Al Pacino ist eben so ikonisch, wie er ĂŒberbewertet geschimpft wird; eben so talentiert, wie er eindimensional zu sein scheint. Al Pacino polarisiert. Und was den Herbst seiner Karriere betrifft, sind sich viele CinĂ©phile einig: HĂ€tte er doch nur aufgehört, als es am schönsten war ...
Doch ob man Pacino nun mag oder nicht â sein charismatisches Renommee kommt nicht von ungefĂ€hr. Hauptrolle in einer Adam-Sandler-Komödie («Jack and Jill», 2011) hin oder her. Werfen wir deshalb einen Blick auf kleinere, tendenziell eher versteckte Pacino-Perlen, die dies unterstreichen sollen.
Und zwar Filme, jenseits von Klassikern, wie ...
(... die man bestenfalls alle bereits mindestens einmal gesehen hat.)
Anmerkung: Die Liste ist eine subjektive Auswahl in nicht bestimmter Reihenfolge. Wo ein deutscher Trailer vorhanden ist, wurde dieser, nebst dem originalen Trailer, ebenfalls eingefĂŒgt.
Cast: Al Pacino, Robert De Niro, Val Kilmer, Jon Voight
Regie: Michael Mann
Laufzeit: 171 Min.
Plot: Neil McCauley (De Niro) ist der Kopf eines gewieften Ăberfallkommandos. Der letzte Ăberfall lĂ€uft jedoch nicht ganz wie geplant und Lieutenant Vincent Hanna (Pacino) kommt McCauley nach und nach auf die Spur. Zwei schauspielerische HochkarĂ€ter ĂŒbertreffen sich, umgeben von genialem Supporting Cast, gegenseitig in einem hochspannungsgeladenen Meisterwerk.
Darum lohnt sich der Film: Einige schreien hier bereits «Moment, das ist doch ein Klassiker!» â und das ist auch richtig so. Der Film ist einzig und allein deshalb hier aufgefĂŒhrt, weil er im Singsang rund um Thriller-Klassiker viel zu oft fehlt. Das ist beinahe unverzeihlich, denn hierbei handelt es sich um eine filmische Wucht, die an narrativer IntensitĂ€t so nicht zu ĂŒberbieten ist.
Cast: Al Pacino, Robin Williams, Hilary Swank, Maura Tierney
Regie: Christopher Nolan
Laufzeit: 114 Min.
Plot: Detective Will Dormer (Pacino) wird in den hohen Norden Alaskas gerufen, um dort einen abscheulichen Mord aufzuklĂ€ren. Gemeinsam mit der Polizistin Ellie Burr (Swank) verfolgt er die FĂ€hrte des vermeintlichen Psychopathen Walter Finch (Williams), der ĂŒble Spielchen mit Dormer treibt, der aufgrund der stĂ€ndigen Helligkeit an Schlaflosigkeit leidet. Konstant bedrĂŒckende DĂŒsterkeit am helllichten Tag und ein beĂ€ngstigender Robin Williams, der das Beste aus Pacino herauskitzelt.
Darum lohnt sich der Film: Der Film spielt zum einen mit vielen bekannten Stilmitteln des Thriller-Genres. Zum anderen aber bricht er auch gekonnt mit Klischees. So ist die wilde Szenerie in konstanter Helligkeit ein prĂ€gendes Gestaltungsmittel, das Unvorhersehbarkeit generiert. Al Pacino bekommt die Rolle als altgedienter, zynischer, jedoch auch empathischer Detective wenig ĂŒberraschend Ă€usserst gut. Er vermag es denn auch, die Rolle vielschichtiger, sorgfĂ€ltiger und dynamischer zu spielen, als man dies von diversen Ă€hnlichen Thrillern her kennt.
Cast: Al Pacino, Jerry Orbach, Susan Floyd, Ellen McElduff
Regie: Al Pacino
Laufzeit: 99 Min.
Plot: Harry (Pacino) und Jake (Orbach) sind zwei erfolglose Schriftsteller, die sich eines Abends wieder treffen und ĂŒber ihr Leben sinnieren. Von Geld und Ăsthetik gelangen sie gemĂ€chlich zu den Grundfesten ihrer Freundschaft und dem Sinn des Lebens, bis hin zur Konfrontation. Ein dialoglastiger, nuancierter Film, der es vermag, dem Zuschauer mittels narrativer Raffinesse und viel schauspielerischer SubtilitĂ€t einen Spiegel hinzuhalten, ohne dass dieser es merkt. Katharsis on steroids.
