Ein Foto geht um die Welt. Ein Vater liegt mit seiner Tochter am Ufer des Rio Grande in Mexiko. Die Gesichter sind nach unten gedreht. Sie haben die Flucht in die USA nicht überlebt.
Es ist einer dieser Momente, in denen Zahlen ein Gesicht bekommen. 144'000 Personen wurden im Mai dieses Jahres an der US-Grenze aufgefangen.
Doch erst das Foto und das Schicksal von Oscar Alberto Martinez Ramirez und seiner Tochter weckt die Öffentlichkeit auf. Der 25-Jährige war auf der Suche nach einem lebenswerten Leben für seine kleine Familie. In El Salvador sah er keine Zukunft. Das Land in Mittelamerika hat die höchste Mordrate der Welt.
Die erschütternde Geschichte der Familie Ramirez ist kein Einzelfall. Im Gegenteil. Täglich erleiden zahlreiche Familien dasselbe Schicksal. Sei es im Mittelmeer, im bengalischen Meer oder vor Australien.
Und die Katstrophe hat erst so richtig begonnen. Ein Vorgeschmack, auf was uns in Zukunft erwarten wird, ist in dieser Woche in Indien zu beobachten. In Chennai, der sechstgrössten Stadt des Landes, ist es zu einer noch nie dagewesenen Wasserknappheit gekommen.
Die vier grössten Wasser-Reservoirs der Stadt sind allesamt nahezu ausgetrocknet. Die Bewohner der Fünfmillionen-Metropole müssen stundenlang anstehen, um ihre Tanks mit Trinkwasser aufzufüllen.
Die Regierung lässt Laster voll mit Wasser in die ostindische Stadt karren. Doch die Trucks würden von Wegelagerern angegriffen und entführt, sagt Jyoti Sharma, Gründer einer indischen NGO für Wasserschutz gegenüber CNN. Zwischen den Nachbarschaften käme es zu Gewalt wegen Streitigkeiten um Wasser. «Wenn es nicht bald zu regnen beginnt, werden wir alle leiden», prophezeit Sharma.
Zurückzuführen ist die Wasserknappheit in Chennai zum einen auf ein ungenügendes Wassermanagement der Regierung. Der andere Grund ist der Klimawandel. Der Monsun kommt nicht mehr so regelmässig wie früher, längere Trockenperioden und Dürren werden immer häufiger.
600 Millionen Menschen in Indien sind von Wasserknappheit betroffen, hat Niti Aayog, ein indischer Think Thank der Regierung, ausgerechnet. Bengalore, Chennai, Mumbai und Delhi: «Allen geht das Wasser aus», warnt Sharma.
Die Folgen sind verheerend: Im Jahr 2050 wird es Schätzungen zufolge 150 bis 300 Millionen Klima-Flüchtlinge geben. 1.8 Milliarden Menschen werden unter Wasserknappheit leben, rechnet die Uno vor.
Die Klima-Migration ist bereits heute Tatsache. Etwa in Zentralamerika, der Heimat von Ramirez und seiner Familie. Die zunehmende Desertifikation zwingt alleine in Mexiko jährlich 700'000 Personen, ihren Wohnort zu wechseln.
Derweil fürchtet ganz Ägypten, dass Äthiopien mit seinem neuen Staudamm dem Nil den Hahn zudreht. Im Irak erreichte der Tigris vergangenes Jahr historische Tiefstände, zwischen China und Indien gibt es immer grössere Spannungen wegen der Wasserreserven im Himalaja.
Die Liste könnte fast beliebig weiter geführt werden. Sogar in Australien spitzt sich der Kampf ums Wasser zu. Und was passiert, wenn die Gletscher in Europas Wasserschloss, der Schweiz, erst einmal weg geschmolzen sind?
Noch werden wir hierzulande nicht verdursten. Zuerst trifft es diejenigen, die sowieso schon am wenigsten haben. Der Uno-Sonderberichterstatter für extreme Armut, Philip Alston, warnte diese Woche von einer «Klima-Apartheid». Die Reichen können sich vor den Folgen des Klimawandels schützen, während es die Armen mit voller Wucht trifft.
Die «Apartheid» nimmt bereits Formen an: Europa riegelt das Mittelmeer hermetisch ab und schickt die Flüchtenden zurück nach Libyen in die Hände von barbarischen Menschenhändlern, die sogar Sklavenmärkte abhalten. Derweil will Trump sein Land dichtmachen und lässt Migrantenkinder am Boden schlafen.
Die Migration wird sich dadurch nicht aufhalten lassen. Wenn Menschen nichts mehr zu trinken haben, werden sie ihre Heimat verlassen. Tragödien, wie jene, die sich diese Woche am Rio Grande ereignet hat, werden zunehmen. Dagegen hilft keine Mauer, sondern eine griffige Klimapolitik.
In Indien und Afrika ist die Kindersterblichkeit viel mehr gesunken als die Geburtenrate, ausserdem ist die Lebenserwartung gestiegen.