Bruno Spoerri ist in der Schweiz seit gestern weltberühmt. Jay-Z und sein Produzent Timbaland haben sein Sample «On the Way» auf ihrer Hitplatte «Magna Carta Holy Grail» eingebaut. Und zwar eine ganze Minute lang. Spoerri betont im Gespräch mit watson, dass es ihm nicht ums Geld, sondern um Anerkennung gehe. Dennoch verhandelt sein Produzent, der englische DJ Andy Votel, mit Timbaland Productions in New York über eine angemessene Entschädigung.
Sollten diese Verhandlungen nichts fruchten, raten von watson angefragte Schweizer Anwälte zu einer Klage in den USA. Michal Kobsa von der Zürcher Kanzlei Hauser & Hauser, bestätigt, dass Gerichte in den USA generell meist höhere Schadenersatz- und Genugtuungsbeträge für Urheberrechtsverletzungen zusprechen als in der Schweiz.
«Es gibt dort sogenannte ‹punitive damages›, die weit über den in der Schweiz maximal beweisbaren Schadensbeträgen liegen, zumindest nach bisheriger Praxis des Bundesgerichtes», ergänzt Kobsa. Zudem sei es nach amerikanischem Recht einfacher, herauszufinden, wie viel jemand mit einem widerrechtlich angeeigneten Stück Musik oder Film verdient habe, um diesen unrechtmässigen Gewinn einzufordern.
Keiner der angefragten Schweizer Anwälte wollte namentlich über Summen spekulieren, die Spoerri in einem Prozess vor einem amerikanischen Gericht von Jay-Z und Timbaland erstreiten könnte.
Einer, der auf dem Gebiet über einen reichen Erfahrungsschatz verfügt, stellt jedoch nach Studium der Youtube-Clips des Originals von Spoerri und der Kopie von Jay-Z folgende Berechnungsformel zu Handen von watson auf:
«10 Prozent Urheberrechtsanteil am erzielten Umsatz (angenommener durchschnittlicher Verkaufspreis pro Tonträger von 25 Dollar) geteilt durch 59 (Anteil geschützte Musik von einer Minute an Gesamtlänge des Albums von 59 Minuten) und in den USA dann noch multipliziert mit 3 bis 5 (Punitive Damages) – da kommt schön was zusammen.»
Mit dieser Formel berechnet, müsste Spoerri zwischen 160'000 und 450'000 Franken erstreiten können.
Jay-Z hat eine Million Alben bereits vor Verkaufsstart an Samsung zur Vorinstallation auf Handys verkauft. Zusätzlich hat sich die Platte bis heute rund 1,105 Millionen Mal alleine in den USA verkauft. Das macht rund 2,1 Millionen verkaufte Alben.
Rechnet man mit einem Preis von 25 Dollar pro Album, hat Jay-Z 52,5 Millionen eingenommen. Ein 59stel davon sind 88'983 Franken. Multipliziert man die mit dem Punitive Damage vom Faktor 5 kommt man auf 444'951 Dollar.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass Jay-Z im Schnitt nur 15 Dollar pro Album verlangt hat, und einen Punitive-Damage-Faktor von 3 benutzt, kommt man noch auf 160'169 Dollar, die Spoerri überwiesen werden müssten. Man kann sowohl den Punitive-Damage-Faktor, als auch den Kaufpreis für das Album auswechseln, und kommt bei beiden Rechnungen auf einen Betrag von rund 266'000.
Laut Anwalt Kobsa sind die Chancen Spoerris in den USA aus mehreren Gründen grösser auf dem Rechtsweg an diese Beträge zu kommen, als hierzulande. «In der Schweiz wird nur nach der sogenannten formellen Wahrheit gesucht, der Richter urteilt strikt nach den formell erbrachten Beweisen, selbst wenn es offenkundig ist, dass die materielle Wahrheit eine andere ist, die Beweismittel aber von der beklagten Partei nicht herausgegeben wurden», erläutert Kobsa.
In den USA sei die Beweiserhebung viel einfacher. Schon vorprozessual können viele Beweismittel von der beklagten Partei verlangt werden, angefangen bei E-Mails bis zu Verträgen und Buchhaltungen – zum Zweck, die materielle Wahrheit zu finden, die dort eine Rolle spielt. Kobsa: «Ein Nachteil ist aber, dass die Anwaltskosten in den USA noch höher sind als in der Schweiz.»
Sämtliche von watson angefragten Anwälte weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Anwaltskosten in den USA sehr hoch sind, der Ausgang eines Prozesses nie sicher und die Berechnung des Urheberrechtsanteils auch von musikwissenschaftlichen Gutachten abhängen kann.
Dies ist mit ein Grund, weshalb keiner der Experten mit Namen eine Schätzung abgeben wollte, wie sie watson oben aufstellt.