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Wie in Sim City oder im Manager-Game – die Scheichs in Katar rauben dem Sport die Magie 

Nein, das ist kein Screenshot aus Sim City – hier findet momentan die Handball-WM statt.
Nein, das ist kein Screenshot aus Sim City – hier findet momentan die Handball-WM statt.bild: rkmetalurg.mk
Handball-WM in Katar

Wie in Sim City oder im Manager-Game – die Scheichs in Katar rauben dem Sport die Magie 

Heute finden in Katar die Viertelfinals der Handball-WM statt. Der Grössenwahn der Organisatoren ist für den Sport äusserst bedrohlich. Denn zum ersten Mal werden auch Länderspiele durch Petrodollars entschieden.
28.01.2015, 10:2528.01.2015, 13:41
Corsin Manser
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Wir erinnern uns: 1. Juli 2014, die Schweiz spielt an der Fussball-WM gegen Argentinien. Von Genf bis Rorschach klebt Rot-Weiss vor dem Bildschirm. Die Kiosk-Frau von nebenan, die pubertierende 14-jährige Tochter des Nachbars und der ach so intellektuelle Germanistik-Student aus dem Uni-Seminar. Sie alle haben sonst so wenig mit Fussball zu tun wie eine Durex-Werbung mit der Vatikanzeitung «Osservatore Romano».

Doch wenn die Nationalmannschaft an der WM spielt, dann können auch sie sich für das Spiel dem runden Ball begeistern. Und warum ist das so? Weil man sich mit der Nationalmannschaft im Gegensatz zur Klub-Mannschaft viel besser identifizieren kann. 

An Welt- und Europameisterschaften zieht die Nati das ganze Land in seinen Bann. 
An Welt- und Europameisterschaften zieht die Nati das ganze Land in seinen Bann. Bild: watson

Die Spieler spielen für jenes Land, wo ihre Wurzeln liegen. Nicht dort, wo Kohle gescheffelt werden kann. Die Nationalmannschaft ist eine Herzensangelegenheit. Diese Romantik berührt die Menschen und es entstehen jene magischen Momente wie am 1. Juli 2014. Momente, die es im durchkalkulierten und vom Geld dominierten Sportbusiness sonst immer seltener gibt. 

Länderspiele als letzte Bastion der Romantik im Sport; leider könnte auch das bald der Vergangenheit angehören. Denn in Katar wird dieser Tage mächtiges Geschütz aufgefahren, um dieses Bollwerk dem Erdboden gleichzumachen. 

Der Scheich spielt Sim City – in Realität

Ausgerüstet mit einem 220 Millionen Euro schweren Budget organisierte das katarische Staatsoberhaupt Scheich Tamim bin Hamad Al Thani die diesjährige Handball-WM. Der 34-Jährige erklärte das Turnier zur Chefsache und stampfte in der Nähe von Doha eine hochmoderne Halle aus dem Boden. 15'300 Zuschauer finden in der futuristischen «Lusail Multipurpose Hall» Platz. Ein Ufo im Wüstensand. Ein Scheich spielt Sim City. Aber nicht auf dem Computer, sondern in Realität.

Zum Verwechseln ähnlich: Die Skyline von Doha ...
Zum Verwechseln ähnlich: Die Skyline von Doha ...Bild: yallabye.eu
... und das aktuellen Cover des Computerspiels Sim City. 
... und das aktuellen Cover des Computerspiels Sim City. Bild: ea.com

Die drei Spielstätten der Handball-WM liegen nur 24 Kilometer auseinander, trotzdem ist der Transfer von einer Halle in die andere eine Tortur. Verstopfte Strassen und Staus sind an der Tagesordnung. Scheich Al Thani verspricht, dass er das Problem spätestens bis zur Fussball-WM in den Griff bekommen werde. Man glaubt ihm, die Mittel dazu hat er. 

Und darum geht es dem Golfstaat auch. Man möchte glaubwürdig wirken; zeigen, dass man in der Lage ist, solche Grossevents reibungslos durchzuführen. Aus diesem Grund wurde eine mächtige PR-Maschinerie ins Rollen gebracht. Laut NZZ sind für die laufende Hanball-WM 1711 Medienleute aus 80 Ländern akkreditiert. 680 davon wurden von den Veranstaltern eingeladen. Sie sollen kritikfrei über die WM berichten. Sogar ein fünfköpfiges Fernsehteam von den Cook-Inseln wurde eingeflogen. 

