Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont verschwunden. Die Dämmerung zieht herauf und eine Amsel singt ihr Abendlied. Zur WM-Manöverkritik trifft sich der Chronist mit einem langjährigen, meisterlichen Mannschaftssport-Trainer in der Gartenbeiz. Er ist in der Sache – nicht nur, aber auch im Eishockey – zweifelsfrei kundig.
Nun ist es so, dass der Chronist über alle die Jahre gefühlte tausendmal nicht nur von Trainern, Sportchefs oder Verwaltungsräten aufgefordert, ermahnt und ermuntert worden ist, doch nicht immer so kritisch zu sein. Mehr Respekt zeigen! Das Glas mal halb voll und nicht ständig halb leer sehen! Auch mal aufmuntern und nicht alles und jedes in Grund und Boden schreiben! Positiv denken! Konstruktiv, aufbauend und nicht mit Sarkasmus oder gar Häme kritisieren! Ich erinnere mich noch an eine Textnachricht der Mutter eines Spielers. Kurz und knapp: «Klaus ist böse.»
Nun also die Manöverkritik in der Gartenbeiz. Als die feinen Tortelloni serviert werden, sagt der Trainer, der fachkundige, zur freundlichen Bedienung: «Könnten Sie dem Herrn noch die Pfeffermühle bringen?» Auf meinen Einwand, dass ich keinen Pfeffer auf die Tortelloni wünsche, sagt er: «Doch, viel Pfeffer. Du brauchst wieder Pepp.»
Bald weiss ich, worum es geht. Ich werde nun fachkundig belehrt, dass meine WM-Analyse viel zu positiv sei. Ob ich altersmilde geworden sei? Nach einer solchen Niederlage gegen Deutschland hätte ich früher den Rücktritt des Nationaltrainers gefordert. Und das wäre nicht einmal polemisch. Sondern richtig.
Der Trainer, der fachkundige, hat viel zu kritisieren: zu viele Linienumstellungen. Deshalb habe Timo Meier in der zweiten Turnierhälfte nicht mehr getroffen. Zu passive Spielweise – es könne doch nicht sein, dass das Schussverhältnis gegen eine eigentlich inferiore (= unterlegene) deutsche Mannschaft 22:41 und im Schlussdrittel gar 4:13 laute. Jonas Siegenthaler sei schon am ersten Gegentor mitschuldig gewesen, den hätte man in der Schlussminute nicht mehr aufs Eis schicken dürfen. Mit einem Time-Out hätte der Schwung der Deutschen in der Schlussphase gebremst werden können. Und so weiter und so fort. Der Trainer, der fachkundige, ist der Meinung, die WM sei aus eidgenössischer Sicht eine Enttäuschung gewesen.
Nun ja, das mag ja alles stimmen. Zufrieden dürfen wir nach einer Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland nie sein. Und es stimmt: In Riga haben wir eine grosse Chance verpasst. Es hat sich bewahrheitet: Wir waren dem WM-Titel so nah, aber eben auch so fern.
Aber es gibt eben auch eine andere Sicht der Dinge. Nur dringe ich mit meinen Argumenten nicht durch. Und etwas irritiert mich schon: der Vorwurf der Altersmilde. Den kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich habe halt noch Weltmeisterschaften in den Niederungen der B-Gruppe erlebt. Mit Niederlagen gegen Holland, Polen, Japan oder Italien, getürkten Remis gegen Rumänien, um den Absturz in die C-WM zu verhindern. Zeiten, als wir an einer WM nicht einmal gegen die Deutschen spielen durften. Weil wir bei Weitem nicht erstklassig waren. Zu Testspielen gegen die Grossen kamen wir praktisch nie und wenn doch, dann waren wir völlig chancenlos. Zeiten, als unsere Stars weiter von der NHL entfernt waren als ein Knallfrosch von einer Atombombe. Zeiten, an die sich der Trainer, der fachkundige, eigentlich auch noch erinnern kann.
Wenn wir also an der WM in Riga nun auf Augenhöhe mit den Grossen spielen, wenn wir gegen die Deutschen erst nach Penaltys verlieren, dann ist es doch eine gute WM. Nur 43 Sekunden fehlten. Keine andere Hockeynation holt aus einem so begrenzten Potenzial so viel heraus. Kritik am Gesamtauftritt der Schweizer ist nach der WM 2021 Kritik auf sehr hohem Niveau. Wir sollten nicht vergessen, woher wir gekommen und welch weiten Weg wir aus den Niederungen des internationalen Eishockeys ganz nach oben gegangen sind. Und wo waren die Schweden, die uns 2013 und 2018 im Final durch Penaltys besiegt haben? Nicht im Viertelfinal und schon daheim, als wir in Riga gegen die Deutschen antraten.
Aber ich habe als Lehre aus der WM in Riga einen guten Vorsatz für die nächste Saison gefasst: künftig so über den SCB zu berichten, dass mein Gesprächspartner – der Trainer, der fachkundige – die Pfeffermühle bei der nächsten Manöverkritik nicht mehr anfordert.
Ich verstehe es nicht warum man Meier/Hischier getrennt hat, dass hat funktioniert, warum ändert Mann etwas das Funktioniert? Und das man nach jedem Sieg die Linien umstellt werde ich nie verstehen. An Arroganz nicht zu übertreffen.