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US-Regierung lädt Journalist aus Versehen in Geheim-Chat ein

US-Regierung schickte geheime Angriffspläne aus Versehen an Journalist – so reagiert Trump

Ein geplanter Luftschlag im Nahen Osten, ein Gruppenchat der Regierung und ein Journalist, der alles mitliest – eine brisante Sicherheitspanne sorgt in den USA für Aufregung.
24.03.2025, 18:4325.03.2025, 07:39
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Der Chefredaktor des US-Magazins «The Atlantic» wurde nach eigenen Angaben versehentlich in einen geheimen Gruppenchat der US-Regierung aufgenommen, in dem offenbar hochsensible Militärpläne erörtert wurden.

Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, bestätigte, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei. Er kündigte eine interne Prüfung an.

In einem erst jetzt veröffentlichten Artikel schildert «Atlantic»-Chefredaktor Jeffrey Goldberg ausführlich, wie er Mitte März über die verschlüsselte Messenger-App Signal stiller Zeuge einer brisanten Unterhaltung wurde: In dem Gruppenchat besprachen offenbar führende Mitglieder der Regierung von US-Präsident Donald Trump konkrete Angriffspläne gegen die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen.

Sicherheitsberater schickt Einladung

Den ersten Kontakt gab es Goldberg zufolge am 11. März: Ein Signal-Nutzer mit dem Namen von Trumps Nationalem Sicherheitsberater, Michael Waltz, habe ihm eine Kontaktanfrage geschickt, schreibt der Journalist. Zunächst sei er misstrauisch gewesen. Er habe vermutet, dass es sich nicht wirklich um den Regierungsvertreter handele. In der Hoffnung, es tatsächlich mit Waltz zu tun zu haben, habe er die Anfrage dennoch angenommen.

Zwei Tage später folgte dann die Einladung in den besagten Gruppenchat. Diesem traten nach und nach weitere Nutzer bei: einige unter Klarnamen, andere mit Kürzeln, die auf Mitglieder der US-Regierung schliessen liessen.

Defense Secretary Pete Hegseth prepares to give a television interview outside the White House, Friday, March 21, 2025, in Washington. (AP Photo/Mark Schiefelbein)
Pete Hegseth
Pete Hegseth sendete die Kriegspläne in einen Gruppenchat, in dem versehentlich auch ein US-amerikanischer Journalist hinzugefügt worden war.Bild: keystone

Chefredaktor zweifelt zunächst Echtheit an

Zu diesem Zeitpunkt war Goldberg nach eigenen Angaben weiterhin alles andere als überzeugt, dass es sich um eine echte Regierungskommunikation handelte. Die Vorstellung, dass der Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten ausgerechnet ihn – den Chefredakteur eines US-Magazins – in einen solchen Chat einladen würde, erschien ihm absurd. «Ich hatte starke Zweifel an der Echtheit dieses Gruppenchats», schreibt Goldberg. Er habe ausserdem nicht glauben können, «dass die führende Sicherheitsriege der Vereinigten Staaten ihre bevorstehenden Kriegspläne über Signal kommunizieren würde».

Er hielt es eher für möglich, dass es sich um eine gezielte Täuschungsaktion eines ausländischen Geheimdienstes handeln könnte. Während Goldberg noch über die Herkunft der Nachrichten rätselte, entwickelten sich die Dinge auf seinem Handy-Bildschirm jedoch weiter: Die Mitglieder der Gruppe begannen, offen über einen geplanten Militärschlag im Jemen zu sprechen.

Im Chat mit Vance und Hegseth

Goldberg beschreibt in seinem Artikel detailliert den Austausch zwischen den Beteiligten – mit exakten Uhrzeiten, Originalzitaten und teils informellem Ton. So habe etwa Waltz Emojis eingesetzt, um Zustimmung und Kampfgeist zu signalisieren: eine geballte Faust, eine US-Flagge und ein Flammen-Symbol.

Unter den Gruppenmitgliedern befanden sich demnach unter anderem Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Aussenminister Marco Rubio sowie weitere Kabinettsmitglieder und hochrangige Regierungsbeamte. Diskutiert wurden sowohl die militärische Taktik als auch die politische Kommunikation rund um den geplanten Schlag gegen die Huthi.

JD Vance: @Pete Hegseth, Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann lass uns das tun.Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen.Lasst uns dafür sorgen, dass unsere Kommunikation hier  ...
JD Vance: @Pete Hegseth, Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann lass uns das tun.
Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen.
Lasst uns dafür sorgen, dass unsere Kommunikation hier präzise ist. Und wenn es Dinge gibt, die wir im Vorfeld tun können, um das Risiko für saudische Öleinrichtungen zu minimieren, sollten wir das tun.
bild: screenshot «the atlantic»
Pete Hegseth: VP: Ich teile voll und ganz deine Abneigung gegen europäische Trittbrettfahrer. Es ist ERBÄRMLICH. Aber Mike hat Recht, wir sind die Einzigen auf dem Planeten (auf unserer Seite der Bila ...
Pete Hegseth: VP: Ich teile voll und ganz deine Abneigung gegen europäische Trittbrettfahrer. Es ist ERBÄRMLICH. Aber Mike hat Recht, wir sind die Einzigen auf dem Planeten (auf unserer Seite der Bilanz), die dies tun können. Niemand sonst auch nur annähernd. Die Frage ist das Timing. Ich denke, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, da POTUS die Schifffahrtswege wieder öffnen will. Ich denke, wir sollten loslegen, aber POTUS hat noch 24 Stunden Entscheidungsspielraum.
SM: So wie ich es verstanden habe, war der Präsident klar: grünes Licht, aber wir machen Ägypten und Europa bald klar, was wir als Gegenleistung erwarten. Wir müssen auch herausfinden, wie wir eine solche Forderung durchsetzen können. Wenn Europa nicht zahlt, was dann? Wenn die USA die Freiheit der Schifffahrt mit grossem Aufwand erfolgreich wiederherstellen, muss im Gegenzug ein weiterer wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden.
Pete Hegseth: Ich stimme zu.
bild: screenshot «the atlantic»

