Eigentlich würde Tim Berni (23) gut zur SCB-Abwehr passen: Erst 23, Linkshänder, guter, entwicklungsfähiger, konstruktiver Zweiwegverteidiger und damit eine hockeytechnisch gute Ergänzung zu den mehr offensiv orientierten Rechtshändern Romain Loeffel und Ramon Untersander, die beide bereits 32 sind. Aber Sportchef Andrew Ebbett sagt unmissverständlich: «Wir werden Tim Berni nicht unter Vertrag nehmen.» Für diese Entscheidung gebe es verschiedene Gründe. Grundsätzlich sei man mit den zur Verfügung stehenden Verteidigern zufrieden.
Die ZSC Lions möchten Tim Berni wieder unter Vertrag nehmen. Er ist von den Zürchern ausgebildet worden und verteidigte vor seinem Wechsel nach Nordamerika im Sommer 2021 für die ZSC Lions. Am Geld wird die Rückkehr nicht scheitern.
Aber für Tim Berni geht es (noch) nicht um die maximale Kapitalisierung seines Talentes. Sondern um die sportliche Weiterentwicklung mit möglichst viel Spielpraxis auf gutem Niveau. Er hat das Potenzial, um in der National League in den ersten zwei Blöcken zu verteidigen. Aber bei den ZSC Lions ist die Konkurrenz mit Miko Lehtonen, Dean Kukan, Patrick Geering, Christian Marti, Yannick Weber und Dario Trutmann gross. Sie alle haben diese Saison bisher mehr als 15 Minuten Eiszeit pro Partie bekommen. So gesehen haben die ZSC Lions eigentlich keinen Platz für einen weiteren hochkarätigen Verteidiger.
Ein Unsicherheitsfaktor bleibt: Der NHL-Traum kann für Tim Berni immer noch Wirklichkeit werden. Zwar ist es ihm soeben nicht gelungen, sich in ein NHL-Team zu spielen. Aber wenn er sich in der National League gut entwickelt, dann kann er durchaus auf eine neue Chance hoffen. Unsere National League hat inzwischen in Nordamerika sportlich eine Akzeptanz, die den höchsten Ligen in Finnland und Schweden nahekommt. Die National League hat sich zu einer der besten Ligen ausserhalb Nordamerikas entwickelt, wird dadurch aber auch in einem gewissen Sinne eine Ausbildungsliga, in der sich die NHL nach Bedarf «bedient». Tim Berni ist 2018 im NHL-Draft von Columbus berücksichtigt worden (Nr. 159). Das bedeutet, dass ihn die Scouts als geeignet für die NHL eingeschätzt haben. Er bleibt also ein NHL-Kandidat.
Das Transferabkommen mit der NHL erlaubt jedem Spieler in der National League, nach der Saison unter Einhaltung der entsprechenden Frist (15. Juli / 15. August für frisch gedraftete Spieler) aus einem laufenden Vertrag in die NHL zu wechseln. Er braucht nicht einmal eine Ausstiegsklausel. Wenn ein Sportchef jetzt auf Tim Berni setzt, so riskiert er im nächsten Juli, mit leeren Händen dazustehen.
Dieses latente Risiko eines Transfers in die NHL gibt es inzwischen bei jeder Vertragsverlängerung: Die SCL Tigers müssen beispielsweise damit rechnen, dass Vili Saarijärvi oder Aleksi Saarela trotz der soeben vorzeitig verlängerten Verträge nächste Saison nicht zur Verfügung stehen. Ambris Sportchef Paolo Duca hat zwar im Sommer 2022 mit André Heim bis 2025 verlängert. Aber der Nationalstürmer versucht sein Glück nun in Nordamerika in der Organisation von St.Louis. Und Torhüter Ludovic Waeber hat trotz Vertrag bis 2025 mit den ZSC Lions – unterschrieben im Herbst 2021 – zu Florida gewechselt.
Das seit April 2020 gültige Transferabkommen mit der NHL garantiert zwar den NL-Klubs bei einem Wechsel eine Transferentschädigung von rund 250'000 Franken. Aber das ist beim Verlust eines Schlüsselspielers ein schwacher Trost. Vor allem dann, wenn es sich um einen Schweizer handelt, der auf dem heimischen Markt nicht ersetzt werden kann. Der Verlust eines Ausländers kann hingegen durch einen Ausländer kompensiert werden. Aber oft ist es selbst auf dem «Weltmarkt» nicht möglich, einen gleichwertigen Ersatz zu finden.
SCB-Sportchef Andrew Ebbett hat also gute Gründe für den Verzicht auf Tim Berni.