Olympische Spiele in Katar? Eine Frage der Zeit

Die Brust der Organisatoren ist geschwellt. Aus organisatorischer Sicht ist den WM-Veranstaltern auch kaum etwas vorzuwerfen. Den Spielern fehlt es an nichts. Am Mittwoch nutzte man die Gunst der Stunde und liess verlauten, dass man sich für die olympischen Spiele bewerben wird: «Wir haben noch nicht entschieden, ob wir bereits für 2024 kandidieren. Aber wir werden kandidieren. Entweder für 2024, 2028 oder 2032», so der Vorstehende des olympischen Komitees. 

«Aber wir werden kandidieren. Entweder für 2024, 2028 oder 2032»
Der Zeitpunkt ist noch nicht klar, aber Katar wird sich für die Olympischen Spiele bewerben.

Bis zur Fussball-WM im Jahr 2022 ist Katar übrigens auch noch Austragungsort der Rad-WM (2016), eines Formel-1-GPs (2017), der Turn-WM (2018) und der Leichtathletik-WM (2019). Insgesamt stehen in nächster Zeit in Katar 17 Weltmeisterschaften in olympischen Sportarten an. So weit, so ungut. Was deutlich mehr Sorgen macht: Beim Sport wird ebenfalls manipuliert. Und zwar im grossen Stil.

Nur vier gebürtige Katarer in der Nationalmannschaft

Seit 2011 ist klar, dass Katar die Handball-WM wird ausrichten dürfen. Seit 2011 ist Tamim bin Hamad Al Thani auch klar, dass Katar an der WM ein Weltklasse-Team stellen muss. So liess er kurzerhand reihenweise Handball-Stars einbürgern, welche nun für die katarische Flagge spielen. Zum Beispiel den 28-jährigen Zarko Markovic aus Montenegro, welcher momentan zweitbester Skorer der WM ist. Gebürtige Katarer stehen nur vier im Kader des Gastgebers.

Angeblich wurden 60 Spanier eingeflogen, die für Katar Stimmung machen sollen.
Angeblich wurden 60 Spanier eingeflogen, die für Katar Stimmung machen sollen.Bild: AL-WATAN DOHA

Der Plan geht auf: Katar hat die Gruppenphase bravourös überstanden und schlug am Dienstag Österreich im Achtelfinal mit 29:27. «Österreich von Referees und Katar aus WM gekickt», titelte die «Kronen-Zeitung», «gegen uns wurden in der zweiten Hälfte so viele Offensivfouls gepfiffen wie im ganzen Turnier zuvor zusammen», der Kommentar von Österreichs Captain Viktor Szilagy.

Der Scheich spielt ein Manager-Game – in Realität, und das ist gefährlich

Den Katarern sind diese kritischen Stimmen egal. Sie stehen heute im Viertelfinal gegen Deutschland. Jenes Deutschland, dass sich eigentlich gar nicht für die WM qualifiziert hat, aber dank einer dubiosen Suspendierung Australiens zu einer Wild-Card kam. Gewinnen die Katarer auch gegen Deutschland, wartet erneut eine Siegprämie von je 100'000 Euro auf sie. So viel zahlt Al Thani seinen Spielern angeblich pro Sieg. Bis jetzt hat Katar fünf Mal gewonnen. Man rechne. 

Markovic verdient sich bei Katar eine goldene Nase. 
Markovic verdient sich bei Katar eine goldene Nase. Bild: Qatar 2015 via epa/Qatar 2015 via epa

Ein Scheich spielt ein Manager-Game. Aber nicht auf der Playstation, sondern in Realität. Und vor allem: Nicht mit einer Klub-, sondern mit einer Nationalmannschaft. Das ist neu und macht Angst. Eine gefährliche Tendenz, die an der Fussball-WM in Katar mit Garantie eine Fortsetzung finden wird. Wenn Länderspiele in Zukunft ebenfalls von mächtigen Investoren orchestriert werden, dann verlieren sie ihre Magie. Und unvergessliche Momente wie an jenem 1. Juli 2014 werden noch seltener werden. 

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10 Kommentare
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pascii
28.01.2015 11:00registriert Januar 2015
…und der Scheich hält sich gerne Sklaven sowie einen kultivierten Verzicht auf gesunden Menschenverstand und Understatement. Vielleicht spendet er auch der FIFA udn IS etwas Teekässeligeld. Man kann nur mutmassen.
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