Herr Knop, es scheint heute so kompliziert, sich richtig zu ernähren. Ist es das? Uwe Knop: Eben nicht! Oder finden Sie etwa Sex kompliziert?
Wie jetzt? Natürlich nicht! Sehr gut, denn Essen ist wie Sex – etwas, dass man dann tut, wenn man Lust darauf hat, und so tut, wie man es gerne mag. Genau so sollten wir essen: Dann, wenn wir Hunger haben, das, worauf wir echte Lust haben und was uns gut schmeckt.
Aber was ist, wenn ich jeden Tag Lust auf Pommes hab? Was ist so schlimm an Pommes? An Fast Food gibt es nichts auszusetzen. Die Dosis macht das Gift. Kein Essen macht dick, krank oder schlank. Essen Sie einfach alles, worauf Sie Lust haben – wenn Sie Hunger haben. Niemand isst jeden Tag das Gleiche. Unser Körper leitet uns dabei an.
Wie merke ich, dass mein Körper zufrieden ist? Sie haben alles richtig gemacht, wenn das Stöhnen kommt, so ähnlich wie beim Sex, nur anders.
Ähm, welches Stöhnen? Kennen Sie das Stöhnen nicht? Dieses Stöhnen aus der Tiefe des Bauches, wenn Sie etwas essen, das Ihnen besonders gut schmeckt. Essen ist der Urtrieb schlechthin.
Uwe Knop, Autor des Buches: «Esst doch, was ihr wollt.»Bild: zvg
Zur Person
Uwe Knop ist Diplom-Ernährungswissenschaftler und Medizin-PR-Experte. Der 43-jährige hat die Bücher «Hunger & Lust» und «Esst doch, was ihr wollt» geschrieben. Seit 1998 ist er im PR- und Kommunikationsbereich der Ernährungs-, Medizin- und Pharmabranche tätig.
Ich werde mich mal darauf achten. Und in der Zwischenzeit soll ich also alles vergessen, was ich über Ernährung weiss und wild darauf los essen? Dann sind Sie auf dem richtigen Weg! Es gibt keine allgemein gültigen Ernährungsregeln. Es ist nicht die Frage, was Sie essen, sondern warum Sie essen. Und auch höchstens dieses Warum kann das Essverhalten aus dem Gleichgewicht bringen. Sie sollten nicht aus Frust, Stress oder Langeweile essen, sondern einzig und allein aus Hunger und Lust. Hören Sie auf Ihren Körper und vertrauen Sie ihm. Glauben Sie keinen Ernährungspäpsten oder -gurus.
Also weg mit der Ernährungswissenschaft? Betrachtet man die Erkenntnisse dieser «Pseudowissenschaft», so lautet das Fazit: Ernährungswissenschaft gleicht fast immer Glaskugel-Lesen. Und diese Glaskugel gehört eingemottet.
Sie als Ernährungsforscher bezeichnen Ihr eigenes Feld als Glaskugel-Lesen? Ich habe die Ernährungswissenschaft auf der Metaebene untersucht und über tausend Studien analysiert. Mein wichtigstes Resultat: Es gibt keinen einzigen Beweis für ihre Resultate. Es gibt keinen Beweis, dass beispielsweise besonders viel Obst und Gemüse gesund ist, zu viel Fleisch ungesund oder Salz für Bluthochdruck oder sonstige Krankheiten verantwortlich ist. Kein gesunder Mensch braucht Ernährungswissenschaft.
Eine Wissenschaft ohne gültige Resultate? Ja. Die Ernährungswissenschaft basiert fast ausschliesslich auf Beobachtungsstudien, liefert also nur statistische Zusammenhänge, die ausschliesslich Vermutungen erlauben, die nicht klinisch überprüfbar sind.
Können Sie ein Beispiel nennen? 100'000 Menschen werden nach ihrem Essverhalten befragt. Ob die Eigenangaben wahr sind, ist nicht nachprüfbar, also ist die Datengrundlage nicht valide. Nun wird nach zehn Jahren beobachtet, dass die Probanden mit dem höchsten Bananenverzehr am längsten leben. Und wenn dann aufgrund dieser Korrelation fälschlicherweise Kausalitäten hergestellt werden, lautet die nächste Schlagzeile: «Bananen verlängern das Leben».
Na toll. Ja, wir fallen da auf eine «Pseudowissenschaft» herein, die von Ernährungsgesellschaften und -lobbyisten genutzt wird, um Ernährungswissenschaft als «wichtig für die Volksgesundheit» zu positionieren. Denn da stecken grosse finanzielle Interessen dahinter, die Töpfe staatlicher Fördergelder sind voll.
Aus diesem Grund ist Essen plötzlich nicht mehr einfach. Deswegen und auch weil Nahrungsmittel heute zu Marketingzwecken mit Mythen aufgeladen werden, die Gesundheit oder Identifikation versprechen.
Meinen Sie damit auch vegetarische oder vegane Lebensweisen?
Ja, diese Ernährungsformen nehmen die Züge von Ersatzreligionen an. Es gibt noch extremere Typen, die mit sehr speziellen Ernährungsformen vornehmlich ihre Persönlichkeit definieren, beispielsweise die Rohköstler oder Steinzeit-Esser. Eher harmlos erscheinen dagegen die Low-Carb-Jünger, die glauben, mit wenig Kohlenhydraten sei der «goldene Weg zum Ernährungsglück» gefunden. Dabei wäre es so einfach: Essen Sie doch einfach, was Sie wollen!
Grösste Bio-Vielfalt der Schweiz
1993 lancierte Coop die erste Bio-Marke des Schweizer Detailhandels. Dank des Engagements für Bio ohne Kompromisse füllten sich im Laufe der letzten 20 Jahre die Coop-Regale mit den grünen Naturaplan-Produkten. Mit diesen heute mehr als 1700 Produkten gibt es praktisch keinen Bereich mehr ohne Bio-Alternative.
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Die beliebtesten Kommentare
Jol Bear
19.07.2015 22:07registriert Februar 2014
Die Haltung von Knop ist nicht abwegig. Allerdings scheint mir, dass viele aufgrund unserer Essgewohnheiten ein wirkliches Hungergefühl gar nicht mehr kennen. Man isst zu fixen Zeiten und auch zwischendurch, je nachdem, was gerade verfügbar ist. Das Essen erfolgt nicht nach dem effektiven Bedarf des Körpers, d.h. zu Zeit und in Mengen, die auf den Bedarf abgestimmt sind. Wahrscheinlich sollten wir eher wieder lernen Hunger- und Sättigungsempfinden zu entwickeln und die Esserei darauf abzustimmen. Ist aber schwierig beim heutzutage permanent und in riesigen Mengen billig verfügbaren Kalorienangebot hierzulande.
Tia, der Mann hätte sicher recht wenn unser Essen noch so wäre wie vor 50 Jahren. Leider ist es nicht mehr so. Gerade Fastfood ist heute so gemacht, dass die Leute regelrecht süchtig danach werden. Auf den Körper zu hören geht da leider nicht mehr.
Gerade in der heutigen Zeit finde ich solche "Tipps" gefährlich, da wir längst das natürliche Körpergefühl verloren haben z.B. den Bewegungsdrang. Der Körper braucht eine ausgewogene Ernährung und man sollte eben nur so viele Kalorien zuführen, wie man verbrauchen kann. Heute sind die meisten Körper zudem längst an übermässig viel Zucker und zu viel Salz gewöhnt. Bevor wir nach "Lust und Laune" leben können, müssen diese Abhängigkeiten beseitigen und den natürlichen Bewegungsdrang wieder finden.
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