Viele Unternehmen leiden unter dem Einkaufstourismus, kämpfen mit steigenden Produktionskosten oder erhöhen die Preise: Die Aufhebung des Mindestkurses hat ihre Spuren hinterlassen. Nicht so bei Künzli: Der Schweizer Schuhhersteller profitiert. «Der starke Franken hat uns das Leben gerettet», sagt Geschäftsführerin Barbara Artmann in ihrem Büro am Produktionsstandort in Windisch AG.
Einerseits, weil Künzli alle Rohwaren für die Schuhe, besonders die teuren Leder, aus dem Euroraum bezieht, somit weniger Kosten anfallen. Andererseits, weil der Schuhhersteller – im Gegensatz zu anderen international bekannten Schweizer Firmen – den Grossteil des Umsatzes hierzulande erzielt. Für Aufschwung sorgte zudem der Bescheid, die Modeschuhe künftig nach China, Hongkong, Macau und Taiwan vertreiben zu können. «Davon habe ich schon lange geträumt», sagt sie. Sprich, die Produktion hochzufahren und zu sehen, dass das Geschäft wieder wächst.
Barbara Artmann ist umgeben von matten, glänzenden und gefärbten Lederschuhen. Wenig hätte gefehlt und die Herbst-Winter-Kollektion der beiden Künzli-Produktlinien – die Mode- und die therapeutischen Schuhe – wären nicht auf den Regalen ausgestellt. Denn: «Wir standen mehrere Jahre am Abgrund», sagt die 54-Jährige. Ein siebenjähriger Rechtsstreit rund um die fünf berühmten Streifen gefährdete den Fortbestand des Unternehmens immer wieder.
«Der Markt hat gegen uns gewettet. Viele haben uns tot geglaubt», sagt sie rückblickend. Doch habe sie es immer gespürt, dass Künzli es schaffen würde.
Wie kam es dazu? 2004 kaufte Barbara Artmann die Künzli Swiss Schuh AG auf – im selben Jahr, als der Rechtsstreit entfachte. Statt sich auf das Geschäft zu konzentrieren, musste die Unternehmerin fortan Geld und Nerven in die Gerichtsverfahren investieren. 2012 kam es zur endgültigen Niederlage: Künzli musste nicht nur zum wiederholten Mal alle Modeschuhe aus dem wichtigsten Exportmarkt Deutschland zurückziehen, sondern sich auch vom Markenzeichen, den fünf Streifen, trennen. «Das war ein Schlag», erinnert sich die gebürtige Bayerin. Für sie gab es damals aber keinen Grund, aufzugeben. Im Gegenteil: Bereits wenige Monate später verliessen die ersten Schuhe die Manufaktur im aargauischen Windisch – neu mit fünf Klötzli.
Der neue Markenauftritt war geschafft. Aufatmen konnte Künzli aber nicht: Die Händler hatten dem Unternehmen nach dem Marktrückzug das Vertrauen entzogen, konnten sich mit den neuen Klötzli nicht identifizieren. «In der Schweiz haben wir mindestens die Hälfte der Händler verloren», so die Inhaberin. Dies, obwohl Endkunden das neue Design von Beginn an «modern und unverwechselbar» fanden. Der Umsatz brach ein. Erneut stand die Zukunft des Unternehmens, dessen Produktionswertschöpfung über 80 Prozent in der Schweiz stattfindet, auf dem Spiel.
Doch Barbara Artmann liess nicht nach. Gemeinsam mit ihren 25 Mitarbeitenden versuchte sie die Verkäufe anzukurbeln: Künzli eröffnete einen Online-Shop, baute sich eine Präsenz in den sozialen Medien auf, rüstete Schweizer Prominente wie Schwingerkönig Kilian Wenger und Komiker Marco Rima aus. Die therapeutische Schuhlinie, der wichtigste Bereich der Firma, hielt währenddessen das Geschäft über Wasser: Das Gerichtsurteil traf die Medizinalschuhe nicht, deren Umsatz erlitt kaum Einbrüche.
Heute ist Künzli auf gutem Weg. Händler und Kunden kommen zurück, der Heimmarkt im Bereich Modeschuhe wird stärker. Die im März vorgenommenen Preissenkungen in der Schweiz auf unter 300 Franken pro Paar und neue Produkte sollen für Wachstum sorgen. Welche Umsatzziele der Schuhhersteller erreichen will, sagt die Geschäftsführerin nicht. Konkrete Zahlen werden keine herausgegeben.
Etwas ist ihr dennoch zu entlocken: In den 1960er-Jahren, als Künzli mit Sportschuhen seine Blütezeit feierte, verkaufte das Aargauer Traditionsunternehmen viermal mehr Schuhe als heute. «Das schaffen wir wieder», ist Barbara Artmann überzeugt.