Darum lohnt sich der Film: An alle, die finden, dass Dialoge auf die BĂŒhne, aber nicht auf die Leinwand gehören: Ăberspringt diesen Punkt (das Filmskript ist eine Adaption eines BĂŒhnenstĂŒcks). Der Film ist ein wenig, als wĂŒrde man mit Pacino und Orbach am Tisch sitzen, wĂ€hrend sie ĂŒber ihr eigenes Leben reden. Sehr nah, sehr intim und zuweilen auch tragikomisch. Der Film verfĂŒgt ĂŒber die unnachahmliche Aura eines Herzensprojekts und ist ein rĂŒhrendes Denkmal fĂŒr (verlorene?) Ideale. Grosses Kino, ganz klein verpackt.
Cast (komplett): Jack Lemmon, Al Pacino, Ed Harris, Alan Arkin, Kevin Spacey, Alec Baldwin, Jonathan Pryce
Regie: James Foley
Laufzeit: 96 Min.
Plot: Ein Film ĂŒber die Mechanismen innerhalb einer Immobilienagentur: Konkurrenz, Geld, Druck. Ein bĂŒrointerner Wettkampf um den höchsten Umsatz eskaliert und die eingeschworene Macho-Business-Truppe gerĂ€t an ihre Grenzen. Schnell getaktet, leicht zynisch und unheimlich unterhaltsam.
Darum lohnt sich der Film: Zugegebenermassen ist auch dieser Film nicht gerade arm an Dialogen. Doch die dadurch entfaltete Handlung ist wesentlich dynamischer als bei «Chinese Coffee». Vermutlich auch deshalb so etwas wie ein Kritikerliebling. Der Film ist alles in allem jedoch eine Masterclass in Sachen «Schauzusammenspiel». Verschiedene Schauspieler-Generationen und -Stile treffen aufeinander, wobei jeder dem anderen genug Platz einrĂ€umt, um sich zu entfalten. Das ist wirklich ein Muss fĂŒr alle, die glauben, Al Pacino zu mögen.
Cast: Al Pacino, Greta Gerwig, Nina Arianda, Dianne Weist
Regie: Barry Levinson
Laufzeit: 112 Min.
Plot: Simon Axler (Pacino) ist ein in die Jahre gekommener BĂŒhnenschauspieler, der an AnflĂŒgen von Demenz leidet. Nach einem Aufenthalt in einer Klinik beginnt er eine Beziehung mit der markant jĂŒngeren Tochter seiner Ex-Freundin. Die Grenzen zwischen Vorstellung und RealitĂ€t verschwimmen zusehends, Simons Welt gerĂ€t gemĂ€chlich aus den Fugen. In einer Mischung aus hedonistischer Lebensfreude und kaltschnĂ€uzigem Galgenhumor zeigt Pacino, dass in WĂŒrde altern ein sehr subjektives Konzept ist.
Darum lohnt sich der Film: Dem Film ist eine kathartische Ader definitiv nicht abzusprechen und darf durchaus als Hommage von Al Pacino an das von ihm geliebte BĂŒhnentheater sowie seinen eigenen, unweigerlich untergehenden Stern gelesen werden. Menschlicher Zerfall, portrĂ€tiert mit ein wenig Shakespeare, ein bisschen Hemingway, einer Prise zweifelhafter Erotik und einem Seitenhieb gegen das eigene Ego. «Die ganze Welt ist eine BĂŒhne und alle Frauen und MĂ€nner blosse Spieler», das wusste bereits Shakespeare. Und Pacino widmet diesem weltbekannten Zitat ein filmisches GemĂ€lde.
Cast: Keanu Reeves, Al Pacino, Charlize Theron, Jeffrey Jones
Regie: Taylor Hackford
Laufzeit: 144 Min.
Plot: Der steil aufstrebende, junge Anwalt Kevin Lomax (Reeves) aus Florida erhĂ€lt ein Angebot fĂŒr einen Job bei einer angesehenen New Yorker Kanzlei. Sein neuer Boss und Mentor John Milton (Pacino) fordert viel vom Emporkömmling, der seine Frau zusehends vernachlĂ€ssigt. Der Strick dreht sich in einer fesselnden Spirale immer schneller zu und Lomax wird mit immer grundsĂ€tzlicheren Fragen konfrontiert. ErzĂ€hlkunst von wahrlich biblischem Ausmass.
Darum lohnt sich der Film: Hoffentlich ist dieser Film den meisten von euch bereits ein Begriff, denn auch der ist auf der Kippe zum Kultklassiker. Gut und Böse, Recht und Unrecht, wahr und falsch â der Film touchiert all diese grossen Spannungsfelder auf sehr unangenehme, weil explizite Weise. Pacino ist dabei in der vermeintlichen Rolle seines Lebens und brilliert in einem Finale, das in Sachen Epik seinesgleichen sucht.
Cast: Al Pacino, Brenda Vaccaro, John Goodman, Deirdre O'Connell
Regie: Barry Levinson
Laufzeit: 134 Min.
