Vier Jahre Sperre lautet die Maximalstrafe für vorsätzliches Doping. Nimmt man einem Athleten ab, dass die verbotene Substanz ohne Vorsatz in sein Körper gelangte, wird die Dauer halbiert. Beim Schweizer Hürdenläufer ging die Untersuchungsbehörde Antidoping Schweiz von einem mittelschweren Verschulden aus.
Zwischen 8 und 16 Monate lautet dafür das Verdikt. Die Schweizer Dopingjäger beantragten 12 Monate, die Disziplinarkammer sprach schliesslich eine Sperre von neun Monaten aus. So klein der Unterschied auf den ersten Blick erscheint - er ist entscheidend. Mit diesem Urteil kann der 32-jährige Thurgauer eine WM- und EM-Teilnahme im Sommer 2022 als Ziel in Angriff nehmen.
«Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker», steht auf der Packungsbeilage von Medikamenten. Mediziner Kariem Hussein hatte in seiner Rolle als bester Schweizer Hürdenläufer offensichtlich keine Frage. Doch sein Ergänzungsmittel gegen Unterzuckerung, die Lutschtabletten Gly-Coramin, die er nach harten Trainings, im Vorfeld von Wettkämpfen oder wie in diesem entscheidenden Fall direkt im Anschluss an ein Rennen seit Jahren mehr oder weniger regelmässig einnahm, war definitiv das falsche Rezept. Denn das bei Bergwanderern beliebte, in Apotheken und Drogerien frei erhältliche Gly-Coramin enthält neben dem Hauptbestandteil Traubenzucker auch das Stimulanz Nikethamid.
Diese kreislaufanregende Substanz steht seit Jahrzehnten auf der Dopingliste. Sie ist zwar während des Trainings erlaubt, nicht aber bei Wettkämpfen. In der Packungsbeilage wird die Dopingproblematik deklariert Die Antidoping-Regularien definieren den Zeitrahmen des Wettkampfs von 23.59 Uhr am Vortag bis und mit Abgabe einer möglichen Dopingprobe nach dem Einsatz.
Die Ziellinie des Finallaufs über 400 m Hürden an den Schweizer Meisterschaften in Langenthal, wo der 32-Jährige am 26. Juni seine positive Urinprobe abgegeben hatte, bedeutete in diesem Fall also keinesfalls den Abschluss von Husseins Wettkampf. Ein Rennen übrigens, das der Europameister von 2014 auf emotionale Weise als Ende seiner dreijährigen Durststrecke feierte. Die nun annullierte Siegerzeit von 48,84 Sekunden war seine beste Leistung seit 36 Monaten und die definitive Qualifikation für die Spiele in Tokio. Hussein schien nach langer Leidenszeit wegen Verletzungssorgen zurück im Geschäft.
Ein Irrglaube. Am 16. Juli erfuhr der Thurgauer von seiner positiven Probe. Ein Gesuch um Aufschiebung der damit verbundenen provisorischen Sperre wurde abgelehnt, die Teilnahme an den Olympischen Spielen war damit definitiv erledigt. Erst zehn Tage zuvor fasste Kariem Hussein sein persönliches Material für die Reise nach Tokio.
Schnell war der Hürdenläufer nicht nur bei seinem Lauf in Langenthal, rekordschnell lag im Fall Hussein auch ein Urteil vor. Gerade mal fünf Arbeitstage brauchte Antidoping Schweiz als anklagende Behörde und die Disziplinarkammer von Swiss Olympic als rechtssprechende Instanz für die Abwicklung des Falls. Mitverantwortlich dafür Kariem Hussein, der noch am Freitag um ein persönliches Treffen mit der Dopingbehörde bat, dort das Vergehen zugab und die Verantwortung dafür übernahm.
Dies wiederholte Hussein am Tag der Eröffnungsfeier der Sommerspiele in Japan in einer emotionalen Videobotschaft. Zusätzlich bat er um Verzeihung: «Ich entschuldige mich von Herzen bei euch allen für meinen Fehler. Der Traum von Tokio ist geplatzt. Das ist extrem bitter – für mich und für alle, die mich auf meinem Weg begleitet und unterstützt haben.»
Der Schweizer Leichtathletik-Star betonte zugleich, dass ein Rücktritt kein Thema sei. Hussein verdankt es dem milden Urteil der DK von neun Monaten Sperre, dass er mit den Weltmeisterschaften im kommenden Juli und den Europameisterschaften einen Monat später neue Ziele ins Visier nehmen kann. Antidoping Schweiz hatte ein Strafmass von 12 Monaten beantragt. Wäre der Einzelrichter dem Antrag gefolgt, hätte Hussein mehr oder weniger auch die nächste Saison abschreiben können.
Hätten Untersuchungsbehörden und DK ein vorsätzliches Vergehen erkannt, wäre das maximale Strafmass sogar bei vier Jahren Sperre gelegen. Allerdings stützten die analytischen Befunde die Version von Hussein. Weil er als erfahrener Athlet und mit Medikamenten vertraute Person keine mildernde Umstände ins Feld führen konnte, wurde das Vergehen als mittelschwer eingestuft, was ein Strafmass zwischen 8 und 16 Monaten ergibt. Auch wenn das Urteil unter dem eigenen Antrag blieb, wird Antidoping Schweiz das Verdikt nicht anfechten.
Ja er hätte es nicht nehmen dürfen, auch wenn es eigentlich nichts schlimmes ist, aber er steht ja zu seinem Fehler also jeder mach mal einen Fehler und gut ist.
Die Sperre für die Olympischen Spiele ist richtig.
Gängige Praxis, aber gehört sich eigentlich nicht!