Nicht Schweiz. Schwyz. Nicht nur die Schweiz, auch der Kanton Schwyz hat so etwas wie eine Nationalmannschaft: den EHC Seewen in der höchsten Amateurliga, der MySports League.
Tatsächlich liest sich die Mannschaftsaufstellung wie die Einteilungsliste zum Schwyzer Kantonalen: Schnüriger, Schryber, Reichmuth, Zurkirchen, Egger, Arnold, Langenegger, Gisler, Büeler, Christen, Michel, Fries, Schön. Es sind Namen, bei deren Klang wir Flachländer im Hintergrund die Rigi und die Mythen sehen.
Bei diesen ureidgenössischen Namen nicht erstaunlich: Kampfkraft, Leidenschaft aber auch Disziplin und taktisches Geschick machen Seewen, magistral gecoacht vom grossen Albert Malgin, dem Vater von Denis Malgin, zu einem der besten Amateurteams. Knapp 1000 Frauen, Männer und Kinder sind am Samstag zum Halbfinal gegen Huttwil herbeigeilt und das kleine Stadion gleich bei der Autobahnausfahrt mahnt ein wenig an die Valascia.
Die Mannschaft steckt gerade in der höchsten Amateur-Liga in den Playoff-Halbfinals gegen Hockey Huttwil. Es läuft nicht gut für die tapferen Schwyzer. Die erste Partie in Huttwil ging am Donnerstag 1:4 verloren. Die zweite auf eigenem Eis wird am Samstag gar zum Drama, das erst in der Verlängerung, in der 77. Minute entschieden wird. Seewen verliert 3:4 und ist noch eine Niederlage vom Saisonende entfernt. Nächstes Spiel: am Dienstag in Huttwil.
Mit ziemlicher Sicherheit ist die MySports League eine der besten Amateurligen der Welt. Zurzeit laufen die beiden Playoff-Halbfinals. Einen Halbfinal bestreiten die Titanen Basel und Martigny: Beide Klubs wollen nach oben in die Swiss League und haben als einzige in der MySports League die Strukturen und die Finanzen fürs Profihockey. Der Sieger wird in den Final vorrücken und definitiv in die Swiss League aufsteigen. Der Verlierer muss seine Aufstiegs-Ambitionen um ein Jahr verschieben. Die Serie zwischen Martigny und Basel steht 1:1.
Der andere Halbfinal zwischen Hockey Huttwil und dem EHC Seewen wird unter ganz anderen Vorzeichen gespielt. In einer ganz anderen Welt. Weder Huttwil noch Seewen wollen aufsteigen. Beide haben auch kein Gesuch für die Bewilligung eines Aufstieges in die Swiss League eingereicht. Bei Huttwil und Seewen arbeiten alle Spieler oder stecken in einem Studium. Also Amateurhockey und damit Hockey-Romantik im besten Sinne des Wortes. Amateurhockey auf höchstem Niveau und von höchster Qualität. Bemerkenswert auch: Die Spiele von Seewen werden live im Internet gestreamt. Mit einem Kommentator und einem Experten, die den Vergleich zu Übertragungen bei MySports nicht zu scheuen brauchen.
Dieser Halbfinal ist sozusagen der Final der Hockey-Romantiker. Der Sieger wird der Amateur-Meister der Herzen sein. Den Pokal für den Amateur-Meister bekommt zwar erst der Sieger des Finals. Aber eigentlich ist der Sieger des Halbfinals Hockey Huttwil gegen den EHC Seewen der wahre Amateurmeister.
Erstaunlich in der Schlussphase einer langen, intensiven Saison: Beide Mannschaften spielen sehr gut organisiert, diszipliniert, mit hoher Intensität und bemerkenswerter Fairness: keine Provokationen, keine Mätzchen. Wer es boshaft mag: Hockey Huttwil und Seewen sind von ihren Cheftrainern Daniel Bieri und Albert Malgin besser gecoacht als beispielsweise die SCL Tigers und die ZSC Lions. Wie gesagt: Das klingt boshaft. Aber es ist, wie es ist. Und vor allem: keine Ausreden über die Belastung, die hier während den Playoffs beim hundertprozentigen beruflichen Engagement der Spieler höher ist als oben bei den Profis in der National League.
Amateurteams wie Seewen oder auch Huttwil werden zwar von den Sportchefs auch durch Transfers verstärkt und umgebaut. Aber Geld ist kaum zu verdienen und Geld spielt bei Transfers keine Rolle.
