Wieder verloren: Luganos Spieler nach der zweiten Niederlage gegen Servette.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg
Kaum haben die Playoffs begonnen, stehen zwei
Behauptungen im Raum. Nur Siege und Weiterkommen können in Lugano und Bern diese boshaften Analysen entkräften: Lugano ist zu weich und
der SCB-Trainer ein taktischer Feigling.
05.03.2015, 10:0505.03.2015, 11:45
Biels Sportchef Martin Steinegger ist
wahrscheinlich der meistunterschätzte
Sportmanager im Land. Er hält sich klug zurück,
macht mit viel Sachkompetenz seine Arbeit im
Hintergrund und hält seinem charismatischen
Trainer Kevin Schläpfer den Rücken frei.
Nun hat sich Martin Steinegger im Rahmen der TV-Sendung «The Hockey Week» zu
einer kernigen Behauptung provozieren lassen:
Lugano sei für die Playoffs nicht hart genug. Er
hätte die Aussage hinterher gerne
zurückgenommen. Wohl wissend, dass er einen
wunden Punkt getroffen hat.
Biels Sportchef Martin Steinegger kritisiert den HC Lugano.Bild: KEYSTONE
Luganos Qualifikations-Traumtänzer zu weich bzw.
zu wenig hart für die Playoffs? Vieles spricht dafür,
dass Martin Steinegger recht hat. Die Tessiner
liegen gegen Servette 0:2 zurück. Zum zweiten Mal
hintereinander droht dem Zauberlehrling Patrick
Fischer gegen den schlauen Bandengeneral Chris
McSorley der Untergang. Seit 2006 hat Lugano nie
mehr eine Playoff-Serie gewonnen.
Ausscheiden hätte für Fischer keine Konsequenzen
Nur mit vier Siegen und einem Vorrücken ins
Halbfinale wird Lugano den Schwefelgeruch der
Weichheit aus den Ausrüstungen bringen. Einfach
wird es nicht. Damien Brunner ist durch einen
Check von NHL-Zweitrundendraft Noah Rod bis ins
Mark erschüttert worden. Selbst wenn sich die
Diagnose Gehirnerschütterung nicht bestätigt – er
wird vorerst nicht mehr sein bestes Hockey
spielen.
Konsequenzen würde ein Ausscheiden gegen
Servette für den Trainer allerdings keine haben.
Patrick Fischer bleibt in jedem Fall der
charismatische Hoffnungsträger der teuersten
Versagermannschaft ausserhalb der NHL und somit
im Amt. Die Medien werden im Tessin im Falle
eines Falles dem enttäuschten Volke schon eine
schöne Verschwörungstheorie der Verbands- und
Liga-Mafia gegen Lugano auftischen.
Kann Patrick Fischer den HC Lugano doch noch zum ersten Gewinn einer Playoff-Serie seit neun Jahren coachen?Bild: Michela Locatelli/freshfocus
Der SC Bern spielt ultradefensiv, destruktiv und passiv
Die zweite Behauptung: Berns Trainer Guy Boucher
ist ein taktischer Feigling. Das Weiterkommen ist
für den SC Bern gegen Lausanne zwar nach wie
vor möglich und auch wahrscheinlich. Denn die
Berner sind nach menschlichem Ermessen physisch
einfach zu stark und zu talentiert.
Und doch verärgert der ehemalige kanadische
NHL-General mit einer ultradefensiven,
ultradestruktiven und zeitweise zu passiven
Spielweise selbst die neutralen Beobachter.
Schlimmer noch: Er und damit der grosse,
mächtige SCB lassen sich von Lausannes Trainer
Heinz Ehlers die taktische Marschroute aufzwingen
– was in letzter Konsequenz bedeutet, dass
Lausanne den besseren Trainer hat.
Das Hockey, das Guy Boucher spielen lässt, ist nur
durch Sieg und Titel zu rechtfertigen. Der Erfolg
heiligt alle taktischen Mittel und unser Rücken ist
noch geschmeidig genug, um uns im Falle eines
Titelgewinnes tief vor Guy Boucher zu verbeugen.
SCB-Coach Guy Bouchers Motto: Der Zweck heiligt die Mittel.Bild: KEYSTONE
Huras musste gehen, weil sein Hockey unattraktiv war
Wir wollen auch um der historischen Wahrheit
willen fair sein: der SCB hatte im 21. Jahrhundert
noch nie eine spielerisch brillante, mit dem Grande
Lugano von 2006 vergleichbare Spektakel-Meistermannschaft. Die SCB-Meisterteams von
2004, 2010 und 2013 sind defensiv orientierte
Rumpel-Ensembles.
Aber ein Eishockey wie zum Auftakt der
diesjährigen Playoffs gegen Lausanne ist den SCB-
Kunden noch nie zugemutet worden. Wir können
es polemisch so sagen: wenn der SCB mit dieser
Mannschaft nicht mindestens ins Finale kommt,
dann wäre Guy Boucher eigentlich nicht mehr
tragbar. Er sollte von SCB-General Marc Lüthi nach
dem letzten Spiel noch im Kabinenvorraum
standrechtlich entlassen werden. Ein Schicksal, das
ja schon den SCB-Meistermachern Larry Huras und
Antti Törmänen widerfahren ist.
Larry Huras ist sogar ausdrücklich wegen zu wenig
attraktiver Spielweise gefeuert worden. Beim SCB
gilt mehr als bei jedem anderen Hockey-
Unternehmen im Lande: It's all about
Entertainment – stupid!
Klaus Zaugg (links) im Gespräch mit Marc Lüthi.Bild: Daniela Frutiger/freshfocus
SCB-Lüthi: «Ich bin richtig stinkig»
Der Unmut über das ungeniessbare SCB-Hockey ist
inzwischen auch in der Chefetage ein Thema – und
das erhöht den Unterhaltungswert. SCB-General
Marc Lüthi wendet sich auf der SCB-Website in regelmässigen Abständen an
seine Gemeinde. Am Tag nach dem schmählichen
1:2 in Lausanne lesen wir in seinem zornigen
Hirtenbrief wortwörtlich:
«Es ist Mittwoch, 9.45 Uhr und ich bin immer noch
stinkig. Richtig stinkig, weil wir gestern verloren
haben – und weil wir einfach schlechter waren als
Lausanne. Ich hasse es zu verlieren und noch
mehr hasse ich es so zu verlieren. Nicht weil ich
denke, dass Lausanne einfach zu schlagen ist,
nein ganz und gar nicht. Aber die Waadtländer
sind auch keine Übermannschaft.«
Marc Lüthi war schon weniger stinkig und hat den
Trainer trotzdem gefeuert. Allerdings rechne ich
selbst im Falle eines Scheiterns gegen Lausanne
nicht mit der Entlassung von Guy Boucher. Er
würde von Marc Lüthi bloss zur Entlassung
verurteilt und dann auf Bewährung weiter
beschäftigt. Und ich würde mir vor Freude über
grandiose Unterhaltung im Herbst 2015 schon die
Hände reiben.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Der FC Basel kassiert zum Abschluss des Jahres eine überraschende Heimniederlage. Er unterliegt den zuvor neun Spielen in Folge sieglosen Grasshoppers mit 0:1.
Die Weihnachtspause kommt für den FCB zum richtigen Zeitpunkt. Nach den fast perfekten Wochen im November und dem zwischenzeitlichen Sprung an die Spitze der Super League hat er etwas seinen Elan verloren. Aus den letzten drei Partien in der Meisterschaft gab es nur noch zwei Punkte. Gegen GC blieb das Team von Fabio Celestini zum ersten Mal seit Ende September ohne Treffer.