Details kurz vor Angriffen

Besonders brisant: Zwei Stunden vor dem Start der Angriffe am 15. März postete Hegseth selbst in dem Chat detaillierte Angaben zu Zielen, Waffensystemen und dem zeitlichen Ablauf der Operation. Kurz darauf begannen tatsächlich Luftschläge gegen Huthi-Stellungen im Jemen. Die USA hatten die Miliz kurz zuvor wieder als ausländische Terrororganisation eingestuft.

Als die ersten Explosionen gemeldet wurden, war Goldberg eigenen Angaben zufolge schliesslich überzeugt, dass die Unterhaltung real war – und doch kein Fake. Er verliess sie wenig später unaufgefordert. Rückfragen zu seiner Anwesenheit gab es seinem Bericht zufolge nicht.

So reagiert Trump

Bei einer Veranstaltung des Weissen Hauses behauptete Trump auf Nachfrage eines Reporters am Montag, er wisse nichts von den Berichten:

«Ich weiss nichts davon. Ich bin kein grosser Fan von ‹The Atlantic›, für mich ist das ein Magazin, das bald pleite geht.»

Der US-Präsident forderte den Reporter daraufhin auf, zu erklären, worum es genau gehe. Er höre von der Geschichte das erste Mal – sie könne «nicht besonders erfolgreich» gewesen sein. Anders als der Angriff auf die Huthi-Rebellen, der «sehr effektiv» gewesen sei.

President Donald Trump speaks at a reception celebrating Greek Independence Day in the East Room of the White House, Monday, March 24, 2025, in Washington. (AP Photo/Jacquelyn Martin)
Donald Trump
Donald Trump gibt vor, erst heute von der Geschichte erfahren zu haben.Bild: keystone

Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt bekräftigte noch einmal, wie effektiv und erfolgreich die Angriffe gewesen sein sollen. Trump habe «weiterhin grösstes Vertrauen in sein nationales Sicherheitsteam, einschliesslich des nationalen Sicherheitsberaters Mike Waltz», so Leavitt.

Viele Fragen offen

Der Fall wirft jede Menge Fragen auf. Wie kann so eine dramatische Panne überhaupt passieren? Wie kann es sein, dass die oberste Riege der Regierung - noch dazu die Führungsmannschaft der nationalen Sicherheit - aus Versehen einen Journalisten in einen internen Gruppenchat einlädt? Wie kann es sein, dass das über Tage niemand merkt? Warum aber kommt diese Führungsriege überhaupt auf die Idee, aktive militärische Planungen auf diesem Wege zu diskutieren?

Üblicherweise gibt es strenge Regularien dazu, wie die Regierung mit vertraulichen und streng geheimen Informationen umzugehen hat, die die nationale Sicherheit betreffen. Das gilt umso mehr, wenn es sich um aktive Planungen für einen Militärschlag im Ausland handelt.

Die Signal-App ist laut «Atlantic» von der US-Regierung generell überhaupt nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen. Und für Informationen zu konkreten Plänen für militärische Aktionen gelten besonders strikte Vorgaben.

Sorge wegen hochsensibler Informationen

Haben sich Kabinettsmitglieder durch ihr Vorgehen womöglich sogar strafbar gemacht? Trump selbst hat die strengen Vorgaben bei dem Thema zu spüren bekommen: Er wurde strafrechtlich verfolgt und angeklagt, weil er geheime Regierungsunterlagen nach seiner ersten Amtszeit unsachgemäss in seinem privaten Anwesen aufbewahrte - das Verfahren wurde später eingestellt.

Und was sagt der Fall insgesamt über den Umgang mit hochsensiblen Informationen in der Trump-Regierung? Die Aufregung jedenfalls ist gross, und einiger Spott - auch aus dem Ausland – dürfte Trumps Team sicher sein. Der US-Präsident selbst erklärte zunächst, nichts von der Sache zu wissen. Angesprochen auf den Bericht entgegnete der Republikaner, es sei das erste Mal, dass er davon höre – und er «kein grosser Fan» des Magazins sei.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Hughes, versuchte, die Panne umzudeuten, und argumentierte, der Vorfall sei ein «Beleg für die intensive und durchdachte politische Koordinierung zwischen hochrangigen Regierungsvertretern». Dass sich diese Lesart durchsetzen wird, ist eher unwahrscheinlich.

(hkl/sda/dpa)

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116 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rannen
24.03.2025 18:49registriert Januar 2018
Die Unfähigkeit geht in den USA bis zu den obersten Etagen der Trump Regierung! Die Selbstüberschätzung ist enorm!
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tops
24.03.2025 19:03registriert Juni 2018
Ja der Herr Trömp ist eben so ein Friedenspräsident - wie er doch immer wieder im Kontext der Ukraine betont.
21210
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denkpause
24.03.2025 18:50registriert April 2021
Ehrlich gesagt, mich erstaunt mehr, dass Pete Hegseth tatsächlich involviert ist, als der dilettantische Umgang mit Informationen unter ihm/der Administration Trump.
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