In der Formel 1 ist Ruhe ein Fremdwort – selbst dann, wenn die Motoren still stehen. Die wichtigste Klasse des Autorennsports hält sich mit hausgemachten Irrungen und Wirrungen und fragwürdigen Entscheiden im wirtschaftlichen und sportlichen Bereich permanent in den Schlagzeilen. Einen Rechtsstreit wie den zwischen dem Team Sauber und dem Holländer Giedo van der Garde hätte es mit Sicherheit nicht gebraucht, um den Meldefluss rund um den «Kosmos Formel 1» am Laufen zu halten.
Dieses juristische Gezänke ist indessen auch Sinnbild für den Zustand dieses Sports. Die Missgunst und der Egoismus der einzelnen Parteien enden nicht an der Rennstrecke. Im Zentrum der Diskussionen steht meist das liebe Geld – zumindest in den Zeiten zwischen den GP-Wochenenden oder in der Phase zwischen zwei Saisons.
Die vielen Fragen und die fehlenden Antworten rund um den finanziellen Aspekt, die stets neuen Beteuerungen und wenig bis nichts fruchtenden Anregungen der Macher mit dem vom Rechteinhaber CVC Capital Partners als Geschäftsführer installierten Bernie Ecclestone an der Spitze wird die Formel 1 auch während der bevorstehenden Weltmeisterschaft begleiten. Allein der Ruf der kleineren Teams wie Sauber nach mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Einnahmen von umgerechnet über 800 Millionen wird dafür sorgen, dass sich die Plattform der Formel 1 nicht nur aufs «Fahren im Kreis» beschränken wird.
Solange aber Ecclestone und sein Gefolge Gleichgesinnter primär Eigeninteressen vertreten, bleiben angedachte Veränderungen in diesem Sport eine Utopie. Solange Warnsignale in Form von konkursiten und finanziell am Abgrund stehenden Rennställen oder von Veranstaltern wie jenen am Nürburgring, die den monetären Aufwand nicht mehr zu stemmen vermögen, in den Wind geschlagen werden und hämische, von unausstehlicher Arroganz geprägte Kommentare die einzige Reaktion auf solche Missstände sind, werden Verbesserungen auf sich warten lassen.
Und das Sportliche? Selbst im Kerngebiet hapert es mit der für einen spannenden Wettkampf unabdingbaren Ausgeglichenheit. Mit Blick auf die am Wochenende in Australien beginnende Saison steht zu befürchten, dass sich die Kräfteverhältnisse im Vergleich zum Vorjahr – wenn überhaupt – nur geringfügig verschoben haben. Erwartet wird, dass Mercedes erneut in aller Deutlichkeit den Ton angeben wird und die Equipe mit dem Stern abermals praktisch ungestört nach den Sternen greifen kann.
Insider wollen nach den bei den Testfahrten in Spanien gewonnenen Eindrücken wissen, dass die neuen Rennautos der Nobelmarke für Rundenzeiten gut sind, die zwischen sechs bis acht Zehntel selbst unter jenen der grössten Widersacher liegen – in der von Hightech und Innovation geprägten Welt der Formel 1 eine überdimensionale Differenz. Und dass die Boliden mit der Bezeichnung F1 W06 nicht nur ungemein schnell, sondern auch standfest sind, trübt die Aussicht der Konkurrenten zusätzlich. Der vom Internationalen Automobil-Verband gewährte zusätzliche Freiraum zur Weiterentwicklung des im vergangenen Jahr zum ersten Mal zum Einsatz gekommenen Antriebsstrangs auf Hybrid-Basis und mit Turbolader scheint die Hoffnung auf die technische Annäherung an den Primus nicht erfüllen zu können.
Die Formel 1 an der Spitze also wiederum ein teaminternes Duell? Ein erneuter Zweikampf zwischen Titelhalter Lewis Hamilton und Herausforderer Nico Rosberg? Jedem der nicht mit dem Rennstall der Silberpfeile sympathisierenden Interessierten graut ob der neuerlich drohenden Monotonie und Langeweile. Am ehesten wird dem Team Williams zugetraut, Mercedes (einigermassen) die Stirn bieten zu können. Auch die Verantwortlichen von Red Bull und Ferrari gehen davon aus, bei der komplexen Aufgabe, ein kompetitives Auto auf die Räder zu stellen, bessere Lösungen als zuletzt gefunden zu haben.
Im Falle der Scuderia schliesst die Steigerung selbstverständlich die (positive) Entwicklung des Antriebsstrangs ein. Red Bull bezieht die Aggregate nach wie vor von Renault. Die Franzosen können neuerdings auf die Unterstützung von Mario Illien zählen. Der Input des Bündners ist hoch willkommen. Illien hat sich im Motorbau schon vor vielen Jahren als grosser Taktgeber hervorgetan.
Nicht mehr von Illiens Ideen abhängig ist Lotus. Der im vergangenen Jahr ins Niemandsland abgestürzte Rennstall, mit dem für Frankreich startenden Genfer Romain Grosjean, ist nunmehr wie Williams und Force India Kunde von Mercedes. Durch den Wechsel dürfen sie bei Lotus auf eine im Vergleich zur vergangenen Saison deutlich verbesserten Performance hoffen.
Nicht mehr zur Klientel von Mercedes gehört dagegen McLaren. Der einstige Arbeitgeber von Weltmeister Hamilton hat sich zum zweiten Mal für eine Partnerschaft mit Honda entschieden. Der Beginn der neuerlichen Liaison mit den Japanern, mit denen McLaren schon von 1988 bis 1992 zusammengearbeitet hatte, wurde von immensen Widerständen überschattet. Am Ursprung der Probleme lag, beziehungsweise liegt, der Antriebsstrang. Nach einer schwierigen Phase bei seinem bisherigen Arbeitgeber Ferrari hat sich Fernando Alonso bei seinem zweiten Engagement bei McLaren nach dem Intermezzo im Jahr 2007 abermals auf eine unbefriedigende Zeit einzustellen. (ram/si)