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Grüne Nationalrätin will Einweg-Plastiksäckli komplett verbieten

Weil sie bald gratis sein könnten: Grüne Nationalrätin will Einweg-Plastiksäckli verbieten

Seit 2016 kosten Einweg-Plastiksäckli bei den Schweizer Detailhändlern fünf Rappen. Die Nachfrage ist seither um fast 90 Prozent zurückgegangen. Ende Jahr könnten die Säckchen wieder gratis werden. Zum grossen Missfallen von Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter.
11.06.2025, 17:4611.06.2025, 17:56
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Wer kennt es nicht: Nach der Arbeit auf dem Nachhauseweg noch kurz einkaufen gehen. Kein Grosseinkauf, nur ein paar Zutaten für das Abendessen. Eine Papier-Tragtasche wäre zu gross. Das Einweg-Plastiksäckli reicht aus. Also her mit dem Plastik.

So handhabten dies viele Leute in der Schweiz. Bis sich die Detailhändler 2016 verpflichtet haben, die Plastiksäckli nicht mehr gratis abzugeben. Durch diese Vereinbarung mit der Politik konnten sie eine gesetzliche Regelung verhindern.

Die Folge: 2016 nahmen die Menschen in Einkaufsläden 417 Millionen Einweg-Plastiksäckli mit. 2024 waren es noch 51 Millionen. Die fünf Rappen führten zu einem Rückgang des Säckli-Verbrauchs von 88 Prozent.

Coop Kasse Saeckli
Der Absatz solcher Plastiksäckli hat seit Einführung der Gebühr massiv abgenommen.bild: keystone

Zum Deal gehörte nicht nur eine Gebühr, sondern auch die Vorschrift, eine Statistik über die Anzahl Säckli zu führen, welche die Detailhändler dem Bund abgeben mussten. Auf diesen administrativen Aufwand will der Detailhandelsverband Swiss Retail Federation künftig verzichten und die Branchenvereinbarung per Ende Jahr auslaufen lassen.

Gegenüber dem Tages-Anzeiger sagt Geschäftsführerin Dagmar Jenni: «Da die Ziele mehr als nur erfüllt wurden, finden wir, man könne getrost auf weitere Administration und Erhebung der Plastiksäcke und die damit verbundenen Aufwände verzichten.»

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Jenni beteuert, dass es dem Verband nicht darum gehe, die Einweg-Plastiksäckli oder grössere Mehrweg-Plastiksäcke – diese sind seit 2019 kostenpflichtig – wieder gratis abzugeben. Man werde prüfen, ob in der Branche der Wille bestehe, weiterhin auf eine kostenlose Abgabe zu verzichten.

Der Staat müsse eingreifen

Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter traut den Aussagen des Verbandes nicht. Zwar habe sie für den administrativen Aufwand der Detailhändler ein gewisses Verständnis, «doch sie befürworteten diese Vereinbarung, um eine gesetzliche Vorgabe abzuwenden».

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Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter.Bild: keystone

Brisant: Die beiden Marktführerinnen, Coop und Migros, gehören – anders als Detailhändler wie Aldi, Lidl, Landi, Manor oder Volg – nicht zur Swiss Retail Federation. Sie bündeln ihre Interessen separat über die IG Detailhandel. Und sie möchten die Plastiksäckli-Vereinbarung weiterführen.

Für Schlatter ist klar: «Die Detailhändler möchten die Vereinbarung aufkündigen, weil sie merken, dass der öffentliche Druck auf die Detailhändler, Plastik einzudämmen, nicht mehr so gross ist.» Sie betont:

«Das Vorgehen des Verbandes zeigt exemplarisch, dass die Selbstregulierung der Branche nicht funktioniert.»

Schlatter setzt sich für ein komplettes Verbot von Einweg-Plastiksäckli ein. «Wir haben ein riesiges Plastikproblem, das wir in den Griff bekommen müssen. Ein Verbot wäre extrem wirksam, um Umwelt- und sonstige Schäden durch Plastik an der Quelle zu bekämpfen.»

Die Grünen-Nationalrätin wird in diesen Tagen eine Motion einreichen, die ein Verbot von Einwegpackungen wie Plastiksäckchen verlangt. Sie sagt: «Wenn es die Branche nicht schafft, muss der Staat eingreifen.»

