Folgender Witz kursiert über Polen: An einem Kongress über Elefanten treten drei Zoologen auf. Der Elefant sei ein grosses Tier, das in Afrika und Asien anzutreffen ist, sagt der Amerikaner. Der Elefant sei grau und habe einen Rüssel, sagt der Deutsche. Der Elefant sei primär ein polnisches Problem, sagt der Pole.
Derzeit machen die Polen diesem Witz wieder einmal alle Ehre. Alles dreht sich um sie, und die ganze Welt hat ihren Wünschen Folge zu leisten. Deshalb ist die Milch zwischen Warschau und Brüssel derzeit sauer. So sauer, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) Polen zu einer Busszahlung von täglich einer Million Euro verdonnert hat. Die EU-Kommission droht derweil, die 36 Milliarden Coronahilfe für Polen einzufrieren. Aber der Reihe nach:
Der EuGH versucht seit Jahren zu verhindern, dass die Justiz politisiert wird. Genau dies will jedoch die populistische konservative Regierung, indem sie Richter, die unerwünschte Urteile fällen, vorzeitig in Pension schicken will. Weil sich Warschau trotz mehrmaliger Mahnungen weigert, von dieser willkürlichen Praxis abzuweichen, hat der EuGH nun gehandelt und Polen zur erwähnten Busszahlung verdonnert.
Das entschlossene Vorgehen des EuGH findet selbst die Zustimmung der polnischen Opposition. «Das wird sehr hart für die Bevölkerung sein», sagt etwa die Europaabgeordnete Roza Thun gegenüber der ARD-Tagesschau. «Aber das ist die einzige Möglichkeit für die Kommission. Sonst wird es sehr gefährlich für die ganze Europäische Union. Sie wird zerfallen, wenn die Entscheidungen des EUGH nicht respektiert werden.»
Noch mehr steht beim zweiten Streitpunkt auf dem Spiel. Das polnische Verfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass gewisse Teile der EU-Verträge unvereinbar seien mit der polnischen Verfassung. Damit stellt Polen einen zentralen Punkt der EU-Mitgliedschaft infrage.
Selbstverständlich kann die EU dies nicht dulden – und sie wird es auch nicht. Das hat Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, umgehend und unmissverständlich klargemacht. Auch im EU-Parlament schlägt der Unmut über Polen inzwischen grosse Wellen. Abgeordnete aus verschiedenen Parteien fordern, dass man endlich schweres Geschütz gegen Warschau auffährt, will heissen: dass man die 35 Milliarden Euro, die den Polen aus dem Coronahilfsfonds zugute stehen, auf Eis legt.
Auch die jährlichen Ausgleichszahlungen an Warschau sollen vorläufig ausgesetzt werden. Polen ist der grösste Empfänger dieser Gelder.
Die Polen ihrerseits schäumen vor Wut. Premierminister Mateusz Morawiecki sprach jüngst in einem Interview mit der «Financial Times» gar von einem 3. Weltkrieg. «Was wird geschehen, wenn die Europäische Kommission einen 3. Weltkrieg starten wird», so der Premierminister. «Sollten sie es tatsächlich tun, dann werden wir uns mit den Waffen verteidigen, die uns zur Verfügung stehen.»
Was genau diese Waffen sind, wollte Morawiecki nicht verraten. Stattdessen baute er eine weitere Drohkulisse auf. Die Hilfsgelder hätten längst ausbezahlt werden müssen, führte er aus. Und: «Wir werden nicht nachgeben, wir werden wegen dieser Druckversuche unsere Souveränität nicht opfern. Wir werden überleben, bis zum Moment, an dem wir das Geld der EU erhalten.»
Die markigen Worte und die Macho-Pose können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Polen auf tönernen Füssen stehen. Ausser Ungarn haben sie kaum Verbündete in dieser Frage – und auch von den Kapriolen von Viktor Orban hat die EU langsam die Schnauze voll.
Mit dem Abgang von Angela Merkel von der europäischen Bühne fehlt zudem die Figur, die bis anhin in der Lage war, Kompromisse auszuhandeln und so den Hausfrieden zu erhalten.
In der Verfassungsfrage ist jedoch gar kein Kompromiss möglich. Polen ritzt mit seinem Alleingang am rechtsstaatlichen Fundament der EU. «Sollte sich daran nichts ändern, dann muss Brüssel das Geld aus dem Hilfsfonds verweigern», kommentiert die «Financial Times».
Für die Polen gibt es daher nur zwei Möglichkeiten: Sie können ihre eigene Verfassung dahin gehend ändern, dass sie mit der EU-Verfassung kompatibel ist – oder sie können aus der EU austreten. Ein solcher Polexit schmeckt jedoch selbst den Populisten nicht. So muss Premierminister Morawiecki kleinlaut zugestehen: «88 Prozent der Polen wollen in der EU bleiben – und die Hälfte davon hat uns gewählt.»
Die Rhetorik von Rechtsradikalen ist und bleibt übel
die personenfreizügigkeit ist ein segen für die polnischen workingpoor, für hilfsgelder macht die regierung gerne die hohle hand. wenn es jedoch darum geht, sich an regeln und abmachungen zu halten, oder sich gar solidarisch zu zeigen, ist ganz schnell von ungerechtfertigter einmischung die rede.