Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Eine ähnliche Ausgangslage hatten wir in Russland schon einmal. Bei der WM 2000 in St.Petersburg startete die Schweiz mit einem 3:3 gegen die USA und verlor anschliessend gegen den Abstiegskandidaten Frankreich schmählich 2:4. Das Ende aller Hoffnungen. Die Gefahr eines Abstieges zog heraus.
Der Modus war damals noch anders. Wir mussten nun die Russen besiegen, um das Viertelfinale zu erreichen. Und das schien ganz einfach unmöglich. Die Viertelfinals zu erreichen war viel schwieriger als jetzt nach einem Start mit zwei Niederlagen.
Aber wir schafften es. Mehr als das: Der Sieg über Russland (3:2) war die Geburtsstunde des «Mythos Ralph Krueger». Der Nationaltrainer weckte die Zuversicht mit einer SMS-Botschaft an seine Jungs – das war damals, zu Beginn des Jahrhunderts, noch revolutionär.
Der grosse Unterschied zu 2000: Es ist jetzt ein bisschen einfacher, die Viertelfinals zu schaffen. Aber wir haben keinen Ralph Krueger. Unsere Nationalmannschaft wird von Patrick Fischer geführt. Auch ein charismatischer Kommunikator und Sympathieträger. Vielleicht kein ganz so grosser Bandengeneral. Aber wie Ralph Krueger ein grosser Motivator, den alle mögen. Das zeigte sich ja auch daran, wie er in der zweiten Pause, nach dem miserabelsten Drittel an dieser WM, die Mannschaft noch einmal aufzurütteln und zu einer grossen kämpferischen Reaktion aufzustacheln vermochte, die mit dem Ausgleich zehn Sekunden vor Schluss belohnt worden ist.
Dieser Ausgleich zum 3:3 hätte die Initialzündung zu einer grossen WM sein können – aber in der Verlängerung verlor die Schweiz 3:4. Eine bittere, eine unverdiente Niederlage. Das Zittern um den Klassenerhalt beginnt.
Die Schweizer haben «Pausenplatz-Hockey» in der ursprünglichsten und besten Form gespielt. Leidenschaftlich und wild. Und die Jungs haben nie aufgegeben, kämpften bis zur letzten Sekunde. Gaben alles. Gewiss, sie spielten vor allem im zweiten Drittel auch plan- und hilflos – so wie eben Jungs auf dem Pausenplatz spielen.
Wir haben eine der talentiertesten WM-Mannschaften der Neuzeit. Nach dieser begeisternden Aufholjagd können wir einmal mehr hoffen, dass alles möglich ist. Die Schweizer sind so gut, dass sie nach wie vor in jedem der restlichen fünf Spiele eine Siegchance haben. Aber sie sind so verletzlich, dass ihnen auch in jedem dieser fünf Spiele eine Niederlage droht – und damit der Abstieg. Leidenschaftlich verletzlich eben.
Und da ist noch etwas: Wir haben 2016 keinen grossen Goalie. Alle erfolgreichen WM-Teams hatten grosse Goalies. Von David Aebischer (1998) über Reto Pavoni (2000) über Martin Gerber, Jonas Hiller, Reto Berra (2013!) bis zu Leonardo Genoni (2015).
Aber jetzt haben wir nur gewöhnliche Torhüter. Reto Berras Jahrzehntlapsus zum 1:1 hat uns gegen Kasachstan um den Sieg gebracht. Gegen Norwegen war Robert Mayer ein sehr guter Goalie. Aber eben kein ganz grosser Goalie. Was ist der Unterschied zwischen einem sehr guten und einem ganz grossen Torhüter? Wenn wir sagen können, dass wir nicht wegen des Torhüters verloren haben – so wie jetzt beim 3:4 n.V. gegen Norwegen – dann war es ein sehr guter Torhüter. Ein ganz grosser Torhüter wäre es, wenn wir sagen könnten, dass wir wegen des Torhüters gewonnen haben.
Hätte der Goalie den Sieg gegen Norwegen heraushexen können? Ja. Ein ganz grosser Goalie hätte das 1:3 verhindert. Aber eben: Nur ein ganz grosser Goalie.
Nationaltrainer Patrick Fischer hat ein Flair für historische Jahrzahlen: 1291 ist sein offizielles WM-Motto. Nach den Niederlagen gegen Kasachstan und gegen Norwegen wäre 1515 (Marignano) passender.
Nun geht es erst einmal darum, den Ligaerhalt zu sichern. Sonst wird aus 1291, dem Gründungsjahr der Eidgenossenschaft, auf einmal 1798. Das Jahr in dem die alte Eidgenossenschaft untergegangen ist.
Gewöhnt euch wieder lieber an die Hockeyrealität, dass die Schweiz viel näher an Ländern wie Kasachstan, Norwegen, Dänemark, Lettland etc. ist, als an den Topnationen. Das Silberwunder von Moskau war genau das: ein Wunder. Eine Situation, in der alles zusammenpasste. Ein einmaliger Effort. Zu glauben, dass die Schweiz nun alle "kleineren" dominieren müsse, sie immer locker schlagen könne, ist schlicht naiv.