Auch Umweltorganisationen plädieren dafür, Einwegplastik komplett zu verbieten. Der «Tages-Anzeiger» zitiert Greenpeace:

«Gesundheitsschädlicher Mikroplastik befindet sich in der Luft, die wir einatmen, und in den Lebensmitteln, die wir essen. Mikroplastik findet sich sogar im menschlichen Blut, in der Muttermilch und im Gehirn. Swiss Retail sollte die Vereinbarung nicht aufkündigen, sondern deren Anwendungsbereich auf alle Einwegverpackungen ausdehnen.»

«Reine Bürokratie»

Mit einem Verbot kann SVP-Nationalrat Christian Imark, der wie Schlatter Mitglied der Umweltkommission ist, wenig anfangen. Er appelliert an die Eigenverantwortung der Menschen. «Wenn einem die Natur wichtig ist, wirft man einen Plastiksack nicht einfach in den Wald. Das hat mit Werten zu tun.»

Es sei schade, dass die Schweiz wegen Einzelpersonen, die sich nicht zu benehmen wüssten, immer mehr regulieren müsse.

Christian Imark, SVP-SO, spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 23. September 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
SVP-Nationalrat Christian Imark.Bild: keystone

Angesprochen auf die Branchenvereinbarung, auf die Swiss Retail per Ende Jahr verzichten möchte, sagt Imark: «Die Statistik, die Detailhändler führen müssen, ist reine Bürokratie, das bringt niemandem etwas.»

Dass die Einweg-Plastiksäckli auch noch etwas kosten, sei stossend. Gerade mit Blick auf die öffentliche Hand, die im grossen Stil Gratis-Plastiksäckli verteile. Imark sagt:

«In jeder Schweizer Gemeinde sind Robidog-Hundekotbeutel verfügbar. Gehen Sie mal in den Wald spazieren, die liegen überall rum.»

Die ganze Debatte sei ein klassischer Fall von «Probleme suchen, wo keine sind».

Das letzte Wort hätte der Bundesrat

Sollte die Branchenvereinbarung zwischen der Swiss Retail Federation und der IG Detailhandel tatsächlich Ende Jahr auslaufen, könnte der Bundesrat die Problematik beheben.

Gemäss Umweltschutzgesetz besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Einweg-Plastiksäcke zu verbieten. Auch ohne neues Gesetz. Aktiv werden müsste Bundesrat Albert Rösti als Vorsteher des Umweltdepartements.

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Albert Rösti wäre als UVEK-Vorsteher befugt, gegen Einweg-Plastiksäckli vorzugehen.Bild: keystone

Schlatter hat allerdings grosse Zweifel, dass Rösti gegen Einweg-Säckli Eigeninitiative ergreifen wird. «Seit er im Amt ist, geht es bezüglich Klimaschutz – vom Ausbau der erneuerbaren Energien einmal abgesehen – überhaupt nicht vorwärts. Im Bereich Natur und Biodiversität kam von ihm bislang überhaupt nichts.»

Schlatter verweist auf die stärkeren Plastik-Regulierungen innerhalb der EU und findet: «Die Schweiz muss endlich nachziehen.»

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268 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ursus3000
11.06.2025 18:14registriert Juni 2015
Das mit den Plastiksäckli ist doch ein Scheingefecht. Sie würde besser beim Convenience Food beginnen. Dort wird richtig Plastik verschwendet
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Gugus123
11.06.2025 18:29registriert Oktober 2023
Es ist ein schlechter Witz. Wie mit den Röhrli.

Die Meisten die ich kenne, kaufen einfach das Säckli, falls sie eins brauchen. Wir benutzen die zur Entsorgung "stinkender" Abfälle.

ich würde mal behaupten, dass in der CH etwa 99.99% der Säckli sowiso in der Kehrichtverbrennung landen.

Besser mal Plastikverpackungen für alles mögliche im Coop & Migros verbieten.
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Dr. Rodney McKay
11.06.2025 18:17registriert September 2024
„Er appelliert an die Eigenverantwortung der Menschen“

Der Mensch ist unfähig Verantwortung zu übernehmen. Dafür gibt es unendlich viele Beispiele.

„«Die Statistik, die Detailhändler führen müssen, ist reine Bürokratie, das bringt niemandem etwas.“

Muss in Zeiten von IT und Automation schon viel aufwand sein…Artikelnummer eingeben und das System spuckt aus wie oft dieser Artikel verkauft wurde…Dann kann man sicher mit Knopfdruck die Monate separieren und voila.
Aber ja…
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