Die Immobilienpreise steigen schon seit über 20 Jahren mehr oder weniger ständig in immer luftigere Höhen hinauf. Und im Herbst 2022 entschweben sie noch schneller: Eigentumswohnungen sind um 7.3 Prozent teurer geworden im Vorjahresvergleich, Einfamilienhäuser um 8.8 Prozent. In einer neuen Studie geht der Immobilienberater Wüest Partner nun der Frage nach: Erlebt die Schweiz gerade eine spekulative Immobilienpreisblase?
Nein, es gebe dazu «keine signifikanten Hinweise», fassen die Experten von Wüest Partner ihre Untersuchung zusammen. Die Preise würden nur wenig höher liegen, als es durch fundamentale Trends erklärbar sei. Tiefe Hypothekarzinsen etwa hätten die Nachfrage erhöht, ebenso die schnell wachsende Bevölkerung und Wirtschaft. Und das Angebot ist knapp: Es stehen wenige Einfamilienhäuser leer oder Eigentumswohnungen. Solche fundamentalen Trends erklären die hohen Immobilienpreise also zum grössten Teil. Wie es in der Studie heisst: «Das spricht für einen robusten Zustand des Wohneigentumsmarkts.»
Dennoch lassen sich der Studie auch drei Argumente entnehmen, welche diese Robustheit in Frage stellen – sowie einen Grund für noch mehr Euphorie. Der Immobilienmarkt ist matchentscheidend: immerhin hängen daran über 1000 Milliarden Franken an Hypothekarkrediten. Wie viel Geld das ist, veranschaulichte die Finanzaufsichtsbehörde Finma einmal so: «1000 Milliarden Franken bedeutet so viel wie 120'000 Franken pro Kopf für jeden Schweizer Einwohner – vom Kleinkind bis zur Greisin.»
National mag alles robust wirken, doch nicht in allen Kantonen. In einigen finden sich Übertreibungen: die Preise liegen deutlich über dem Niveau, das durch fundamentale Trends gerechtfertigt wäre. Das gilt am meisten für die Kantone Appenzell Innerrhoden, Obwalden und für Nidwalden, wo es zu Überbewertungen von über 10 Prozent oder gar über 20 Prozent kommt. Hier wäre darum zu erwarten, dass die Preise langsamer als zuvor steigen, bis sie wieder in Einklang sind mit den fundamentalen Trends – oder dass sie gar sinken würden. Bei Eigentumswohnungen zeigen sich die höchsten Überbewertungen in der Westschweiz. Auf den höchsten Wert kommt der Kanton Genf mit über 25 Prozent. In anderen Kantonen hingegen sind die Preise gar eher zu tief, wie etwa im Tessin oder in Basel-Stadt, was auf künftig schneller steigende Preise hindeutet.
In der Studie wird errechnet, wie sehr die Preise sich entfernt haben von den fundamentalen Trends – wie sehr es zu Übertreibungen gekommen ist. Endet der Boom, und die Preise sinken, wird nach der Übertreibung kaum sogleich die Vernunft triumphalen Einzug halten. Auf übertriebenen Optimismus könnte übertriebenen Pessimismus folgen, wie es so oft zu beobachten ist, auf Märkten für Aktien oder Immobilien. Die Preise steigen selbst dann nicht, wenn sie gemäss den fundamentalen Daten eigentlich müssten.
Dazu sagt Wüest-Partner-Experte Robert Weinert, solche Untertreibungen seien immer möglich. «In den 90er-Jahren etwa fehlte das Vertrauen in Immobilien – und die Preise waren tiefer als eigentlich gerechtfertigt.» In Appenzell Innerrhoden beispielsweise würde auf eine Übertreibung um 20 Prozentpunkte eine lange Phase mit stagnierenden Preisen folgen.
Die Studie untersucht, wie viel Spekulation es gibt: Inwiefern die Preise von der Logik des «Greater Fools» nach oben getrieben werden, dem noch grösseren Dummkopf. Es werden dann nur darum noch höhere Preise geboten, weil die Käufer auf den nächsten Dummkopf spekulieren, der noch mehr zahlt, weil er einen Dummen zu finden glaubt, und so weiter. Doch die Studie sagt: Derlei Spekulation entfalte zwar in einigen Kantonen durchaus Wirkung, national jedoch kaum. Die Preisanstiege seien grösstenteils erklärbar durch fundamentale Trends. Doch aufgepasst.
Drehen solche Trends, können die Preise dennoch einbrechen. In der Studie wird dieses Risiko angesprochen: Wären die Hypothekarzinsen bei 4 Prozent geblieben, wären die Preise von Wohneigentum um etwa 25 Prozentpunkte weniger stark gestiegen. Was im Umkehrschluss bestätigt: Steigen die Zinsen weiter an, könnten die Preise gehörig fallen. Davor hat auch die Europäische Zentralbank gewarnt. Von der Schweizerischen Nationalbank hiess es, eine Korrektur könne ausgelöst werden.
Vieles ist in den nächsten fünf Jahren möglich – das zeigt die Studie ebenfalls auf. Kommt es zu einer schweren Rezession, einem Rückgang der Zuwanderung und so zu einer Schwemme an leeren Wohnungen, verlieren Einfamilienhäuser um 14 Prozent an Wert, Eigentumswohnungen um 22 Prozent. Wächst die Wirtschaft hingegen anständig oder gar kräftig, dann könnte es um 17 Prozent oder gar um über 30 Prozent in die Höhe gehen. Es wäre ein schier endlos scheinender Boom am Immobilienmarkt.
Hier noch eine Schweizkarte zur kantonalen Entwicklung der Immobilienpreise.
(aargauerzeitung.ch)
Steigende Immobilienpreise sind für die Bevölkerung genau so schlecht. Immer weniger können sich Eigentum leisten und die Mieten steigen ebenso seit Jahren viel zu stark…