
Das haut den stärksten Emmentaler aus den Schuhen: Die Tiger haben die 100-Punkte-Grenze geknackt.Bild: KEYSTONE
Der souveräne NLB-Leader
NLB-Leader mit 22 Punkten Vorsprung und ein Spiel, das unerbittlich läuft wie
Örgelimusik. Und doch sind die Langnauer nach wie vor nicht glücklich.
02.02.2015, 11:3202.02.2015, 11:59
Der grosse Pfarrer, Journalist und Dichterfürst Jeremias Gotthelf hatte doch
recht. In seinem epochalen Werk «Geld und Geist» schildert er bereits 1844
anschaulich, dass der materielle Erfolg alleine nicht glücklich macht. Dass
Gottes Wohlgefallen nur erreicht, wer mit dem richtigen Geist sein Tageswerk
verrichtet.
Und so kommt es, dass die SCL Tigers zwar sportlich und wirtschaftlich so
erfolgreich sind wie seit Menschengedenken nicht mehr. Aber glücklich
geworden sind sie nicht und auf himmelhohem Niveau werden sie von
Zweifeln geplagt. Es fehlt nicht an Ruhm und Geld. Aber es fehlt nach wie vor
der rechte Geist im Sinne Gotthelfs. Der Aufstiegs-Geist. Die wilde
Entschlossenheit.
Alles wunderbar, aber trotzdem Unruhe im Umfeld
Die Spieler, der Trainer, der Sportchef, der Geschäftsführer und die
Verwaltungsräte beteuern zwar unablässig, dass sie unbedingt in die NLA
aufsteigen wollen. Aber streben sie wirklich mit aller Kraft, mit Leib und Seele
nach der Heimkehr in die höchste Spielklasse? Der Verdacht, dass die
massgebenden Herren in der Chefetage bloss verbale Aufstiegserotiker sind,
ist nach wie vor nicht zerstreut.

Sportchef Jörg Reber.BILd: SCL Tigers
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Es gibt beträchtliche Unruhe im Umfeld, weil Sportchef Jörg Reber für die
Playoffs nicht nachgerüstet und bloss den Allerwelts-Verteidiger Julien Bonnet
und Klotens Ersatzgoalie Jonas Müller geholt hat. Das sind
Kadererweiterungen. Keine Verstärkungen. Obwohl die Transfer-Kriegskasse
eigentlich voll wäre. Auch sonst ist der neue Sportchef der Langnauer bisher
abgeblitzt. Er hat weder Wunschgoalie Urban Leimbacher noch die
Wunschstürmer Raphael Kuonen oder Daniel Steiner bekommen. Absagen,
nichts als Absagen.
100 Punkte? Na und, für die gibt's nicht mal Cumulus-Punkte
Nun ist die Frage: Will der Sportchef eine intakte Mannschaft nicht verändern
oder hat er auf dem Transferjahrmarkt versagt? Ein hochrangiger Langnauer,
der seinen Namen nicht gerne in den Medien liest, sagt es so: «Unser
Trainer ist halt sehr konservativ. Wenn nun der Jörg mit Namen von
möglichen neuen Spielern zu ihm ins Büro kommt, so reagiert er skeptisch bis
ablehnend. Wenn der Trainer einen Spieler nicht unbedingt will, dann wäre ja
der Sportchef ein Narr, wenn er sich in unnötige in Arbeit stürzt um den
Spieler trotzdem zu holen.»
Das kommt der Wahrheit wohl recht nahe. Die Leichtigkeit des Erfolges führt
dazu, dass die Langnauer keinen Grund für Veränderungen sehen. Wozu
auch? Das Stadion ist regelmässig fast voll (5055 im Schnitt) und der
Qualifikationssieg ist mit 22 Punkten Vorsprung auf Platz 2 sichergestellt.
Inzwischen haben die Langnauer exakt 100 Punkte geholt.
Aber eben: Diese 100 Punkte sind, wenn es um den Aufstieg geht, wertlos.
Sie können nicht einmal zu Cumulus-Punkten bei der Migros oder Flugmeilen
bei der Swiss gemacht werden.

