevölkerung zu spüren bekommen würde. Hacker könnten die Stromversorgung gefährden oder den Online-Zahlungsverkehr beeinträchtigen. «Dies ist jedoch eher unwahrscheinlich», so Walpen. «Ich denke, es geht primär darum, die Konferenz zu stören.»

Bundespräsidentin Viola Amherd hat diese Woche bestätigt, dass die Zahl der Cyberangriffe bereits deutlich zugenommen habe. Man sei aber in der Lage gewesen, diese abzuwehren.

Schweiz hinkt hinterher

Jürg Walpen geht mit der Einschätzung der Bundespräsidentin einig. Aber: Die Schweiz sei zwar die innovativste Volkswirtschaft der Welt, rangiere hinsichtlich Cyberabwehr aber im Mittelfeld. Er zitiert den Global Cyber Security Index, der die Resilienz einer Nation vor Cyberangriffen misst:

«Die Schweiz befindet sich in diesem Ranking auf Rang 42, hinter Ländern wie Kasachstan, Tansania und Nordmazedonien. Das sollte nicht unser Anspruch sein.»

Walpen verortet das Problem unter anderem im Föderalismus. Jeder Kanton habe eigene Cyber-Regelungen. Oft gerieten auch kleine Gemeinden ins Visier von Cyberkriminellen.

«Als Laie fragt man sich dann, weshalb ein 400-Seelen-Dorf angegriffen wird. Das hat auch damit zu tun, dass jede Schweizer Gemeinde ans Netz der Bundesverwaltung angeschlossen ist.»

Zwar seien die Zeichen der Zeit vom Bund erkannt worden, doch bereits im Verteidigungsdepartement von Viola Amherd werde es mit der Aufgabenteilung kompliziert. «In anderen Ländern ist dies klarer geregelt. Da wird von der höchsten bis zur tiefsten politischen Ebene eine übergeordnete Cyberagenda gefahren.» Walpen betont:

«Es gibt kaum einen Bereich, in dem es so wichtig ist, mit einer ganzheitlichen Sicherheitsarchitektur zu agieren.»

Gefahr physischer Attacken besteht

Angriffe auf digitale Infrastruktur sind ein Teil einer hybriden Strategie, die Länder gegen andere einsetzen. Hinzu kommen physische Angriffe.

Für SVP-Nationalrat und Oberleutnant Benjamin Fischer ist klar: Die Schweiz muss auf Attentate auf einzelne Teilnehmende der Konferenz vorbereitet sein – allen voran auf Ukraines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Auch mit Angriffen aus der Luft, etwa mit Drohnen oder Marschflugkörpern, müsse das Sicherheitsdispositiv rechnen.

Im Militär bewerte man, wie wahrscheinlich ein Szenario sei. Dazu gehörten Potenzial und Absicht. Ersteres schätze die Möglichkeiten des Gegners ein, «im Militärjargon spricht man von den ‹gefährlichsten gegnerischen Möglichkeiten›».

Benjamin Fischer, SVP-ZH, spricht zur Grossen Kammer, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 1. Dezember 2022 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
SVP-Nationalrat Benjamin Fischer.Bild: keystone

Deutlich schwieriger sei es bei der Absicht, so Fischer. Der Nachrichtendienst des Bundes liefere der Polizei und Armee zwar Hinweise, «man kann gegnerischen Parteien aber nicht in den Kopf schauen».

Das Einsatzkommando am Bürgenstock liegt bei der Kantonspolizei Nidwalden. Diese wird von Polizeikorps aus anderen Kantonen und der Armee unterstützt. Bis zu 4000 Armeeangehörige werden rund um die Konferenz im Einsatz stehen.

Der Nidwaldener Polizeikommandant Stephan Grieder, anlaesslich einer Informations Veranstaltung fuer die Bevoelkerung der Gemeinde Stansstad mit den Ortschaften, Stansstad, Kehrsiten, Fuerigen und Obb ...
Stephan Grieder, Kommandant der Kantonspolizei Nidwalden, leitet den Einsatz am Bürgenstock.Bild: keystone

Auch die Frage nach der Schweizer Neutralität spielt gemäss Benjamin Fischer dieses Wochenende auf dem Bürgenstock eine Rolle. Er betont die Problematik, dass Russland die Schweiz nicht mehr als neutrales Land ansieht. «Leider hat sich der Bundesrat in der Neutralitätsfrage ungeschickt verhalten und damit unsere Position als neutraler Vermittler geschwächt.»

Wenn die Schweiz etwas zum Frieden beitragen könne, müsse sie dies jedoch tun.

Als Organisatorin der Friedenskonferenz ist die Schweiz für die Sicherheit der teilnehmenden Personen verantwortlich. Sie gehe damit ein Risiko ein, was ihre Reputation betreffe, so Fischer. Aber:

«Weil eine solche Konferenz tatsächlich zum Frieden beitragen kann, ist das Risiko berechtigt. Ich habe volles Vertrauen in Polizei und Armee.»
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1954: Audrey Hepburn, Aufenthalt auf dem Bürgenstock.
(Bild: Hans Gerber)
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Divisionär Daniel Keller zum Armee-Einsatz auf dem Bürgenstock
Video: watson
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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
13.06.2024 04:09registriert Oktober 2018
„Die Schweiz muss auf Attentate auf einzelne Teilnehmende der Konferenz vorbereitet sein“

Ja, vor allem von SVP Politiker ausgehende Attacken haben bereits begonnen…
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Haarspalter
13.06.2024 04:15registriert Oktober 2020
Putins offizielle Stellungnahme nach aussen:
😑 „Diese lächerliche Konferenz interessiert mich nicht im Geringsten.
Wir werden garantiert nicht teilnehmen.“

Putins dringliche Weisung Kreml-intern:
🤬 „Ich will über jedes noch so kleine Detail der Konferenz rund um die Uhr per Liveticker informiert werden!
Unsere besten Spione und Cyberspezialisten müssen dringend vor Ort infiltrieren!“
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dergraf
13.06.2024 03:11registriert April 2016
NR Fischer ist ein Dünnbrettbohrer, der noch nicht wirklich etwas zum Gedeihen des Staats beigetragen hat.
Was er hier äussert, entspricht der SVP, die zu Putin steht.
Dass die Schweiz punkto Cybersicherheit im Hintertreffen ist, ist auch der SVP und anderen Armeefreunden geschuldet. Statt nützlicher Ausrüstung wird lieber auf teuer und nicht den Anforderungen entsprechend gesetzt (s. Flugzeugkauf).
Dass die SVP keine brauchbare Ukraine-Politik betreibt, konnte gestern festgestellt werden, ais die zwei SVP-Schwachköpfe ihre primitive Show im Bundehaus abzogen!
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