Drei Fahrtminuten nach Küblis blieb der Familienvater stecken, mitten im neuen Saas-Tunnel. Dass etwas nicht stimmte, hatte sich angekündigt: Der Motor im Wagen, ein Automat, schien förmlich zu ersticken. Im Nu war die Tunnelröhre gesperrt; Minuten später tauchten mit Blaulicht zwei Patrouillen der Kapo auf. «Benzin statt Diesel, hm?», fragten die Beamten als Erstes. «Woher wissen Sie das?», fragte der Mann verblüfft. «Stecken Autos in dieser Distanz zu Küblis fest», sagte der Beamte, «ist meist das die Ursache. Auch Sie haben im Dorf wohl nochmals getankt vor dem Berg.»
Dem Familienvater (Name und IQ sind der Redaktion bekannt) war es hochnotpeinlich: «Das ist mir im Leben noch nie passiert.» Der Polizist würdigte so viel Zerknirschung und Aufrichtigkeit: «Die meisten schieben es der Frau in die Schuhe.» Und, fügte er an: «Sie sind in guter Gesellschaft.»
Tatsächlich. Für beides fanden sich Belege, als wir von der Geschichte hörten: für Feigheit und sagenhafte Zahlen. Kaum jemand verrät darüber ein Sterbenswort. Tief muss das Trauma sitzen, zum falschen Schlauch gegriffen zu haben. Kein Wunder, wirken solche Malheurs eher feminin als macho-cool. Und werden blitzartig Frauen unterstellt. Das kann bizarre Folgen haben, wie ein Anonymus namens Ölkonrad beichtete, im Internet-Blog: «Wie viel Diesel verträgt ein Benziner?» – kein Witz, solche Foren gibts.
Ölkonrad schrieb: «Ein Freund füllt den Falschtanker-Inhalt in ein hohes schlankes Gefäss und stellt ihn in die Sonne. Nach ein paar Tagen schöpft er oben vorsichtig ab. Seine Frau verfährt es jetzt – unwissentlich.» Das schlägt dem Tank nun wirklich den Deckel ab: falschtanken, nichts zugeben und die Frau damit noch rumgurken lassen. Sie dürfte sich über die Gaffer gewundert haben während ihrer Fahrt: Mit einem Benzin-Diesel-Gemisch «nagelt» der Motor. Ausserdem erzeugt es Qualm. Deshalb – nicht etwa wegen der getäuschten Frau – rügte darauf ein Waldi den Ölkonrad: «Eine Nebelkerze ist dagegen ein Kindergeburtstag.»
Wie kann so was überhaupt passieren? Das fragen viele. Angesichts von Füllstutzen, in die eine Benzinpistole gar nicht passt. In Zeiten, da an Tankstellen alles schreiend bunt angeschrieben ist. Wo der Tankdeckel jedes Neuwagens den zerstreuten Lenker darauf hinweist, was der Wagen schluckt. Alles geschenkt. Denn die Zahlen ergeben ein anderes Bild. Die Zahlen verstören. Die Zahlen machen das Ganze irgendwie mysteriös.
Wie viele Falschtanker gibts in der Schweiz pro Jahr – was schätzt du? Zehn, zwanzig, hundert vielleicht? Nun, es sind tausend mal zehn, 10'000. Das sagt auf Anfrage der TCS, der Touring-Club der Schweiz. 10'000 – bei mehr als der Hälfte werde die TCS-Patrouille zu Hilfe gerufen, sagt Stephan Müller, Mediensprecher des TCS. Ein Merkblatt für solche Fälle lag auf der Hand: «Benzin statt Diesel getankt – was nun?» Ein paar Tipps in aller Kürze findest du in der Infobox.
Die paar falschen Liter laufen ins Tuch. Unser Familienvater zahlte am Ende 1500 Franken, bis der Göppel wieder lief. Abschleppen und Ersatzwagen beglich die Versicherung, die Reparatur selber nicht. Der Grund heisst, fern vom Versicherungsdeutsch, schlicht Dämlichkeit. Der TCS sagt im Merkblatt, das Entsorgen des Gemischs betrage «wenige Franken pro Liter». Garagisten aber sagen knapp: «Sondermüll, kostet extra.» Dazu kommen neue Filter, womöglich eine Einspritzpumpe, neue Einspritzdüsen, die Nockenwelle … kurz: kein teurer, sondern überhaupt kein Spass.
Das alles muss der Falschtanker still in sich hineinfressen. Zu blöd steht er mit dem Versehen da. Im Internet findet er immerhin Betroffene gleich ihm.
«Morjen Falschtanker», begrüsst einer schon früh seine Leidensgenossen der AFT (Anonyme Falsch-Tanker). «Moin Benzinabsauger», antwortet der Zweite. «Ja», schreibt der Erste zurück, «der Geruch von Benzin im Tank eines Dieselfahrzeugs hat schon was Gruseliges.» Der Dritte aber will nicht schon wieder geweckt werden mit dem alten Frust: «Besser schlecht getankt als gut verdurstet.»