Chris DiDomenico, Stürmer mit Starpotenzial.Bild: Urs Lindt/freshfocus
Ein «bsungerbar chummlige»
Es ist jetzt schon klar zu erkennen, wie das alles enden wird. Werden die
Langnauer mindestens NLB-Meister, dann werden alle die weise Zurückhaltung
des Sportchefs auf dem Transfermarkt preisen. Es wird heissen, das sei ein «bsungerbar chummlige». Einer der erkannt habe, dann man «huslig» sein und
Sorge tragen müsse zum Geld. Es bringe doch nichts, irgendwelchen Spielern,
die man anderorts nicht mehr wolle, Geld «is Füdle» zu stossen. Und man habe
schon immer gesagt der Bengt-Ake Gustafsson sei ein grosser Trainer und es
sei unverantwortlich, dass man den Vertrag nicht schon vor Weihnachten um
mindestens vier Jahre verlängert habe.
Scheitern die Langnauer, dann wird Jörg Reber hingegen ins Kreuzfeuer «unschafliger» Kritik geraten. Das sei ein fauler Hund und was der denn
überhaupt den ganzen Tag im Büro mache? Jeder habe doch gesehen, dass
der Gustafsson für Playoffs nichts tauge und schon vor Weihnachten hätte
fortgejagt werden müssen. Es sei unverständlich, dass nicht in Transfers
investiert worden sei. Ob man denn das ganze Geld «chüechlen» wolle? Jetzt
müsse man aber «userume» und «Ornig mache».
Müller: Dank Unbekümmertheit zum Erfolg?
Wie gut sind diese Langnauer? Niemand weiss es. Deshalb ist der Vertrag mit
Trainer Bengt-Ake Gustafsson noch nicht verlängert worden. Wenn er die
Mannschaft nicht mindestens in die Liga-Qualifikation führt, wird er gehen
müssen. Und was aus Torhüter Jonas Müller (30) wird, ist auch offen. Er hat
im ersten Training am Donnerstag unter Serien-Puckfeuer eine
Rippenquetschung erlitten und konnte deshalb gegen Langenthal noch nicht
wie geplant sein Debüt geben.
«Ich weiss nicht mal, von wem der Schuss kam», sagt Müller. Er
habe für nächste Saison keinen Vertrag mehr und spiele in Langnau ohne
Druck um eine Karrieren-Verlängerung. «In Kloten hat man mir gesagt, dass
man mich nicht mehr will. Nun gibt mir Langnau nochmals eine Chance.» Er
habe die Matura gemacht und mit dem Wirtschafts-Studium begonnen.
Vielleicht wird er gerade wegen seiner Unbekümmertheit am Ende doch noch
ein Goalie-Held.

Müller, noch im Dress der Kloten Flyers, kam in Langnau noch nicht zum Einsatz.Bild: KEYSTONE
DiDomenico weckt Erinnerungen an den grossen Elik
Es ist ja nicht so, dass diese SCL Tigers kein Charisma haben. Da ist einmal das
Aphrodisiakum des Erfolges, das nach 36 Siegen schon eine gewisse
Ausstrahlung hat. Der heissblütige kanadische Topskorer Chris DiDomenico
(25) hat ähnliches Starpotenzial wie einst Hockey-Rock'n'Roller Todd Elik. Erst
recht seit er dem kanadischen Tennis-Weltstar Milos Raonic die Freundin, das
Model Paula Kalini, ausgespannt hat.
Der kanadische Center mit einem Hauch
von Genie in seinem Spiel verkörpert die Tigers. Hochbegabt (auch gegen
Langenthal drei Assists) und bereits enorm populär, weckt er grösste
Erwartungen. Aber er ist eben auch launisch und niemand weiss, ob er in der
Hitze der Playoffs die Nerven behält. Eigentlich hat bis jetzt erst die Freundin
des Topskorers NLA-Charisma.
Abgerechnet wird auch im Emmental in den Playoffs
Am Sonntag war auch Langenthal kein Gegner. Dieses Spiel war typisch: Die
Langnauer setzen vier Linien ein, die Gegner wissen auf Dauer nicht, wo
wehren, sie werden überrollt von einer mächtigen Maschine deren Spiel
unerbittlich läuft unerbittlich wie Örgelimusik, wie eine Mischung aus den
meisterlichen ZSC Lions und dem ehemaligen sowjetischen Nationalteam. Die
SCL Tigers sind einmal mehr eine Nummer zu gross und siegen 6:3.
Aber eben: All diese Herrlichkeit ist mit dem Ende der Qualifikation nur noch
Geschichte.
Die Carolina Panthers sind eines der erfolglosesten American-Football-Teams der letzten Jahre. Dies liegt auch an Besitzer David Tepper, der sich gerne mal in die sportlichen Belange einmischt.
Einen Fehler zu erklären, gehört wohl nicht zu den liebsten Aktivitäten von Unternehmern. So ist das auch im Fall von David Tepper, dem Besitzer des NFL-Teams Carolina Panthers. Nach der Entlassung von Trainer Frank Reich musste der Multimilliardär – Teppers Vermögen wird von «Forbes» auf über 20 Milliarden US-Dollar geschätzt – aber genau dies tun.
Fritz von den Avengers
Bis dahin wird noch viel Wasser die Emme runterfliessen. Der Sport kann eine launische Diva sein. Seien wir gespannt wie die Schweizer Hockeykarte im April aussehen wird.