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WM 2014

«Eine Torchance zu vergeben, ist keine Schande. Im Gegensatz zu diesen Vorwürfen»

«Wieso immer ich?» Mario Balotelli erntet Kritik von seinen Teamkollegen.
«Wieso immer ich?» Mario Balotelli erntet Kritik von seinen Teamkollegen.Bild: Insidefoto/freshfocus
Balotelli holt zum Gegenschlag aus

«Eine Torchance zu vergeben, ist keine Schande. Im Gegensatz zu diesen Vorwürfen»

Wie an der WM 2002 in Südkorea und Japan trägt auch in Brasilien ein Schiedsrichter seinen Teil zum Scheitern von Italien bei. Nun sollen in der Squadra Azzura heftige Grabenkämpfe toben – vor allem Balotelli kriegt sein Fett weg. Doch jetzt schlägt Supermario zurück.
25.06.2014, 11:4225.06.2014, 16:58
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Vor zwölf Jahren hatte Italien nach der 1:2-Niederlage nach Golden Goal im Achtelfinal gegen Südkorea geschäumt. «Schmutzige WM», «Schande! Der Schiedsrichter versenkt Italiens Nationalteam», war in den italienischen Zeitungen zu lesen. Es war gar von Bestechung die Rede, nachdem Byron Moreno den italienischen Star Francesco Totti wegen einer angeblichen Schwalbe vom Platz gestellt und das vermeintliche Siegestor von Damiano Tomassi in der Verlängerung zu Unrecht aberkannt hatte. 

Die drei groben Fehlentscheide gegen Italien an der WM 2002.Video: Youtube/BaggioFn

Auch diesmal gäbe es Anlass, den Schiedsrichter für das Scheitern verantwortlich zu machen, denn die Rote Karte gegen Claudio Marchisio (59.) war hart. Dafür hätte Uruguays Topstürmer Luis Suarez kurz vor dem entscheidenden 0:1 für seine Beissattacke des Feldes verwiesen werden müssen. «Die Rote Karte hat den Verlauf des Spiels stark beeinflusst», sagte Italiens nach der Partie zurückgetretener Trainer Cesare Prandelli. «Danach haben wir für den Rest des Spiels versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Wir hatten Angst vor einem Konter, Uruguay hat sehr schnelle Spieler. Elf gegen elf wäre es ein anderes Spiel gewesen.» 

Logisch, dass jetzt solche Bilder die Runde machen.
Logisch, dass jetzt solche Bilder die Runde machen.
Cesare Prandelli und Gianluigi Buffon: Suche nach Fehlern bei sich selbst.
Cesare Prandelli und Gianluigi Buffon: Suche nach Fehlern bei sich selbst.Bild: YVES HERMAN/REUTERS

Er sucht aber nicht nach Ausreden: «Wir hatten nicht viele Torchancen, vielleicht lag das an unseren technischen Grenzen oder an der fehlenden Qualität. Der sportliche Aspekt hat nicht funktioniert und das ist meine Verantwortung. Uruguay spielt den Ball in einem unglaublichen Tempo. Unser Fussball produziert nicht bestimmte Arten von Spielern, und darüber sollten wir nachdenken.» Zudem bemängelte er den Support aus der Heimat. 

«Beisser Suarez»

Buffon mit Selbstkritik, De Rossi schiesst gegen Balotelli

Auch Torhüter Gianluigi Buffon und Daniele De Rossi gaben zu, dass sie zu wenig gut gewesen seien. Buffon sagte: «Der Schiedsrichter hat uns sicher nicht geholfen. Aber wir können die Schuld nicht immer dem Schiedsrichter zuschieben.» Sie hätten gut begonnen, danach seien die Erwartungen vielleicht zu hoch gewesen. «Ein Team, das in den letzten beiden Partien kein Tor erzielt und wenig kreiert hat, verdient es, auszuscheiden.» 

Hier strahlen Mario Balotelli und Daniele De Rossi noch gemeinsam. Dem ist nach dem Aus nicht mehr so.
Hier strahlen Mario Balotelli und Daniele De Rossi noch gemeinsam. Dem ist nach dem Aus nicht mehr so.Bild: ALESSANDRO GAROFALO/REUTERS

Die grösste Kritik musste Balotelli einstecken, auch in den eigenen Reihen. «Wir brauchen richtige Männer, keine Panini-Aufkleber. Diese sind von keinerlei Nutzen für die Nationalmannschaft», sagte De Rossi. Balotelli hatte nach seinem 2:1-Siegestor gegen England ein Foto auf seine Facebook-Seite gepostet, auf dem ein Panini-Album zu sehen ist, in dem lauter Bilder von ihm auf der Doppelseite Italiens eingeklebt sind. 

Das lässt den Kritisierten nicht kalt, er setzt postwendend zum Gegenschlag an. «Die Afrikaner würden nie einen ihrer ‹Brüder› beschuldigen. Eine Schande ist nicht derjenige, der vielleicht eine Torchance vergibt oder mehr oder weniger läuft. Beschämend sind diese Sachen», liess er sich zitieren. Und weiter: «Die Schuld lasse ich dieses Mal nicht auf mir abladen, weil Mario Balotelli alles für die Nationalelf gegeben und keine Fehler gemacht hat. Ich habe bei dieser WM alles versucht und bin traurig, wütend und enttäuscht von mir selbst».

An diesem Bild stört sich Daniele De Rossi.
An diesem Bild stört sich Daniele De Rossi.Bild: Facebook/Mario Balotelli A.C. Milan

«Katastrophe Italien», «im Chaos», «hässliches Italien»

Auch in den Zeitungen war der Schiedsrichter selbstredend ein Thema, die Hauptschuld für das Scheitern wurde aber beim Team und Trainer gesehen. «Azzurri harmlos und ohne Ideen», schrieb die «Gazzetta dello Sport». Der «Corriere dello Sport» kommentierte: «Katastrophe Italien. Alle Fehler von Prandelli: Der Hitze-Alptraum, die Wechsel, aber vor allem das totale Vertrauen in Balotelli.» «Tuttosport» sah die Nationalelf «im Chaos». In der «La Repubblica» stand: «Ein hässliches Italien verabschiedet sich vom WM-Traum. Unser Fussball ist wie ein Ball, dem die Luft ausgeht. Erreicht ist damit der tiefste Punkt einer technischen, organisatorischen und kulturellen Krise. Alles muss sich ändern.» (tom/si)

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1 Kommentar
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Alles eine Frage der Dosierung – spielen die Refs im Final eine Rolle?
Die Schiedsrichter waren während der Qualifikation meistens gut und berechenbar und während den Playoffs bisher sogar sehr gut. Die grosse Bewährungsprobe folgt ab heute im Final zwischen den ZSC Lions und Lausanne.

Wer eine lose Umfrage über die Qualität der Schiedsrichter macht – am Stammtisch, bei Sportchefs oder Manager – bekommt in der Regel Antworten, die zwischen «miserabel» und «völlig ungenügend» tendieren. Die Beurteilung wird natürlich stark vom Ausgang des vorangehenden Spiels beeinflusst – alle sind ja mehr oder weniger Sympathisanten eines Klubs und alle gehören halt hin und wieder oder manchmal auch meistens zu den Verlierern.

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