Plot: Der von HBO produzierte Fernsehfilm ist ein Biopic ĂŒber den US-amerikanischen Doktor Jack Kevorkian (Pacino), der sich in den 1990er-Jahren stark fĂŒr die Legalisierung der Sterbehilfe einsetzte. Der Film zielt darauf ab, den Mann hinter dem Medienrummel filmisch zu zeichnen. Jenen Mann, der sein Anliegen mit allen Mitteln bis an den Supreme Court zu tragen bereit war.
Darum lohnt sich der Film: Dieser Film ist wirklich das Gegenargument fĂŒr all jene, die in Pacino lediglich den abgehalfterten Cop oder den rĂŒcksichtslosen Mafioso sehen. Wer sich YouTube-Videos des «echten» Jack Kevorkian ansieht und dann den Film schaut, der wird nicht weniger als begeistert sein. Pacinos Leistung ist unendlich authentisch und ungemein catchy. Die Geschichte ist zudem ulkig, spannend und rĂŒhrend. «You Don't Know Jack» ist fĂŒr Pacino das, was fĂŒr Jack Nicholson «About Schmidt» war. Nur ohne kommerziellen Erfolg.
Cast: Al Pacino, Jack Warden, John Forsythe, Lee Strasberg
Regie: Norman Jewison
Laufzeit: 119 Min.
Plot: Der junge Anwalt Arthur Kirkland (Pacino) reibt sich immer wieder am fehlerhaften US-Justizsystem auf. Insbesondere Richter Henry T. Fleming (Forsythe) machte ihm in Vergangenheit das Leben im Gerichtssaal zusĂ€tzlich schwer. Kirkland wird jedoch gezwungen eben diesen Richter Fleming als neuesten Mandanten anzunehmen und ihn gegen den Vorwurf der Vergewaltigung zu verteidigen â ohne dass er an seine Unschuld glaubt. Hitziges Gerichtssaal-Drama mit höchstem Unterhaltungswert.
Darum lohnt sich der Film: Die MĂ€r vom US-amerikanischen Justizsystem ist alt und hat jĂŒngst anhand einiger Netflix-Dokus erneut fĂŒr Aufsehen gesorgt. Dieser Spielfilm ist sozusagen Prototyp dieser Diskussion und kann es nicht verhindern, zeitweise ungewollt komisch zu wirken â so absurd ist das alles. Wie sich ein blutjunger Al Pacino aber derart leidenschaftlich dagegen wehrt, gegen WindmĂŒhlen anstĂŒrmt und dabei nie den Schein der Aufrichtigkeit verliert, ist eine legendĂ€re tour de force, die leider in Vergessenheit geraten ist.
Cast: Al Pacino, Cameron Diaz, Dennis Quaid, James Woods, Jamie Foxx
Regie: Oliver Stone
Laufzeit: 162 Min.
Plot: An jedem verdammten Sonntag wird in den USA Football gespielt. Keiner weiss das besser als Haudegen-Coach Tony D'Amato. Seine Karriere steht auf der Kippe; Erfolge mĂŒssen her, sonst ist es aus. Das sagt zumindest Christina Pagniacci (Diaz). In diesem, fĂŒr Sportler vertrauten, Spannungsfeld zeigt der Film den Alltag hinter der kommerziellen Mega-Maschinerie des American Football. Grossartige Unterhaltung dank einem sehr originell zusammengestellten Cast. Ob Football-Fan oder nicht.
Darum lohnt sich der Film: In den USA zĂ€hlt dieser Film zu den prĂ€gendsten Sportfilmen ĂŒberhaupt. Hierzulande, aufgrund des schweren Standes, der American Football hat, nicht unbedingt. Doch es lohnt sich nichtsdestotrotz, diesen Film zu schauen. Es mag nicht tiefschĂŒrfendes Strorytelling oder stilistische Avantgarde sein. Doch es ist ein absolut stimmiger, schnell packender Film, in dem Pacino all seine StĂ€rken bĂŒndeln und ausspielen darf. Und das ist schlicht wunderschön beobachten zu dĂŒrfen.
..weil explizite Weise. Pacino ist dabei in der vermeintlichen Rolle seines Lebens und brilliert in einem Finale, das in Sachen Epik seinesgleichen sucht.
Richtig, Al Pacino legt in diesem Film eine unheimliche PrÀsenz an den Tag. Der Teufel persönlich war am Set.
P.S. Es stimmt, HEAT fehlt meistens, wenn irgendein SĂŒrmmel Filmhitlisten auflistet.
FĂŒr mich gehört HEAT auf den Olymp des Filmschaffens. Es ist der Film, den ich bereits 116 x geschaut habe.