Der Kontrast könnte nicht grösser sein. Hier der Glasturm Primetower, dort das Luxushotel Renaissance und dazwischen eingeklemmt ein hundertfünfzig Jahre altes Häuschen.
Das Haus wäre längst weg, wenn sich die Mieter und Besitzer nicht dagegen gewehrt hätten. Jetzt hat das Bundesgericht entschieden, dass es endgültig abgerissen werden muss.
Wenn sich Bewohner und Hausbesitzer gegen den Abriss ihrer Liegenschaft wehren, dann wird diese «Nagelhaus» genannt. Der Begriff kommt daher, weil das Haus oft alleine und verloren – wie ein Nagel – in einer Baugrube oder wie in diesem Fall, in einer Neubaulandschaft steht.
Das weltweit wohl bekannteste Nagelhaus stand in China. Bilder davon gingen um die ganze Welt und es wurde als Ikone des Protestes gegen Zwangsenteignungen und -umsiedlungen gefeiert.
Dieses Nagelhaus war derart bekannt, dass der Künstler Thomas Demand vor vier Jahren eine Kopie davon auf den Zürcher Escher-Wyss-Platz stellen wollte. Der Stadtrat war begeistert und budgetierte dafür 5.9 Millionen Franken. Einzig das Stimmvolk verhinderte den Bau.
Der Zufall will nun, dass ein paar Jahre später und keine fünfhundert Meter davon entfernt, ein echtes Zürcher Nagelhaus steht. Es wäre also ein einfaches, jetzt doch noch und ganz umsonst zu einem authentischen Kunstwerk zu kommen. Aber das Tiefbauamt der Stadt Zürich, das damals für das Kunstprojekt Pate stand, unterstützte den Kanton bei der Enteignung.
War das damalige Kunstprojekt reine Effekthascherei, bei der der Protest nur als billiger Kitsch herhalten musste? Ist die Stadtregierung und Verwaltung nur fähig, sich mit Protesten zu identifizieren, die weit weg stattfinden?
Diese Fragen werden nur deshalb aufgeworfen, weil die Stadtverwaltung damals den Nachbau eines Nagelhauses auf den Escher-Wyss-Platz stellen wollte. Die Förderung dieser Diskussion ist ihr deshalb zu Gute zu halten.
Wenn damals jedoch nur ein Funken hehre Absichten hinter dem Kunstprojekt steckte, dann sollte sich die Stadt beim Zürcher Nagelhaus viel stärker um eine gütliche Beilegung des Konfliktes bemühen.
Aus Zürich-West soll weder ein Freilichtmuseum Ballenberg noch ein Retortenquartier werden. Dies beweist die Stadt – mehr oder weniger gelungen – bei der Integration von Industriebauten ins Quartierbild (zum Beispiel beim Schiffbau und Puls5). Aber gegen den Willen der Besitzer ein altes Wohnhaus zu schleifen und dies, nur um eine Zufahrtstrasse zu bauen, kann nicht angehen.
Wieso kann sich die Stadt nicht darum bemühen, die Klassierung der Pfingstweidstrasse zu ändern? Sie wird wohl nicht auf immer und ewig der Autobahnzubringer bleiben, der sie heute ist.
Wieso kann die Stadt dieses Nagelhaus nicht abbauen – da es nun definitiv weg muss – und auf dem Escher-Wyss-Platz wieder aufbauen? Gut möglich, dass das Zürcher Stimmvolk dieser lokalen Protest-Ikone mehr Goodwill entgegen bringen würde, als einer Kopie aus China.
Es wäre wohl das gescheiteste, wenn wir die betreffenden Stellen mit diesen Fragen konfrontieren. Stay tuned...