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«Er war hinreissend, frei, ein wahrhaft Autonomer»: Zum Tod von Roger Willemsen

«Er war hinreissend, frei, ein wahrhaft Autonomer»: Zum Tod von Roger Willemsen

08.02.2016, 15:1704.04.2016, 16:41
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Roger Willemsen im Jahre 2004 in Zürich.
Roger Willemsen im Jahre 2004 in Zürich.
Bild: KEYSTONE

Er war einer der liebenswürdigsten Menschen der deutschen Medienbranche. Er ätzte trotzdem gerne gegen Heidi Klum und prügelte sich verbal mit Til Schweiger. Und: Der Moderator und Autor Roger Willemsen glänzte auch im Schweizer Fernsehen, als er von 2004 bis 2006 durch den «Literaturclub» führte. Die Literaturwissenschaftlerin Corina Caduff, die damals im «Literaturclub» mitargumentierte, schreibt uns:

«Er war ein hinreissender Gesprächspartner, vor der Kamera und auch neben ihr, warm und extrem leistungsfähig. Einmal sagte er, wie verrückt doch das Wort ‹mutterseelenallein› sei, und wir studierten an einer möglichen Etymologie herum. Er war Personen und Dingen leidenschaftlich zugewandt, ohne sich in sie bis ins Letzte zu involvieren. Er blieb frei, ein wahrhaft Autonomer, ein Hochbegabter, ein Einzigartiger.»

Willemsen gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen. Beliebt waren vor allem seine essayistischen Reisebücher. 2010 veröffentlichte er das Buch «Die Enden der Welt». Darin berichtete er von 22 seiner Reisen von Bombay bis in die Eifel, durch Bordelle und Idylle. Zuletzt landete er mit seinem Buch «Das Hohe Haus» (2014) einen Bestseller. Dafür hatte er ein Jahr lang als Zuhörer das Geschehen im Bundestag verfolgt.

Im April 2015 sprach Willemsen mit dem SRF in «Sternstunde Philosophie» über den Tod.
YouTube/SRF Kultur

Nach dem Abitur studierte Willemsen zunächst Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. 1984 promovierte er mit einer Doktorarbeit über Robert Musil und arbeitete zunächst als Assistent an der Universität München sowie als freier Autor und Übersetzer. Der Fernsehdurchbruch gelang ihm ab 1991, als Willemsen von dem Hamburger Pay-TV-Sender Premiere als Moderator für das Interviewmagazin «0137» verpflichtet wurde. Er lud dort Prominente wie Audrey Hepburn zum Gespräch, aber auch einen entflohenen Bankräuber. 1993 erhielt er dafür den Grimme-Preis.

Willemsen engagierte sich für verschiedene soziale Organisationen wie etwa Amnesty International und war Mitglied von «Attac». Im August 2015 erfuhr er am Tag nach seinem 60. Geburtstag von seiner Krankheit. Danach trat er nicht mehr öffentlich auf. Am Sonntag starb er zuhause in der Nähe von Hamburg.

Zitate von Roger Willemsen:

«Das Leben kann man nicht verlängern, nur verdichten.»
«Soziale Fragen löst man, indem man asozialen Fragern den Lebensraum entzieht.»
«Im Augenblick, als die Welt ihren Sinn verlor, entdeckte die Werbung die Heilsbotschaft.»
«Liebeskummer ist ein stärkeres Gefühl als die Liebe selbst.»

Die Trauer auf Twitter ist gross:

(phi/sme/SPON)

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mnemonic
08.02.2016 18:34registriert Mai 2015
Jammerschade. Der Mann hatte echt Format. :-(
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Livelifelike
08.02.2016 20:35registriert Juli 2014
Ein grosser Verlust :-(
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