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Brände im Amazonas: Die häufigsten Aussage im Faktencheck

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Die Auswirkungen der Brände bei Porto Velho, Brasilien, am 26. August 2019.Bild: EPA

Alle reden über die Amazonas-Brände – aber was davon stimmt?

Die Brände im Amazonas sind seit letzter Woche in aller Munde. Tausende Beiträge wurden in (sozialen) Medien geteilt. Doch teilweise wird mit falschen Fakten argumentiert.
28.08.2019, 11:4429.08.2019, 14:53
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Die Lunge der Welt

«Der Amazonas ist die Lunge der Welt.»

«Das ist Bullshit», sagt Dan Nepstad zu dieser Aussage. Er ist einer der führenden Amazonas-Forscher der Welt. Gegenüber «Forbes» führt er aus:

«Das ist wissenschaftlich nicht fundiert. Der Amazonas produziert viel Sauerstoff, aber braucht den gleichen Betrag für die Zellatmung wieder auf. Es ist ausgeglichen.»

Zustimmung kommt von Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH Zürich. Gegenüber dem SRF sagt er, dass der Sauerstoff, der im Amazonas entsteht, von diesem auch wieder verbraucht werde. Von der Lunge der Welt zu sprechen sei nicht korrekt.

Fazit: Stimmt nicht.

Rekordbrände

«Die Feuer haben ein Rekordausmass im Amazonas-Gebiet erreicht.»

Die Anzahl der Feuer ist zwar um 80 Prozent höher als im Vorjahr. Im Vergleich zum Durchschnitt der letzten zehn Jahre ist es aber nur ein Anstieg um sieben Prozent.

Waldbrände in Brasilien zwischen 1999 und 2019. Datenquelle: INPE.
Waldbrände in Brasilien zwischen 1999 und 2019. Datenquelle: INPE.bild: mongabay.com

Einer der führenden brasilianischen Umweltjournalisten, Leonardo Coutinho, sagte zu «Forbes», dass während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Lula (Arbeiterpartei) und Umweltministerin Marina Silva (2003 – 2009) im Amazonas die höchste Zahl an Feuern registriert wurde.

Coutinho berichtet seit zehn Jahren direkt aus dem Amazonas. Er sagt: «Was derzeit im Amazonas passiert, ist nicht aussergewöhnlich. Such mal auf Google nach Amazonas-Artikeln aus der Zeit, als Lula Präsident war [...]. Die jetzige Lage rechtfertigt keine globale Hysterie.»

Was jedoch eingerechnet werden muss: Die Dürreperiode steht in Brasilien noch an. Das heisst, dass die Anzahl der Brände im Verlauf des Jahres noch signifikant ansteigen könnte.

Fazit: Stimmt (noch) nicht.

Der Amazonas brennt nieder

«Was mich am meisten trifft, ist die Vorstellung, dass Millionen von Notre-Dames, Kathedralen der Biodiversität, bis auf die Grundmauern niederbrennen.»

Brennen die «Kathedralen» des Amazonas nieder? Nein, meint Nepstad: «Ich hab die Fotos gesehen, die Macron und DiCaprio retweeted haben. So wie auf den Bildern brennen die Wälder im Amazonas nicht.»

Das Problem sei, dass man nicht genau wisse, wie stark der Amazonas wirklich brennt. Wenn ein Satellit ein Feuer entdeckt, sagt er uns nicht, ob ein Feld oder vertrocknetes Gestrüpp brenne, führt Nepstad aus. Und: Das Auge aus dem Weltall übersieht meistens die Waldbrände, die unter dem Dach der Baumkronen wüten. Diese «Low Fire» erreichen nur eine Höhe von 50 bis 100 cm, richten aber den grössten Schaden an – insbesondere in Dürrejahren.

Da viele Gebiete vom Rauch verdeckt sind, kann man jetzt aber noch nicht abschätzen, wie stark die Feuer tatsächlich gewütet haben.

Fazit: Man weiss es nicht.

Bolsonaro ist an allem Schuld

Vor allem in den sozialen Medien, aber auch in der internationalen Presse wurde schnell ein Sündenbock für die Brände gefunden: Jair Bolsonaro.

With the red plume of the helmet of an honor guard in the foreground, Brazils President Jair Bolsonaro smile during a military ceremony for the Day of the Soldier, at Army Headquarters in Brasilia, Br ...
Jair Bolsonaro.Bild: AP

Welchen Einfluss hat Bolsonaro auf die aktuelle Lage? Hier gehen die Meinungen verständlicherweise auseinander. Eines ist klar: Er betrachtet den Regenwald als wirtschaftlich ungenutztes Potenzial und kündigte an, keine neuen Schutzgebiete im Amazonasgebiet auszuweisen und weitere Rodungen zuzulassen.

Dazu kommen Berichte, dass unter der Regierung Bolsonaros die Strafverfolgung von illegalen Rodungen leide. Jüngste Zahlen zeigen ausserdem, dass es im Jahr 2019 einen markanten Anstieg an Brandrodungen gegeben hat, wohl ermutigt durch die Brandreden Bolsonaros.

Aber die gesamte Schuld Bolsonaro zuzuschieben, wäre zu einfach. Denn illegale Rodungen gibt es nicht erst seit diesem Jahr.

Nepstads Kommentar: «Ich mag das internationale Narrativ nicht; es polarisiert und spaltet die Gesellschaft. Bolsonaro sagte lächerliche Dinge und nichts davon ist entschuldbar, aber es gibt auch einen grossen Konsens gegen unbeabsichtigte Feuer. Wir müssen da ansetzen.»

Fazit: Bolsonaro trägt Mitschuld, kann aber nicht alleine verantwortlich gemacht werden.

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Brände im Amazonas-Gebiet
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Brände im Amazonas-Gebiet
In Brasilien steht der Wald in Flammen. Seit Wochen wüten Tausende Feuer im Amazonasgebiet und den angrenzenden Steppengebieten.
quelle: ap
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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Energize
28.08.2019 12:16registriert Februar 2015
Auch wenn die Aussage zur Lunge der Welt so nicht stimmt muss zwingend folgendes in die Betrachtung: Würde der ganze Amazones abbrennen, würde dieser riesige Mengen CO2 an die Atmosphäre abgeben. Die regulierende Wirkung des Amazonas auf das globale Klima ginge verloren, mit kaum kalkulierbaren Folgen. Auch wäre der Biodiversitätsverlust verheerend. Auch wenn die Berichterstattung momentan zu einseitig ist, sollten wir nicht vergessen wie grundlegend für uns alle der Amazonas ist.
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sheimers
28.08.2019 12:12registriert April 2014
Unter 2 geht es um die Anzahl der Brände. Ich meine aber wichtiger als die Anzahl wäre die während eines Jahres abgebrannte Fläche.
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Wilhelm Tellerrand
28.08.2019 12:36registriert Oktober 2015
Das Problem ist weniger, dass ohne Amazonas weniger CO2 aus der Luft genommen wird (eine Lunge macht übrigens das umgekehrte), sondern dass im Wald selber Unmengen an fixiertem CO2 vorhanden ist, welches bei einem Brand in die Atmosphäre gerät. Da dies wiederum zu mehr Dürren und somit erhöhter Brandwahrscheinlichkeit führt, besteht die Gefahr einer positiven Rückkoppelung, die wohl schnell ausser Kontrolle geraten kann.
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