Grexit, Krise im Nahen Osten, Krise in der Ukraine und Börsencrash in China: Eigentlich müsste der Goldpreis explodieren. In unsicheren Zeiten gilt das gelbe Metall als sichere Anlage und ist deshalb begehrt. Doch der Goldpreis ist in den letzten Wochen gefallen wie ein Stein und nähert sich der ominösen 1000-Dollar-Grenze pro Unze. Dabei lag er noch im Herbst 2011 bei beinahe 2000 Dollar.
Am Montag hat sich der Goldpreis zwar leicht erholt. Dabei dürfte es sich um eine so genannte technische Erholung handeln, will heissen: Es gibt keine fundamentalen Änderungen im Markt, sondern zufällige Ereignisse sind der Grund für die leichte Trendumkehr. Die Aussichten für das Gold bleiben insgesamt düster. So warnen beispielsweise die Anlageexperten der St.Galler Kantonalbank in ihrem jüngsten Newsletter, dass es kaum Gründe gäbe, «warum sich der Goldpreis rasch wieder erholen sollte».
Hingegen gibt es gute Gründe, warum der Goldpreis noch weiter fallen könnte. Der wichtigste ist dabei: Die Anzeichen, dass die US-Notenbanken ihre Leitzinsen erhöht, verdichten sich. Damit wird es für Spekulanten wieder interessanter, in den Dollar zu investieren. Wer also derzeit Gold kaufen wolle, so der Ratschlag der Profis, sollte dies vorzugsweise in Form von Schmuck tun.
Gold ist ein besonderer Stoff, sein Preis wird oft nicht von ökonomischer Vernunft, sondern von einer geradezu sektiererischen Überzeugung bestimmt. Der Anstieg des Goldpreises nach der Finanzkrise 2008 war der Ausdruck der Angst vor einer Inflation. Die hohe Staatsverschuldung werde unweigerlich zu einer Hyperinflation führen, argumentierten die Gold-Fans. Nur so könnten sich die Staaten wieder entschulden.
Diese These hat sich nicht bewahrheitet. Nicht Inflation, sondern das Gegenteil, Deflation bereitet den Zentralbankern Bauchweh. Als klar wurde, dass bis auf Weiteres keine Inflation droht, begab sich der Goldpreis auf einen Sinkflug. Zwischen 2011 und heute hat er rund 40 Prozent eingebüsst.
Viele Investoren haben dabei viel Geld verloren. Als prominentes Opfer gilt der Hedgefund-Manager John Paulson. Er hat vor dem amerikanischen Immobiliencrash auf fallende Häuserpreise gesetzt und dabei Milliarden verdient. Einen Teil davon soll er nun mit Gold wieder verloren haben. Ebenfalls böse erwischt hat es die russische Notenbank. Sie habe auf Drängen von Präsident Wladimir Putin grosse Goldkäufe getätigt, meldet die «Welt», und soll dabei rund 15 Milliarden Dollar verzockt haben.
Eine andere Notenbank soll hingegen am Zerfall des Goldpreises mitbeteiligt sein. Die Bank of China hat offenbar sehr viel weniger Gold gekauft als allgemein vermutet wurde. Sie hat kürzlich offen gelegt, dass sie in den letzten sechs Jahren rund 600 Tonnen Gold erworben hat, bloss ein Drittel dessen, was von den Experten erwartet worden war. Diese Ankündigung hat den Zerfall des Goldpreises in den letzten Tagen eingeleitet.
Auch Notenbanken haben in Sachen Gold nicht immer ein glückliches Händchen. Ende der 90er-Jahre verkauften einige von ihnen – darunter auch die Schweizerische Nationalbank – einen Teil ihrer Goldreserven zu einem Ramschpreis. Damals lag der Preis pro Unze noch bei 250 Dollar.
Der aktuelle Crash des Goldpreises wird die Hardcore-Fans des gelben Metalls, die so genannten «gold bugs», nicht in ihrem Glauben erschüttern. Sie sind nach wie vor von der These der Hyperinflation überzeugt. Für sie ist es einzig eine Frage der Zeit, wann diese eintreffen wird.
Ein bekannter «gold bug» ist der texanische Börsenhändler Bill Holters. In der «Financial Times» wird er wie folgt zitiert: «Mathematisch gesehen muss die Schuldenblase platzen. Man kann Gold nicht timen. Man kauft es, schliesst die Augen und weiss, dass die Zeit auf seiner Seite ist.»