Braunbären sind Allesfresser: Sie vertilgen je nach Jahreszeit Pflanzen, Pilze, Beeren, kleine und grössere Säugetiere, aber auch Fische, Insekten und Aas. Ganz anders war das beim eiszeitlichen Verwandten von Meister Petz: Der Höhlenbär war nach neusten Erkenntnissen trotz seiner furchteinflössenden Grösse ein reiner Veganer.
Doch die grüne Kost bekam dem Koloss auf vier Pfoten auf die Dauer nicht: Etwa vor 25'000 Jahren starb der Höhlenbär (Ursus spelaeus) aus, der seit 400'000 Jahren die eiszeitlichen Gefilde Europas von Nordspanien bis zum Ural durchstreift hatte.
Nach Einschätzung von Experten der Senckenberg-Forschungsgesellschaft dürfte der Gigant seiner unflexiblen veganen Ernährung zum Opfer gefallen sein. Anders als der mit ihm verwandte heutige Braunbär sei er anfälliger für Umweltveränderungen gewesen, berichtete das Forscherteam.
«Uns hat besonders interessiert, was die Bären gefressen haben und ob es Zusammenhänge zwischen ihrer Ernährungsweise und ihrem Aussterben gab», erläuterte Professor Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) an der Universität Tübingen.
Die Wissenschaftler verwiesen in einem Beitrag für die Zeitschrift «Journal of Quaternary Science» auf die Untersuchung der Zusammensetzung bestimmter Aminosäuren im Bindegewebe alter Höhlenbär-Skelette, wie die Forschungsgesellschaft mitteilte.
Die Forscher analysierten den Isotopengehalt von Kollagen in Bärenknochen aus den Höhlen von Goyet in Belgien. Stickstoff- und Kohlenstoffatome aus der Nahrung gelangen zu Lebzeiten eines Tieres ins Körpergewebe. Unter anderem werden sie auch in Aminosäuren des Kollagens eingebaut. Pflanzliche und tierische Nahrung enthalten jeweils verschiedene Isotopen-Verhältnisse dieser Elemente. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Ernährung.
Demnach waren die Höhlenbären keine Fleischfresser – und sie waren auch keine Allesfresser wie die heutigen Braunbären. «Nach unseren Erkenntnissen waren diese ausgestorbenen Verwandten des Braunbären reine Veganer», sagt Bocherens.
«Ähnlich wie der heutige Pandabär waren die Höhlenbären demnach sehr unflexibel, was ihre Nahrung betrifft.» Diese einseitige Ernährungsweise habe in Kombination mit dem geringeren Pflanzenangebot während der letzten Eiszeit letztlich zum Aussterben der Höhlenbären geführt.
Der Höhlenbär war mit einer Schulterhöhe von 1,70 Meter und einer Länge von 3,50 Meter deutlich grösser als sein heute noch lebender Verwandter, der Braunbär. Einige Exemplare waren über eine Tonne schwer. Anders als sein Name nahelegt, lebte er aber nicht in Höhlen; ähnlich wie andere Bären suchte er diese nur auf, um Winterruhe zu halten.
Manchmal wurde aus der Höhle jedoch ein Grab: Im Laufe der Jahrtausende verendeten immer wieder einzelne Tiere, und so sammelten sich riesige Bärenknochenlager in Höhlen an. Dies deuteten frühere Naturforscher als Beleg dafür, dass die Tiere in Höhlen lebten. So kam der Höhlenbär zu seinem Namen.
Über die Gründe des Aussterbens der grossen Bären wird seit Langem spekuliert. Auch die zunehmende Bejagung durch Menschen und Temperaturänderungen gelten nach Angaben der Senckenberg-Experten als mögliche Faktoren. Sie kämen aufgrund ihrer Ergebnisse aber zu anderen Schlüssen. «Wir denken, dass die Bindung an eine rein vegane Lebensweise der ausschlaggebende Punkt für das Aussterben der Höhlenbären war», teilte Bocherens mit. (dhr/sda/afp)