Es scheint eigentlich unglaublich. Doch die Story, die derzeit für massiven Wirbel in den USA sorgt, ist tatsächlich so passiert. Der Chefredaktor des US-Nachrichtenmagazins The Atlantic, Jeffrey Goldberg, wurde von Sicherheitsberater Michael Waltz in einen Signal-Gruppenchat eingeladen – dort diskutierte die versammelte Regierungsmannschaft Trumps über Angriffspläne gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.
Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Aussenminister Marco Rubio – sie alle waren im Chat mit dem Namen «Houthi PC small group» drin. Insgesamt 18 Mitglieder von Trumps engstem Zirkel waren beteiligt, wie die BBC schreibt.
Nachdem anfänglich über die Sinnhaftigkeit von präventiven Luftschlägen diskutiert wurde und der einflussreiche Trump-Berater Stephen Miller offenbar ein Machtwort sprach, sandte Verteidigungsminister Hegseth später die genauen Angriffspläne in die Gruppe. Journalist Goldberg konnte immer noch nicht richtig an die Echtheit der Konversation glauben – bis die US-Truppen zwei Stunden später tatsächlich mit den Bombardements der Huthi-Stellungen begannen.
Der Chat-Skandal sorgt für scharfe Kritik und vor allem viel Unglauben. Verschiedene Demokraten fordern umgehende Konsequenzen in Form von Untersuchungen und Rücktritten. Das Weisse Haus bestätigte zähneknirschend, dass die Chatverläufe echt aussähen. Trump spielte indes einmal mehr den Unwissenden. Und Pete Hegseth unterstellt Journalist Goldberg Lügen und weist die Vorwürfe zurück. Die Reaktionen in der Übersicht.
Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat fordert eine Untersuchung des Vorfalls. Es handle sich um einen «der krassesten Verstösse gegen die militärische Geheimhaltung», den er seit langem erlebt habe. Er bezeichnet die Vorgänge als «Debakel» und fordert eine «umfassende Untersuchung».
Auch Warren, demokratische Senatorin aus Massachusetts und seit jeher scharfe Trump-Kritikerin, wird deutlich:
Sie bezeichnet den Vorfall auf X als «eklatant illegal und unglaublich gefährlich».
Die ehemalige Aussenministerin und Präsidentschaftskandidatin wurde einst von den Republikanern aufs Schärfste angegangen, weil sie als Offizielle E-Mails über ein privates Konto verschickt hatte. Angesichts des aktuellen Vorfalls äussert sie sich auf X ungläubig:
Bolton ist Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater (die Position, die jetzt der im Gruppenchat ebenfalls beteiligte Michael Waltz innehat) und gehört mittlerweile zu den zahlreichen Kritikern des US-Präsidenten. Er hält den Vorfall für beispiellos. Dass über solche heiklen Pläne überhaupt per Chat kommuniziert werde, sei unvorstellbar. «Diese Angelegenheiten hätten eigentlich im Lagezentrum besprochen werden müssen, bevor der Präsident überhaupt eine Entscheidung traf», so Bolton.
Dass der Vorfall Konsequenzen für die Trump-Vertrauten hat, kann Bolton sich jedoch nicht vorstellen:
Der demokratische Senator und Anwalt Chris Coons aus Delaware ist überzeugt, dass der liederliche Umgang mit den eigentlich hochgeheimen Plänen strafbar ist. Jede einzelne im Gruppenchat anwesende Person habe «eine Straftat begangen».
Murkowski ist Republikanerin und Senatorin Alaskas, allerdings ebenfalls eine Kritikerin von Donald Trump. Sie gibt zu bedenken:
Sie fügt an, es werde interessant zu sehen sein, ob jemand seinen Job nach diesem Vorfall verlieren werde.
Verteidigungsminister Hegseth wollte zuerst nichts von den Vorwürfen wissen. «Niemand hat Kriegspläne per SMS verschickt», behauptete er gegenüber Reportern auf einer Dienstreise im Pazifik. Goldberg bezeichnete er als «diskreditierten Möchtegern-Journalisten». Dieser konnte in einem CNN-Interview nur müde über die Aussagen schmunzeln und versicherte: «Das waren Angriffspläne.»
Etwas anders als bei Hegseth klang es auch bei Mike Johnson, dem Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus. Johnson hat eingeräumt, dass eine «unbeabsichtigte Nummer» dem Chat hinzugefügt worden war. Die Regierung werde den Fall untersuchen und «sicherstellen, dass das nicht mehr vorkommt». Zudem gestehe die Regierung ein, dass «ein Fehler passiert ist».
Aussagen von Brian Hughes, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, wollte Karoline Leavitt, Sprecherin des Weissen Hauses, nicht direkt kommentieren. Sie verwies darauf, dass die Angriffe auf die Huthi «höchst effektiv» gewesen seien. Hughes hatte zuvor gesagt, dass die Chatverläufe «authentisch scheinen». Der Signal-Austausch sei Ausdruck einer «ausführlichen und tiefgehenden Abstimmung von wichtigen Regierungsmitgliedern zur Erarbeitung von Plänen».
Zahlreiche Experten, Anwälte und Politwissenschaftlerinnen äussern Kritik an der US-Regierung und ihrem Umgang mit vertraulichen Themen. Im Zentrum steht vor allem die Frage, ob und welche Konsequenzen der Vorfall hat. Für die ehemalige Sicherheitsberaterin von Joe Biden, Mara Karlin, ist klar, dass das Chat-Gate umfassende Untersuchungen zur Folge haben muss und dass sich die Beteiligten zumindest vor dem Kongress verantworten müssen.
Dort, im Kongress, könnte es schon in Kürze heiss zu- und hergehen. Bereits am Dienstag findet eine Sitzung im Senat statt, bei der es um die Geheimdienstbelange der USA geht, wie das US-Nachrichtenportal Axios schreibt.
Dort nehmen Tulsi Gabbard, Trumps Geheimdienstchefin, und CIA-Direktor John Ratcliffe teil. Sie waren beide Teil des Signal-Gruppenchats – und dürften sich heiklen Fragen und ziemlich viel Kritik ausgesetzt sehen.
Das ist nicht normal…