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«Lebensmittel wegwerfen? Ich doch nicht!» Oder: Wie unsere Wahrnehmung und unser Verhalten auseinanderklaffen

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Food Waste

«Lebensmittel wegwerfen? Ich doch nicht!» Oder: Wie unsere Wahrnehmung und unser Verhalten auseinanderklaffen

In der Schweiz landen jährlich über 2 Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall. Schuld daran sind die anderen – meinen wir. Dabei könnten wir selber am meisten dagegen tun.
18.06.2014, 14:2519.06.2014, 02:54
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Lebensmittelverschwendung ist ein Thema, das uns alle betrifft, zu dem es aber noch kaum statistische Erhebungen gibt. Unbekannt ist beispielsweise, ob das Phänomen in den letzten Jahren hierzulande zu- oder abgenommen hat. Im Jahr 2012 wurden zum ersten Mal Daten dazu erhoben. 

Laut der unabhängigen Informations- und Dialogplattform Foodwaste.ch wird in der Schweiz ein Drittel aller produzierten Lebensmittel gar nie konsumiert. Jährlich landen 2,3 Millionen Tonnen Esswaren im Abfallkübel. Jede in der Schweiz wohnhafte Person wirft pro Jahr etwa 300 Kilo einwandfreie Lebensmittel weg.

Um herauszufinden, wie die Bevölkerung zu dem Thema steht und welches Bewusstsein dazu herrscht, führte das Bundesamt für Umwelt gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut gfs.bern eine Umfrage durch. 

Grosser Handlungsbedarf

Dabei zeigte sich zunächst, dass die Lebensmittelverschwendung ganz grundsätzlich als ein Problem angesehen wird, bei dem grosser Handlungsbedarf vorliegt.

Frage: «Mit welchem Einsatz muss man sich Ihrer Meinung nach in der Schweiz in den nächsten Jahren um das Problem der Lebensmittelverschwendung kümmern?»

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Grafik: Infogram, Daten: Bundesamt für Umwelt, gfs.bern

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Wer schuld daran ist

Um ein Problem bekämpfen zu können, muss man erst einmal herausfinden, wer die Verursacher sind. Auch dazu wurden die Leute befragt: Immerhin ein gutes Viertel sieht die Schuld bei den privaten Haushalten.

Frage: «Wer ist aus Ihrer Sicht in der Schweiz der Hauptverursacher von Lebensmittelabfällen?»

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Grafik: Infogram, Daten: Bundesamt für Umwelt, gfs.bern

In Wahrheit geht jedoch fast die Hälfte des produzierten Lebensmittelabfalls auf die Kappe der privaten Haushalte. Die andere Hälfte wird von den Produzenten selber verursacht. Hingegen sind Gross- und Detailhandel sowie die Gastronomie geradezu sparsam.

Das sind die Hauptverursacher von Lebensmittelabfällen in der Schweiz

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Grafik: Infogram, Daten: foodwaste.ch

Die 43 Prozent aus dem Bereich «Nahrungsmittel-Produzenten» splitten sich folgendermassen auf: 13 Prozent Abfall entstehen in der Landwirtschaft, wenn ein Teil der durchaus essbaren Ware beispielsweise aus ästhetischen Gründen noch auf dem Hof aussortiert wird. Die restlichen 30 Prozent entstehen bei der Verarbeitung, wenn es zum Beispiel durch Nachfrageschwankungen zur Überproduktion und dadurch zu Verlusten kommt.

Ein Problem der Anderen

Auffällig wurde bei der Bevölkerungsbefragung auch der Unterschied zwischen der Selbst- und der Fremdeinschätzung. Mehr als 80 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass bei ihnen zu Hause sehr wenig oder eher wenig Lebensmittel im Abfall landen.

Frage: «Wie viele Lebensmittel landen Ihrem Eindruck nach bei Ihnen zu Hause im Abfall?»

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Grafik: Infogram, Daten: Bundesamt für Umwelt, gfs.bern

Bezogen auf die gesamte Schweiz sah die Antwort jedoch völlig anders aus: Mehr als die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Schweizer Bevölkerung eher viel oder gar sehr viel Lebensmittel wegwirft.

Frage: «Wie viele Lebensmittel landen Ihrem Eindruck nach in der gesamten Schweiz im Abfall?»

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Grafik: Infogram, Daten: Bundesamt für Umwelt, gfs.bern

Martina Blaser vom Bundesamt für Umwelt leitete aus diesen Ergebnissen am diesjährigen Food Waste Forum im Zollikofen folgende Hypothesen ab: 

  • Ernährung ist ganz grundsätzlich ein viel diskutiertes Thema, Lebensmittelverschwendung aber nicht.
  • Disziplin rund um das Thema Ernährung ist da, die Reduktion von Food Waste ist aber kein dominierender Anspruch. Die Menschen sehen es zwar als Problem, es gibt aber keinen direkten Zusammenhang zum eigenen Verhalten.
  • Food Waste ist ein Problem der Anderen. Daraus resultiert: Wenn man sich nicht als Teil des Problems sieht, wird man auch nicht Teil der Lösung.
  • Die Einstellung zum Thema Food Waste beruht auch auf Falschwissen: Die Menschen wissen beispielsweise nicht, wer in Wahrheit die Hauptverursacher sind.
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