Für viele würde wohl ein Traum in Erfüllung gehen: Vier Tage die Woche jeweils sechs Stunden arbeiten – bei vollem Lohn. Die Forderung der Jungen Grünen nach einer 24-Stunden Woche tönt verlockend. Sie wirft allerdings viele Fragen auf. Wer soll das finanzieren? Gefährdet die Reduktion der Arbeitszeit den Wohlstand in der Schweiz? Und wollen wir überhaupt weniger arbeiten?
«Die Arbeitszeit in der Schweiz ist viel zu hoch. Sie schadet nicht nur der Gesundheit, sondern hat auch negative Auswirkungen auf die Umwelt», sagt Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz. Ihre Partei ist überzeugt, dass das ständige Wachstum der Wirtschaft gebremst und gar rückläufig werden muss. «Unsere Erde verträgt langfristig keine Wirtschaft, die immer nur wächst», so Küng. In der Folge bedeutet das, dass auch der Konsum stark zurückgehen muss: Wer weniger arbeitet, hat mehr Zeit für Umweltschutz, soziale Beziehungen und gesellschaftliches Engagement – so die Hoffnung der grünen Jungpartei.
Damit eine solche Umstellung «sozial gerecht» erfolgen könne, müssten die tiefen und mittleren Einkommen ausgeglichen werden, fordert Küng. Die Finanzierung dieser Ausgleichszahlungen funktioniere allerdings nur, «wenn wir das Geld endlich den Menschen geben, die wirklich dafür arbeiten – und nicht den grossen Konzernen und Aktionären».
Die Forderung der Jungen Grünen mag utopisch sein. Doch sie reiht sich ein in eine Folge ähnlicher Bestrebungen. Da ist zum Beispiel der Vorstoss von SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. Sie fordert gemeinsam mit 15 Mitunterzeichnenden den Bundesrat auf, «Massnahmen zu ergreifen, um die Erwerbsarbeitszeit innert 10 Jahren auf maximal 35 Stunden pro Woche zu senken». Und zwar bei vollem Lohnausgleich für tiefe und mittlere Löhne.
Funiciello begründet ihre im vergangenen Dezember eingereichte Motion damit, dass viele Arbeitnehmende unter Stress leiden würden. Eine Reduktion der Arbeitszeit ohne Lohneinbusse hätte zur Folge, dass die Menschen «gesünder und glücklicher» würden, so Funiciello mit Verweis auf ein Pilotprojekt in Island.
Der Bundesrat hält nicht viel von der Forderung der SP-Parlamentarier. In seiner Stellungnahme schreibt er, dass die Entscheidung über «geringere Arbeitszeit, höhere Löhne oder tiefere Preise» zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie Sozialpartnern auszuhandeln seien. Eine Regelung, wie sie Funiciello vorschlägt, sei daher «nicht notwendig und könnte unnötig einschränkend oder sogar kontraproduktiv sein», so der Bundesrat. Er beantragt dem Parlament deshalb, die Motion abzulehnen.
Zur Einordnung: Die sogenannte «betriebsübliche Arbeitszeit» blieb hierzulande in den letzten zwanzig Jahren ziemlich konstant. Aktuell liegt sie bei 41.7 Stunden pro Woche. Der historische Vergleich zeigt: Anpassungen bei der Wochenarbeitszeit erfolgten nie in grossen Schritten. So reduzierte etwa die Schweiz ihre Standardarbeitswoche zwischen 1950 und 1990 nach und nach von knapp 50 auf 42 Stunden. Seither kam die Bewegung hin zu mehr Freizeit zum Stillstand.
Derweil bezeichnet auch die Gewerkschaft Unia eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich als «Schritt zu einer gerechteren Gesellschaft». Allerdings sei die Bereitschaft seitens der Arbeitgeber «nicht sehr hoch». Lösungen auf Branchen- oder Firmenebene würden deshalb «eine Vorreiterrolle einnehmen». Für eine umfassende Lösung für alle Beschäftigten brauche es aber wohl den Gesetzgeber, bilanziert die Unia.
Wie sich eine Verkürzung der Arbeitszeit auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt auswirkt, zeigen diverse Studien. Eine davon stammt aus der Feder von Christoph Bader und seinem Forschungsteam. Bader forscht am Center for Development and Environment der Universität Bern – und sieht in der Reduktion der Arbeitszeit durchaus positive Aspekte: «Es ist belegt, dass das Wohlbefinden der Arbeitnehmenden steigt, die Arbeitslosigkeit tendenziell zurückgeht und gleichzeitig die Produktivität gleich bleibt oder gar zunimmt.»
Zudem könne die Umwelt profitieren – aber nur unter bestimmten Umständen: «Ob sich Menschen, die weniger arbeiten, tatsächlich ökologischer verhalten, hängt einerseits vom Einkommen ab, andererseits davon, wie sie die zusätzliche freie Zeit nutzen», so Bader. Dass sich Menschen, welche ihre Arbeitszeit reduziert haben, mehr Gedanken zu umweltfreundlichem Konsum machen, bestätigt eine der Studien der Universität Bern.
Und die Forschung zeigt auch: Personen aus den höchsten Einkommensklassen verursachen überproportional mehr CO2-Emissionen als solche mit tiefen oder mittleren Einkommen. Wird die Arbeitszeit reduziert, sollten also aus Sicht von Bader nur die Löhne von Personen mit tiefen oder mittleren Einkommen ausgeglichen werden – das fordern auch die jungen Grünen.
Anders argumentiert Reto Föllmi von der Universität St. Gallen: «Werden weniger Arbeitsstunden geleistet, sinkt die Leistung der Gesamtwirtschaft.» Der Ökonom rät davon ab, auf nationaler Ebene eine Verkürzung der Arbeitszeit für alle Beschäftigten durchzusetzen. Viel eher müsse ein solcher Entscheid auf Branchenebene gefällt werden. «Eine Branchenlösung ist flexibel und trägt den spezifischen Bedürfnissen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung», so der HSG-Professor. Ohnehin seien angesichts des akuten Fachkräftemangels die «Arbeitnehmenden derzeit in einer guten Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebenden». (aargauerzeitung.ch)
Aber genau über solche Extremforderungen lachen sich doch die Gegner nur in das Fäustchen. Das wird garantiert abgelehnt, was man dann als Beweis sieht, dass überhaupt keine Verbesserung gewünscht würde.
Manchmal ist "Salamitaktik" halt besser als "Kopf durch die Wand".
Eine Initiave für erstmal eine verbindliche 40-Stunden mag ja nur ein geringer Fortschritt sein, hätte aber wohl Chancen.
Negativ-Beispiel: die abgelehnte 6-Wochen-Ferien-Initiave. All jene die heute 4 Wochen haben hätten so sehr von einer 5-Wochen-Ferien-Initiave profitiert.
Eine redliche Antwort habe ich noch nie bekommen.