Herr Knop, es scheint heute so kompliziert, sich richtig zu ernähren. Ist es das?
Uwe Knop: Eben nicht! Oder finden Sie etwa Sex kompliziert?
Wie jetzt? Natürlich nicht!
Sehr gut, denn Essen ist wie Sex – etwas, dass man dann tut, wenn man Lust darauf hat, und so tut, wie man es gerne mag. Genau so sollten wir essen: Dann, wenn wir Hunger haben, das, worauf wir echte Lust haben und was uns gut schmeckt.
Aber was ist, wenn ich jeden Tag Lust auf Pommes hab?
Was ist so schlimm an Pommes? An Fast Food gibt es nichts auszusetzen. Die Dosis macht das Gift. Kein Essen macht dick, krank oder schlank. Essen Sie einfach alles, worauf Sie Lust haben – wenn Sie Hunger haben. Niemand isst jeden Tag das Gleiche. Unser Körper leitet uns dabei an.
Wie merke ich, dass mein Körper zufrieden ist?
Sie haben alles richtig gemacht, wenn das Stöhnen kommt, so ähnlich wie beim Sex, nur anders.
Ähm, welches Stöhnen?
Kennen Sie das Stöhnen nicht? Dieses Stöhnen aus der Tiefe des Bauches, wenn Sie etwas essen, das Ihnen besonders gut schmeckt. Essen ist der Urtrieb schlechthin.
Ich werde mich mal darauf achten. Und in der Zwischenzeit soll ich also alles vergessen, was ich über Ernährung weiss und wild darauf los essen?
Dann sind Sie auf dem richtigen Weg! Es gibt keine allgemein gültigen Ernährungsregeln. Es ist nicht die Frage, was Sie essen, sondern warum Sie essen. Und auch höchstens dieses Warum kann das Essverhalten aus dem Gleichgewicht bringen. Sie sollten nicht aus Frust, Stress oder Langeweile essen, sondern einzig und allein aus Hunger und Lust. Hören Sie auf Ihren Körper und vertrauen Sie ihm. Glauben Sie keinen Ernährungspäpsten oder -gurus.
Also weg mit der Ernährungswissenschaft?
Betrachtet man die Erkenntnisse dieser «Pseudowissenschaft», so lautet das Fazit: Ernährungswissenschaft gleicht fast immer Glaskugel-Lesen. Und diese Glaskugel gehört eingemottet.
Sie als Ernährungsforscher bezeichnen Ihr eigenes Feld als Glaskugel-Lesen?
Ich habe die Ernährungswissenschaft auf der Metaebene untersucht und über tausend Studien analysiert. Mein wichtigstes Resultat: Es gibt keinen einzigen Beweis für ihre Resultate. Es gibt keinen Beweis, dass beispielsweise besonders viel Obst und Gemüse gesund ist, zu viel Fleisch ungesund oder Salz für Bluthochdruck oder sonstige Krankheiten verantwortlich ist. Kein gesunder Mensch braucht Ernährungswissenschaft.
Eine Wissenschaft ohne gültige Resultate?
Ja. Die Ernährungswissenschaft basiert fast ausschliesslich auf Beobachtungsstudien, liefert also nur statistische Zusammenhänge, die ausschliesslich Vermutungen erlauben, die nicht klinisch überprüfbar sind.
Können Sie ein Beispiel nennen?
100'000 Menschen werden nach ihrem Essverhalten befragt. Ob die Eigenangaben wahr sind, ist nicht nachprüfbar, also ist die Datengrundlage nicht valide. Nun wird nach zehn Jahren beobachtet, dass die Probanden mit dem höchsten Bananenverzehr am längsten leben. Und wenn dann aufgrund dieser Korrelation fälschlicherweise Kausalitäten hergestellt werden, lautet die nächste Schlagzeile: «Bananen verlängern das Leben».
Na toll.
Ja, wir fallen da auf eine «Pseudowissenschaft» herein, die von Ernährungsgesellschaften und -lobbyisten genutzt wird, um Ernährungswissenschaft als «wichtig für die Volksgesundheit» zu positionieren. Denn da stecken grosse finanzielle Interessen dahinter, die Töpfe staatlicher Fördergelder sind voll.
Aus diesem Grund ist Essen plötzlich nicht mehr einfach.
Deswegen und auch weil Nahrungsmittel heute zu Marketingzwecken mit Mythen aufgeladen werden, die Gesundheit oder Identifikation versprechen.
Meinen Sie damit auch vegetarische oder vegane Lebensweisen?
Ja, diese Ernährungsformen nehmen die Züge von Ersatzreligionen an. Es gibt noch extremere Typen, die mit sehr speziellen Ernährungsformen vornehmlich ihre Persönlichkeit definieren, beispielsweise die Rohköstler oder Steinzeit-Esser. Eher harmlos erscheinen dagegen die Low-Carb-Jünger, die glauben, mit wenig Kohlenhydraten sei der «goldene Weg zum Ernährungsglück» gefunden. Dabei wäre es so einfach: Essen Sie doch einfach, was Sie wollen!
Jol Bear
Tanuki
dracului