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Wurde Nestlé-Kaderfrau wegen moralischer Bedenken gemobbt?

Wurde Nestlé-Kaderfrau wegen moralischer Bedenken gemobbt? Ihre Chefs müssen nun aussagen

14.12.2015, 12:4514.12.2015, 12:59
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Mehrere Nestlé-Verantwortliche, darunter Konzernleiter Paul Bulcke, müssen am Mittwoch in Lausanne vor Gericht zu Mobbing-Vorwürfen Stellung nehmen. Die Klage eingereicht hatte Yasmine Motarjemi, die frühere Verantwortliche für Nahrungsmittelsicherheit bei Nestlé.

Die 60-jährige Klägerin hatte schon zum Prozessauftakt am 1. Dezember vor dem Bezirksgericht Lausanne ausführlich ausgesagt. «Ich konnte zu einem grossen Teil sagen, was ich bezüglich Mobbing aber auch Nahrungsmittelsicherheit auf dem Herzen hatte. Das war eine Befreiung», sagte die ehemalige Nestlé-Kaderfrau der Nachrichtenagentur sda.

Der Nahrungsmittelriese hatte die Expertin 2000 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) abgeworben. Bei Nestlé lief es für Yasmine Motarjemi zunächst sehr gut, bis sie 2006 einen neuen Vorgesetzten erhielt, der sie unaufhörlich diskreditierte.

Paul Bulcke muss vor Gewricht aussagen.
Paul Bulcke muss vor Gewricht aussagen.
Bild: EPA/KEYSTONE

2,1 Millionen Franken gefordert

Im Unternehmen wurde sie darauf nach und nach ausgegrenzt. Nestlé entzog ihr Abteilungs-Personal und übertrug ihr immer weniger Verantwortung, wie Motarjemi sagt. Als noch schwerwiegender erachtet die Klägerin, dass ihre Warnungen zur Lebensmittelsicherheit unbeachtet blieben.

Die 60-Jährige wirft Nestlé Laxismus und ein doppeltes Spiel in Sachen Nahrungsmittelsicherheit vor. Besonders im Visier hat sie dabei ein Fall mit Biskuits, an denen Kinder zu ersticken drohten. Man müsse nicht abwarten, bis ein Baby das Leben verliere, um Massnahmen zu ergreifen, sagt Yasmine Motarjemi.

Der Niedergang der Kaderfrau endete 2010 in der Entlassung. «Mental und moralisch zerstört», fand Motarjemi keine andere Stelle mehr. Sie fordert von Nestlé symbolisch einen Franken Genugtuung sowie 2,1 Millionen Franken für ihre Verfahrenskosten und Einkommensausfälle.

Nestlé weist Vorwürfe vollumfänglich zurück

Der Prozess vor dem Bezirksgericht Lausanne dreht sich aber nur um die Mobbing-Vorwürfe und nicht um Nahrungsmittelsicherheit. Es handle sich um einen arbeitsrechtlichen Prozess einer Angestellten gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber, wie die Nestlé-Pressestelle gegenüber der Nachrichtenagentur sda festhielt.

Klägerin Motarjemi: «Mental und moralisch zerstört».
Klägerin Motarjemi: «Mental und moralisch zerstört».
Bild: EPA/KEYSTONE

Der Nahrungsmittelkonzern weist die Mobbing-Vorwürfe der Klägerin in aller Deutlichkeit zurück. Das Unternehmen mit Sitz in Vevey VD äussert sich wegen des laufenden Gerichtsverfahrens nicht zu Details. Das Unternehmen werde seine Argumente vor Gericht geltend machen.

«Die Vorwürfe bezüglich der Qualität unserer Produkte sind vollkommen unbegründet», betonte Nestlé. Sicherheit und Qualität gehörten zu den obersten Prioritäten, fügte der Mediendienst an, über 5000 Experten würden weltweit darüber wachen.

Auch CEO Paul Bulcke soll aussagen

Für den Prozesstag vom Mittwoch wird eine ganze Reihe von aktuellen und ehemaligen Führungskräften erwartet: Neben CEO Paul Bulcke sollen auch der ehemalige Generaldirektor José Lopez, der ehemalige Personalchef und heutige Direktor von Nespresso, Jean-Marc Duvoisin, sowie der ehemalige Verwaltungsleiter Francisco Castañer aussagen.

Der Nestlé-Sitz in Vevey VD.
Der Nestlé-Sitz in Vevey VD.
Bild: EPA/KEYSTONE FILE

Yasmine Motarjemi erwartet viel Kritik von Seiten der Nestlé-Verantwortlichen. Das Gericht machte keine Angaben zum Fall, hielt aber fest, dass es sich um eine Beweisaufnahme handle, bei der Aussagen mehrerer Parteien oder Zeugen gesammelt werden sollen.

Die Verhandlung findet vor einer speziellen Kammer des erstinstanzlichen Gerichts statt, welches für Fälle mit einem Streitwert von über 100'000 Franken zuständig ist. Nach dem Prozesstag von Mittwoch ist eine Fortsetzung am 2. Februar vorgesehen.

Die Plädoyers werden entweder vor Gericht gehalten oder in schriftlicher Form eingereicht. Ebenfalls möglich ist, dass sich die beiden Parteien bereits vor Prozessende in einem Vergleich einigen könnten.

(sda)

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