
Sag das doch deinen Freunden!
Wenn HCD-Trainer Arno Del Curto (59) etwas auf dem Herzen hat und loswerden will, dann sind seine Auftritte von unbezahlbarem Unterhaltungswert.
«Frölundaborgs Isstadion» in Göteborg. Soeben hat der HC Davos gegen den aktuellen schwedischen Tabellenführer in einem grossen Spiel ein 1:1 (0:1, 1:0, 0:0) erreicht. Eine Partie, die gezeigt hat, wozu der HCD fähig ist. Und so wurmt den Trainer das 0:5 im Hinspiel noch viel mehr.
Arno Del Curto redet sich in Fahrt. «Schade, dass wir das Hinspiel so dumm, so blöd, so saublöd verloren haben. Ja, ich suche noch nach weiteren Worten ...» Er findet allerdings keine Worte mehr, um seinem Ärger noch mehr Aus- und Nachdruck verleihen zu können. Und schildert noch einmal eindringlich, wie dumm die einzelnen Gegentreffer bei diesem 0:5 gefallen sind.
Wie einfach sie eigentlich zu vermeiden gewesen wären. «Vielleicht waren wir vor dem Hinspiel etwas zu selbstsicher gewesen. Uns schien, Göteborg sei ein eher einfacherer Gegner als Skelleftea.» Das war, wie wir jetzt gesehen haben, nicht so.
Arno Del Curto hat schon recht, wenn er einer grossen Chance nachtrauert. Vor 30 Jahren wäre so ein Spiel wie dieses 1:1 in Göteborg ein hockeytechnisches Jahrhundertereignis gewesen. Der Schweizer Meister spielt auf Augenhöhe mit dem schwedischen Tabellenführer! Und zwar in jeder Beziehung! Das wäre im letzten Jahrhundert als sportliches Wunder gefeiert worden. Und nun heisst es höchstens: 1:1 in Göteborg – na und? Das ist ungerecht.
Gewiss, die Ausgangslage war bereits vor dem Spiel zu klar. 0:5 hatte der HCD das Hinspiel verloren. Eine echte Chance auf ein Weiterkommen gab es nicht mehr.
Aber es wäre falsch, dieses Remis deswegen kleinzureden und das Rückspiel als bedeutungslose Formsache abzutun. Die Davoser mobilisierten noch einmal alles und kompensierten fehlende Energie mit Adrenalin. Wie war das möglich? «Meine Spieler fühlen sich ungerecht behandelt. Das hat sie immer mehr aufgestachelt.»
Mit ungerechter Behandlung kann der HCD-Trainer nur die Schiedsrichter meinen. «Nein! Nein! Nein! Ich sage kein Wort über die Schiedsrichter!» Aber was heisst denn ungerecht behandelt? Von wem? «Na ja, vielleicht halt von den gegnerischen Spielern oder von den Zuschauern oder von mir oder einfach so …»
Nun, natürlich meinte er die Unparteiischen. Es war halt wieder einmal eine Partie, die gezeigt hat, dass unsere heimischen Schiedsrichter nicht so schlecht sind. Torhüter Leonardo Genoni verhinderte, dass der Gegner zwei 5-gegen-3 Überzahlsituationen ausnützen konnte. Er bot eine Weltklasseleistung.
Der HC Davos war leistungsmässig näher am Finale als es das 0:5 im Halbfinal-Hinspiel vermuten liesse. Der Meister hat im Rahmen der Champions Hockey League nur drei von zwölf Partien gegen Spitzenteams aus Tschechien, Finnland und Schweden verloren. Und dabei gegen den jeweiligen Tabellenführer aus Tschechien, Finnland und Schweden gewonnen. Der HCD gehört zu den grossen Teams Europas, zu den besten Mannschaften ausserhalb der NHL.
Wahrscheinlich könnten die Davoser die Champions Hockey League gewinnen, wenn sie im Dezember mit der Doppelbelastung Meisterschaft/Spengler Cup nicht so viel Energie investieren müssten. Aber der Spengler Cup ist die Gelddruckmaschine. Ohne Spengler Cup kein HCD.
Wer gestern als neutraler Beobachter auf der Tribune sass, ahnte nichts von dieser starken Belastung des Meisters. Der HCD spielte sein bestes Hockey. Schnell. Intensiv. Präzis. Nach ein paar Minuten war die eindeutige Ausgangslage vergessen. Was eigentlich ein lockeres Spielchen hätte sein können, entwickelte sich zu dem, was die Nordamerikaner so treffend «dogfight» nennen: eine hartumkämpfte, intensive, hochstehende Auseinandersetzung.
Hätte der HCD am letzten Samstag in Bern so gespielt, wäre der SCB mit einer 1:7-Packung in die Kabine geschickt worden. Bis zur Spielmitte hatte der HCD hier in Göteborg genug Chancen, um die Partie zu entscheiden. Im Mitteldrittel spielte der HCD ein paar Minuten lang göttliches Hockey und dominierte die zurzeit beste schwedische Mannschaft total. Aber es fehlte jene Prise «Extra-Speed», um die hochstehende Partie in dieser Phase zu entscheiden. Aber dann reagierte der Gegner und der HCD imponierte nun mit starkem Defensivspiel und Boxplay. Mit seinem 1:1 hat sich Andres Ambühl zudem in dieser Champions Hockey League an die Spitze der Torschützenliste gesetzt.
Göteborg hatte zuvor alle Heimspiele der Champions League (auch jene der letzten Saison) und der diesjährigen Meisterschaft gewonnen. Gegen den HCD gingen die Schweden erstmals in dieser Saison bei einem Heimspiel nicht als Sieger vom Eis.
Dieses 1:1 entspricht viel eher dem Leistungsniveau des besten Schweizer Klubteams als das 0:5 im Hinspiel – und dieses packende Rückspiel alleine war die Reise nach Göteborg wert. Damit bleibt als Bilanz des Europa-Abenteuers des HC Davos letztlich doch ein leicht bitterer Nachgeschmack: Es wäre, wenn alles zusammengepasst hätte, noch mehr möglich gewesen. Ja, es wäre alles möglich gewesen.
Das ist für ein Team, das bis ins Halbfinale gekommen ist, nicht so schlecht.
Staal
Top unsere Fans hier welche eine grossartige stimmung gemacht haben. Schöne Visitenkarte für unser Eishockey.
Bruno Wüthrich