Der Zusammenhalt dieser Mannschaften ist gross. Gelebte Hockey-Romantik. Es sind keine Interessensgemeinschaften von Jungmillionären wie ganz oben. Es sind eher Cliquen von Jungs, die sich kennen. Weil sie aus der gleichen Gegend kommen oder auch, weil sie früher auf höchster Stufe im Juniorenhockey die Stöcke kreuzten oder gar gemeinsam beim Versuch scheiterten, am ganz grossen Rad zu drehen. Und manchmal schauen jene, die es geschafft haben, bei ihren alten Freunden aus Juniorenzeiten, bei den vergessenen Helden im Amateurhockey vorbei: Ab und an sitzt etwa SCB-Verteidiger Colin Gerber in Huttwil auf der Tribüne, wenn Yannick Lerch unten auf dem Eis nach vorne stürmt. Die beiden spielten gemeinsam bei den SCB-Elitejunioren.
Geschichten werden über die Grossen geschrieben, die bis ganz nach oben gekommen sind. Aber keine über jene, die es nicht geschafft haben – obwohl sie das Talent für die grosse Karriere hätten. Aber aus verschiedensten Gründen einen Beruf im richtigen Leben ausüben und Hockey als leidenschaftliches Hobby bestreiten. Weil die meisten eine erstklassige Ausbildung bei den Junioren hatten, ist das Niveau auch in taktischer Hinsicht bei den Amateuren erstaunlich. Sowohl Seewen als auch Huttwil sind taktisch mindestens auf SCB-Niveau. Auch das ist boshaft. Aber auch das ist, wie es ist.
Gibt es auch Geschichten rund um ein Spiel in der Provinz? Ja, die gibt es reichlich. Weil ja auch transferiert wird. Allerdings sind Transfers viel schwieriger einzufädeln: Mit Geld ist kaum etwas auszurichten. Wenn es einem in seiner Clique gefällt, dann wechselt er nicht so einfach. Huttwils Trainer Daniel Bieri versucht beispielsweise schon seit drei Jahren, Seewens Topstürmer Jonas Fries zu einem Wechsel zu überreden. Aber bisher hat es nicht funktioniert.
Seewens Sportchef Mike Arnold weiss auch, warum: «Wir sind eine verschworene Gemeinschaft. So einfach geht einer bei uns nicht weg.» Nun hat Huttwils Präsident Heinz Krähenbühl eine Idee. Dieser Halbfinal könnte durchaus in Huttwil entschieden werden und dann wäre Seewens Saison in Huttwil zu Ende. «Dann zeichnen wir Fries als besten Spieler aus und bei der Preisübergabe auf dem Eis frage ich ihn, ob er jetzt zu uns kommt ...» Sagt Mike Arnold: «Nun gut, es könnte auch sein, dass einer von Huttwil zu uns wechselt.»
Sogar das grosse Welthockey ist Gesprächsthema. Gion Veraguth ist am Samstag auch nach Seewen gekommen. Der Finanzchef des Internationalen Eishockeyverbandes IIHF war einst Sportchef beim EHC Seewen. Heute gilt er als einer der Mächtigen im Welthockey, Kandidat für den Job eines IIHF-Generalsekretärs. Was in der Pause über Gott, die heimische und ausländische Hockeywelt gesprochen wird, bleibt vertraulich.
Aber eigentlich ist das beste Gerücht am Rande dieser Halbfinalpartie in Seewen ein ganz anderes. Aus einer anderen Sportart. Jemand, der sich im Sport seit Jahren auskennt – der Name tut nichts zur Sache – weiss eine Neuigkeit aus dem nationalen … Fussball. Der FC Lugano habe bereits zwei Stammspieler des FC Zürich für nächste Saison unter Vertrag genommen. Der Canepa – der FCZ-Präsident – habe noch gar keine Ahnung und werde aus allen Wolken fallen. Aber man halte die Sache noch unter Verschluss. Um beim Meisteranwärter nicht Unruhe zu stiften.
Das ist eine höchst interessante Sache. Der Chronist nimmt sich vor, in den nächsten Wochen ein wenig die Berichterstattung über das helvetische Fussball-Transfergeschäft zu verfolgen. Vielleicht ist dieses Gerücht tatsächlich wahr.
Womit dies nun auch erledigt wurde