Etwa um 1970 erreichte der durchschnittliche Wasserverbrauch in der Schweiz einen Höhepunkt. Rund 500 Liter pro Tag und Kopf rauschten damals durch die Leitungen. Seit Mitte der Achtzigerjahre aber geht der Verbrauch stetig zurück: Mittlerweile sind es nur noch rund 300 Liter pro Tag und Kopf, weniger als 1945. Damit liegt die Schweiz weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder (siehe Grafik unten).
Der starke Rückgang, der trotz der Bevölkerungszunahme von 6,3 Millionen (1980) auf 8 Millionen (2012) auch in absoluten Zahlen stattfand, hat zum einen mit dem Strukturwandel in der Wirtschaft zu tun, wie Christoph Meier vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) erklärt: Wasserintensive Industriezweige wie die Schwer-, Textil- und Papierindustrie haben seit 1985 an Bedeutung verloren. Ebenfalls dazu beigetragen hat überdies die Erneuerung der Infrastruktur: In neueren Leitungen sind die Verluste laut Meier kleiner.
Zugleich machte sich aber auch die Verbreitung wassersparender Geräte und Armaturen in den Haushalten deutlich bemerkbar. Und auch die Konsumenten scheinen sich die Wasserspartipps von Umwe und ltorganisationenWasserwerken zu Herzen genommen zu haben: Beim Zähneputzen drehen viele Leute reflexartig den Hahn zu.
Ist das aber wirklich so sinnvoll, wie es auf den ersten Blick scheint? Wasser ist zwar mit Sicherheit eine lebenswichtige Ressource, aber in unseren Breiten im Überfluss vorhanden: Auf die Schweiz fallen jedes Jahr im Durchschnitt 60,1 Milliarden Kubikmeter Wasser, davon werden nur gerade zwei Prozent für die Trinkwasserversorgung genutzt.
Vor allem aber kann der sinkende Verbrauch unerwartete Probleme verursachen. In Berlin sind durch die geringe Auslastung in den Abwässerkanälen Schäden entstanden und an heissen Tagen ist der Gestank unverkennbar. Die Feuerwehr muss dann die Rohre spülen, damit sie nicht verstopfen.
Dies geschieht auch in der Schweiz. «Die Infrastruktur muss auch bei hohem Bedarf funktionieren und ist entsprechend dimensioniert», sagt Christoph Meier. «Wenn in der Kanalisation zu wenig Wasser fliesst, muss nachgespült werden, denn das Abwasser sollte nicht stehen.» Dies sei freilich kein häufiges Problem, beruhigt Meier.
Auch Hans Gonella von der Wasserversorgung Zürich sieht im Rückgang des Wasserverbrauchs kein schwerwiegendes Problem. Zwar habe man in der Schweiz – wie übrigens fast überall in Europa – Schwemmwasserkanalisationen. Doch nur in überdimensionierten Leitungen komme es dazu, dass das Abwasser nicht ausreiche. Und in Altbauten könnten Rohre eher rosten.
Gonella will denn auch weder zum Wassersparen noch zum Mehrverbrauch aufrufen. Die Wasserversorgung nehme hier einen neutralen Standpunkt ein. Hingegen sei klar, dass bei reduziertem Warmwasserverbrauch sehr viel Energie gespart werden könne, betont Gonella.
Darauf weist auch Meier hin. Wasser an sich sei in der Schweiz kein rares Gut, doch vor allem beim Warmwasser, aber auch bei der Aufbereitung von Trinkwasser könne Energie gespart werden. «Für die Zukunft einer sicheren Wasserversorgung ist es wichtiger, dass man vor allem der Wasserqualität und weniger der Quantität die nötige Beachtung schenkt», erläutert Meier.
Ohnehin ist jenes Wasser, das wir durch die Leitungen rauschen lassen, nur ein Teil unseres wahren Verbrauchs – unseres Wasserfussabdrucks. Stark ins Gewicht fällt auch das sogenannte virtuelle Wasser. Das ist die Wassermenge, die bei der Herstellung eines Produkts verbraucht wurde. Bei der Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch werden beispielsweise 15'000 Liter Wasser verbraucht (im globalen Durchschnitt).
Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil wir mit solchen Produkten zum Teil virtuelles Wasser aus Gebieten importieren, die – ganz im Gegensatz zur Schweiz – unter Wassermangel leiden. Manche Wissenschaftler wie zum Beispiel der emeritierte Agrarprofessor Hans-Georg Frede finden es deshalb sinnvoller, wenn wir im Winter keine Erdbeeren im Supermarkt kaufen, als wenn wir beim Zähneputzen den Wasserhahn zudrehen.