Glaubt man den Plakaten der Telekombranche, wird 5G bald im ganzen Land verfügbar sein. Die Swisscom will bis Ende Jahr 90 Prozent der Bevölkerung mit dem ultraschnellen Mobilfunkstandard versorgen. Die Sunrise verspricht das schnelle Funknetz zum gleichen Zeitpunkt in «allen Regionen» der Schweiz.
Wie realistisch das ist, steht auf einem anderen Blatt. Denn der Widerstand gegen den Ausbau des 5G-Netzes wächst. Bei besorgten Bürgern mischen sich gesundheitliche Bedenken mit diffusen Zukunftsängsten. Neben lokalen Widerstandsgruppen organisieren sich die Gegner zunehmend auch auf nationaler Ebene. Vor einem Monat fand in Bern eine Demonstration gegen 5G statt.
Vor allem aber macht der Telekombranche die Politik zu schaffen. Die Kantone Genf und Jura haben ein Moratorium für neue Funkantennen erlassen; auch Aufrüstungen haben sie unterbunden.
Weitere Kantone haben das Tempo gedrosselt: Sie lassen Baubewilligungen liegen, und selbst für kleine Änderungen an Antennen verlangen sie eine Baubewilligung, die wiederum angefochten werden kann. Einige Kantone tun das ganz offiziell wie Freiburg, wo die Regierung jüngst angekündigt hat, auf vereinfachte Verfahren zu verzichten, in anderen Kantonen hat sich die Praxis der Ämter verändert.
Sie alle warten auf den umfassenden Bericht einer Arbeitsgruppe des Bundes, die von der ehemaligen Bundesrätin Doris Leuthard eingesetzt wurde. Bis Ende Juni sollte diese eine Einschätzung über Chancen und Risiken von 5G abgeben.
Das Problem ist: Wie mehrere Quellen bestätigen, wird sich dieser Bericht verspäten. Und damit werden auch die Moratorien sowie die Bummeltaktik der Kantone weitergehen. Denn der Bewilligungsstopp in Genf und Jura ist an die Veröffentlichung des Berichts geknüpft. Und dieser wird dem Vernehmen nach erst im September erscheinen.
«Diese Verzögerung ist sehr bedauerlich», sagt der Direktor des Telekomverbands Asut, Peter Grütter. Er warnt davor, dass die bestehenden Antennen zunehmend an Grenzen stossen. Vielerorts seien diese bereits heute zu 90 Prozent ausgelastet. «Wir können über die bestehende Infrastruktur nicht immer mehr Daten senden», sagt er.
Insbesondere der Blick nach Genf bereitet ihm Sorge. «Wenn das Moratorium noch lange weiterläuft, könnte es in der Stadt Genf bald zu einem Kommunikationsengpass kommen», warnt er.
An die Adresse des Bundes sagt er: «Es wäre wichtig, dass die Arbeitsgruppe mit ihrem Bericht möglichst bald für die nötige Klärung der Lage sorgt.»
Von den Telekomanbietern hört man Ähnliches. «Wir bedauern die Verspätung des Berichts», sagt Swisscom-Mediensprecherin Sabrina Hubacher. Sunrise-Sprecher Rolf Ziebold sagt: «Sollte sich der Bericht tatsächlich verspäten, fehlt weiterhin eine wichtige Grundlage für eine sachliche Diskussion in Politik und Öffentlichkeit.» Trotz anhaltender Unsicherheit: Sowohl Swisscom und Sunrise halten an ihren Ausbauplänen vorerst fest.
Immer drängender stellt sich indes die Frage nach Klagen. Denn die Kantone befinden sich juristisch auf dünnem Eis. Der Bund hat ihnen unmissverständlich mitgeteilt: Nicht die Kantone, sondern der Bund ist für den Strahlenschutz zuständig. Der Erlass kantonaler Moratorien sei damit kompetenzwidrig und dürfte einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten.
Bisher haben allerdings weder Sunrise noch Swisscom den juristischen Weg beschritten. Dies dürfte auch daran liegen, dass sie es sich mit den Behörden und der Öffentlichkeit nicht verscherzen wollen.